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6. Skizze des Unterrichtsverlaufs

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

1. Stunde

Die Schülerinnen und Schüler erhalten durch die Daten auf der Einstiegsfolie einen Impuls, sich mit nachhaltiger Papierproduktion zu beschäftigen.

Die Informationen rufen bei den Schülerinnen und Schülern eine kognitive Dissonanz hervor – die Daten scheinen nicht zusammen zu passen. Wenn schon die BILD-Zeitung einen so gewaltigen Papierverbrauch aufweist, wie sieht es dann erst im Springer-Verlag insgesamt aus (ca. 170 Titel) oder den Printmedien in Deutschland oder gar der EU insgesamt? Andererseits erhält die Axel Springer AG den Nachhaltigkeitspreis dafür, dass sie nachhaltige Forstwirtschaft „hinbekommt“. Wie soll das gehen?

Die Schülerinnen und Schüler formulieren Fragen für die weitere Untersuchung. Die Lehrperson hilft bei der Gliederung der Fragen und ergänzt bzw. erläutert die Funktion die Fragen zur Quellenkritik.

Der Fragenkatalog könnte lauten wie folgt:

1. Nachhaltige Papierbeschaffung und Zeitungsproduktion bei Axel Springer

  • Wie gelingt es Axel Springer, solch gewaltige Papiermengen nachhaltig produzieren zu lassen?

  • Was bedeutet Nachhaltigkeit? Welche Beispiele finden sich dafür bei der Axel Springer AG?

  • Was kostet nachhaltige Papierherstellung? Ist sie teurer als „normale“ Papierherstellung?

2. Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Informationen

  • Wie kann Axel Springer beweisen, dass sein Zeitungspapier nachhaltig hergestellt ist?

  • Der überwiegende Teil der Materialien stammt von den Internetseiten der Axel Springer AG. Wie können wir feststellen, ob diese Informationen stimmen?

Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler einen möglichst großen Anteil an der Fragen-Formulierung haben, um die Kompetenz selbstverantwortlichen Lernens zu schulen. Daher ist auch die schülernahe Formulierung von Bedeutung. Es ist nicht notwendig, dass die Fragen alle Aspekte erfassen, die das Material bereit hält. In diesem heuristisch-konstruktivistischen Zugang liegt der Unterschied zum Arbeitsauftrag, den die Lehrperson im klassischen Lehrgang stellt.

Mit den oben genannten vier Fragen können die Schülerinnen und Schüler sehr weit kommen. Die folgende Übersicht fasst die Grundaussagen zusammen, welche das Materialdossier ermöglicht.

Leitfragen

Ergebnisse

Quellen

1. Nachhaltige Papierbeschaffung und Zeitungsproduktion bei Axel Springer

 

Wie gelingt es Axel Springer, solch gewaltige Papiermengen nachhaltig produzieren zu lassen?

Springer verpflichtet seine Papierlieferanten, sechs Waldnutzungsstandards einzuhalten (seit 1995).

M 7

Was bedeutet Nachhaltigkeit? Welche Beispiele finden sich dafür bei der Axel Springer AG?

Qualitative nachhaltige Forstwirtschaft: Erhalt der Artenvielfalt:

Quantitativ nachhaltige Forstwirtschaft: Es werden nicht mehr Bäume abgeholzt als neu angepflanzt werden. Der Baumbestand bleibt konstant oder wächst.

M 11

 

Nachhaltigkeit hat zu tun mit Ressourceneffizienz, d.h. dass es gelingt, bei der Zeitungsproduktion natürliche Rohstoffe und Energie zu sparen. Vgl. die Formel.

M 5

 

2005 – 2007 gelang es Springer, die Ressourceneffizienz in einer Reihe von Bereichen z.T. erheblich zu steigern. Beispiele: Direkte CO 2 -Emissionen -53,3%, Papierverbrauch -0,4% (bezogen auf den m 2 bedrucktes Papier).

M 10

Was kostet nachhaltige Papierherstellung? Ist sie teurer als „normale“ Papierherstellung?

Die Axel Springer AG arbeitet mit Gewinn. Im Jahr 2008, als der Nachhaltigkeitspreis verliehen wurde, war es der höchste in der Geschichte des Unternehmens.

M 3

 

Die Einsparung von 0,4% Papier pro bedruckten m 2 erbrachte bei der Axel Springer AG 2007 eine Kostenersparnis von € 454.824,68.

M 12a

 

In der Kinderbuch-Herstellung ist die Situation ungünstiger. Die chinesischen Drucker verlangen für nachhaltig beschafftes Papier höhere Preise. Der WWF 2009 hat in Tests nachgewiesen, dass 19 von 51 Kinderbüchern auf Papier gedruckt wurden, das aus Tropenholz, z.B. aus indonesischen Regenwäldern stammt.

M 12b

2. Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Informationen

 

Wie kann Axel Springer beweisen, dass sein Zeitungspapier nachhaltig hergestellt ist?

Springer berichtet über seine Papier- und Zeitungsherstellung und lässt seine Produktion nach internationalen Standards überprüfen.

M 1, M2

Der überwiegende Teil der Materialien stammt von den Internetseiten der Axel Springer AG. Wie können wir feststellen, ob diese Informationen stimmen?

Springer kann sich eigentlich nicht leisten, dass jemand nachweist, dass seine Nachhaltigkeitsberichte nicht stimmen oder die Filme nicht „echt“ seien. Wer über Nachhaltigkeit schreibt, ist glaubwürdiger, wenn er sie auch selbst praktiziert.

M 2

M 8

Außenstehende kontrollieren und bewerten (zertifizieren) die Papierproduktion.

Die Druckereien werden alle drei Jahre nach offiziellen EG-Öko-Audit-Kriterien überprüft.

M 1,
M 9

Weitere Fragen sind selbstverständlich denkbar, die z.T. auch über das Quellenmaterial hinausführen:

  • Aus welchem Grund ist der Axel Springer AG die Nachhaltigkeit so wichtig?

  • Welchen Verlagen gelingt es außer Axel Springer, nachhaltig hergestelltes Papier zu beschaffen?

  • Wie entwickeln sich die Wälder und die Artenvielfalt in Deutschland bzw. In Europa?

Wie weit der Fragehorizont gespannt wird, ist entscheiden die Schülerinnen und Schüler (selbst gesteuerte Aufgabendifferenzierung) und die Lehrperson (didaktische Reduktion und Auswahl, Zeitplanung)

Die Lehrperson führt die Klasse in den Projektauftrag ein. Sie stellt ihnen das Material vor, bespricht die Arbeitsweise:

  • Gruppenarbeit

  • Zeitmanagement (Zeit: eine Doppelstunde für die Lektüre, eine Stunde für die Herstellung der Präsentation)

  • Internetzugang zum Filmangebot der Axel Springer AG – zu Hause oder im schuleigenen Computerraum

  • arbeitsteilige Bearbeitung der Materialien

  • Anfertigung eines Produkts – Plakat, Folie oder Powerpointpräsentation

2./3. Stunde: Schwerpunktaufgabe

Anhand ihres Fragenkatalogs, den Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der Lehrperson formuliert haben, erarbeiten sie sich die Informationen aus dem Materialdossier. Die Materialien sind im Schwierigkeitsgrad an diese Aufgabenstellung angepasst.

Sie sollen anschließend darstellen und beurteilen können, wie nachhaltige Papierbeschaffung in großem Maßstab realisierbar ist. Der Kompetenzgewinn besteht u.a. darin, dass die jungen Menschen lernen, sich komplexe Sachverhalte durch Fragen zu erschließen und selbständig zu erarbeiten. Kognitive Dissonanzen muss man lernen auszuhalten, da sie zu neuen Erkenntnissen führen können.

Zeitmanagement, Aufgabenverteilung und –differenzierung liegt in der Hand der SuS.

Sie modifizieren den Leitfragenkatalog – d.h. sie erweitern ihn, wenn ihnen neue Gesichtspunkte auffallen, oder kürzen ihn, wenn die verfügbare Zeit nicht ausreicht, um das ganze Material zu erarbeiten. Es kommt unter kompetenzorientierer Perspektive nichts so sehr darauf an, dass alle alles gelesen haben und ein identisches Produkt vorweisen, sondern das Erarbeitete verstanden haben und im Sinne der Nachhaltigkeit, der ökonomischen Perspektive und der Quellenkritik beurteilen können.

Der Stoff – der exemplarische Gegenstand – hat eine dienende Funktion. Fehlende Details lassen sich ggf. in der Präsentations- und Diskussionsphase ergänzen.

4./5. Stunde: Präsentationen und Diskussion

1. Präsentationsphase

Die Schülerinnen und Schüler stellen ihre Ergebnisse vor. Die Zusammenfassung des erzielbaren Gesamtergebnisses dient der Lehrperson als Erwartungshorizont und Grundlage für die Überprüfung der Schülerbeiträge.

Falls räumlich und technisch realisierbar, ist ein „Marktplatz“ eine attraktive Alternative zur herkömmlichen Aneinanderreihung von frontalen Darbietungen im Plenum.

Es müssen nicht alle Gruppen alle anderen Präsentationen besucht haben. Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse in Bezug auf die Leitfragen vergleichen.

Diese Fragen werden im Klassengespräch im Anschluss an die Präsentationsphase geklärt und das Ergebnis festgehalten.

2. Urteilsbildung

Nun folgt die Diskussions- und Reflexionsphase, die für die Urteilsbildung entscheidend ist.

Die Lehrperson gibt einen Impuls:

Nur wenige Unternehmen bekommen den Nachhaltigkeitspreis. Was ist mit den vielen anderen Unternehmen?

Unterschiedliche Perspektiven und Hypothesen sind möglich: fehlender Wille, fehlendes Geld, technische Probleme, vielleicht auch die Machtposition von Axel Springer als Großeinkäufer.

Falls notwendig, greifen die Schülerinnen und Schüler auf M 12 a/b zurück und arbeiten die Unterschiede zwischen den beiden Fallbeispielen heraus:

  • Bei Springer harmonieren die beiden Ziele des Umweltschutzes und Gewinnmaximierung – bei den Kinderbuchverlagen besteht ein Zielkonflikt.

  • Zeitungspapier ermöglicht Recycling eher als die Herstellung eines Kinderbuchs, bei dem andere Ansprüche an das Papier gestellt werden.

  • Springer ist ein Großeinkäufer und kann mehr Druck ausüben auf seine Handelspartner als es kleine Buchverlage können.

  • Springer schickt seine Vertreter bis in die russischen Wälder; kleine Verlage können nicht die chinesische Buchproduktion und die Abholzung in Indonesien vor Ort kontrollieren.

Die Lehrperson kann in der Auswertung die Information ergänzen, dass J.K. Rowling, die Autorin der Harry Potter-Romane, darauf besteht, dass künftig ihre Geschichten auf nachhaltig gedrucktem Papier erscheinen müssen – mit Erfolg. Günther Grass hat die gleiche Forderung erhoben, ebenfalls mit Erfolg 9 .

Fazit: Nachhaltigkeit in der Beschaffung und Produktion ist von vielen Voraussetzungen abhängig, aber auch vom Willen aller Beteiligten, bis hin zu den Verbrauchern. 10 Nachhaltigkeit rechnet sich – z.T. betriebswirtschaftlich, auf alle Fälle aber langfristig und global.

3. Aufbau der Methodenkompetenz (Quellenkritik, Gegenrecherche)

Die Schülerinnen und Schüler erwerben eine Kompetenz durch Training und durch Metareflexion. Um von einer Kompetenz künftig Gebrauch zu machen, müssen die Schülerinnen und Schüler wissen, dass sie eine Kompetenz erworben oder erweitert haben und wozu sie nützt. 11

Die Lehrperson gibt eine Impulsfrage:

Weshalb ist es wichtig, den Realitätsgehalt der Informationen der Axel Springer AG, die fast alle aus dem Netz kommen, zu überprüfen?

Die Schülerinnen und Schüler können auf die Relevanz des Nachhaltigkeitsthemas verweisen und auf den Legitimationsbedarf eines Medienunternehmens wie Springer. Ggf. angeleitet durch weitere Fragen der Lehrperson, rekapitulieren sie, welche Möglichkeiten ihnen zur Verfügung standen, die Angaben von Springer zu überprüfen: Glaubwürdig wurden sie durch die Begutachtung durch externe Prüfer, die nach festen Normen vorgehen, sowie durch das Dokumentarfilmmaterial.

Abschließend erörtern die Schüler Möglichkeiten, künftig andere Quellen aus dem Netz kritisch zu kontrollieren. Zwei Ansätze bieten sich an – Quellenkritik und Gegenrecherche:

  1. Wer die der Urheber? Was ist seine Absicht? Gibt es genaue Angaben zu Ort und Zeitpunkt?

  2. Kenne ich andere Autoren oder Quellen, die ich zur Kontrolle heranziehen kann?

Die Lehrperson, die mit der Klasse bis zu diesen Fragen vordringt, stellt nicht nur den Schülerinnen und Schülern, sonder auch sich selbst und ihren Kollegen neue Aufgaben: sie müssen künftig für Transfer- und Diagnosegelegenheiten sorgen 12 . Im Unterschied zum traditionellen stoffbezogenen Lernen („Ergebnis gesichert – Lernziel erreicht“) ist Kompetenzerwerb ein Prozess, der nie abgeschlossen ist.

Weiter: 7. Perspektiven für die Lehrperson


9 Vgl. Ina Hochreuther: Liegt in China der Hund begraben? WWW fordert von Verlagen verantwortungsvolle Produktionsweise, in: Bulletin Jugend und Literatur 12/2009, S. 32

10 An dieser Stelle können die Schülerinnen und Schüler die Sache in die eigene Hand nehmen. Welches ihrer Schulbücher bzw. welches Ihrer Bücher zu Hause trägt auf der Titelinnenseite ein Nachhaltigkeitszertifikat?

11 Eine Möglichkeit, die Eigenverantwortung des Kompetenzerwerbs zu stärken ist das Schülerportfolio.

12 Das Fächer und Jahrgangsstufen übergreifende Methodencurriculum der Schule ist ein wichtiges Instrument für das systematische Training von Methodenkompetenzen.