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Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1813)

Empfehlung für die Orientierungsstufe, das Basisfach und das Leistungsfach

Kurzinformation

Ein Portrait von Adelbert von Chamisso aus dem Jahr 1831

Adelbert von Chamisso.JPG von Robert Reinick (Quelle: Gedichte von A.v. Chamisso) [PD-US] via Wikimedia

Peter Schlemihl begegnet während einer Gartengesellschaft des reichen Herrn John einem grau gekleideten Diener, der alle Dinge, die von den Gästen begehrt werden – von einem simplen Pflaster bis hin zu Reitpferden – aus seiner magischen Tasche herauszieht, um sie ihnen zu überlassen. Dieser bietet Schlemihl, der gerade fortgehen will, ein Tauschgeschäft an, auf das er auch eingeht: Für ein stets gefülltes Glückssäckel verkauft Schlemihl ihm seinen Schatten. Die Schattenlosigkeit offenbart sich nach kurzer Zeit als großes Unheil, denn sie schließt Schlemihl aus der menschlichen Gesellschaft aus. Überall, wo sie bemerkt wird, wird er trotz seines Reichtums geächtet und verstoßen; sogar die angestrebte Verbindung mit der Försterstochter Mina kommt deswegen nicht zustande. Nur sein Diener Bendel bleibt ihm treu. Der Graue erscheint erneut und ist bereit, den Schatten zurückzugeben, wenn er dafür Schlemihls Seele überschrieben bekommt. Schlemihl besinnt sich und wirft sodann das Glückssäckel entschlossen von sich, kompromittiert so den Grauen und beginnt ein neues Leben. Er wird Privatgelehrter und bereist mit Hilfe zufällig erworbener Siebenmeilenstiefel die Welt, um die Natur zu erforschen. Einen Anschluss an die Gesellschaft sucht er nicht mehr. Zum Nutzen der gesamten Menschheit übergibt er seine Beobachtungen zuletzt der Berliner Universität.

Obwohl Chamisso zahlreiche Märchenmotive verwendet, ist sich die Forschung darin einig, dass das ‚Märchen‘ als Teil der Gattungsbezeichnung nicht in Frage kommt. Es wird keine homogene wunderbare Welt gezeichnet, sondern die reale Welt dominiert und nur punktuell treten irreale Momente auf. Im Gegensatz zum Märchen, in dem das Wunderbare selbstverständlich ist, geht es in der Novellenhandlung um die erzählerische Gestaltung realer menschlicher Verhaltens- und Bewusstseinsstrukturen, um eine anthropologische Dimension mit historischer Relevanz: die Suche des sich emanzipierenden Bürgers im Frühkapitalismus (Anfang des 19. Jahrhunderts) nach Orientierung. Die Märchenmotive haben mithin eine andere Funktion:

Das Irreale, das in die scheinbar festgefügte Wirklichkeit einfällt (…) reißt die Zäune ein, mit denen das aufklärerische Bürgertum die Wirklichkeit eingefriedet hat, so dass über das Unbehagen hinaus das Bewusstsein geschichtlichen Fortschreitens geweckt wurde.“ (Freund, 1990). Der phantastische Stil ist mithin funktional im Hinblick auf die Konfrontation etablierter Strukturen mit neuen Perspektiven, wie sie beispielhaft mit Geldsäckel (Kapitalvermehrung), Schatten (bürgerliche Ehrbarkeit) und Siebenmeilenstiefel (Expansion des Wirkungsbereiches) zum Ausdruck kommen. „Das Kapital, Motor der Industrialisierung und des bürgerlichen Emanzipationsprozesses ist der unberechenbare Faktor, der auch in der Novelle Chamissos in eine um die Jahrhundertwende noch weitgehend ständisch organisierte und vom Adel politisch beherrschte Lebenswirklichkeit einbricht.“ (dto.)

Textausgaben:

Adalbert von Chamisso: Peter Schlemilhls wundersame Geschichte. Mit Reproduktionen der Kupferstiche von George Cruikshank; Berlin 1981

Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Mit 25 zweifarbigen Illustrationen von Franziska Walther. Mannheim 2011

Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte. Stuttgart 2003

Chamisso: „Schlemihl“: Herunterladen [pdf][198 KB]

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