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Johann Wolfgang Goethe Faust. Der Tragödie erster Teil (1808)

Dem Drama sind ein Gedicht und zwei kurze Szenen vorangestellt. Der Zueignung, einer früh geschriebenen Stanze (1797), in der die Faszination des Faust-Stoffes besungen wird, folgt das Vorspiel auf dem Theater. Ein Theaterdirektor, ein Dichter und eine „Lustige Person“ treten auf. Die drei Figuren repräsentieren drei zentrale Anforderungen, die ein gelungenes Theaterstück erfüllen muss: nämlich kommerziellen Erfolg, künstlerische Qualität und Unterhaltungswert. Damit verbunden sind auch poetologische Positionierungen, zum Beispiel Effekte und Spektakel für den Publikumserfolg auf der einen, die Suche nach der Wahrheit und den Grundlagen des menschlichen Daseins auf der anderen Seite. Mit dem Vorspiel wird somit eine Messlatte für das nun einsetzende Stück gelegt. Dieses eröffnet mit einem Prolog im Himmel, in dem die Geschehnisse um Fausts Pakt mit dem Teufel, aber auch das Drama um Gretchen zunächst in einem theologisch-philosophischen Rahmen situiert werden. Auf diese Weise stellt sich Goethe vorab der Kritik entgegen, dass sein Stück, das dem Teufel eine so herausragende Rolle einräumt, blasphemisch sei. Gott geht im Prolog im Himmel mit Mephisto – so der Name des Teufels – eine Wette ein, deren Ausgang Gott ob seiner Allwissenheit bereits kennt. Mephisto erhält vom „Herrn“ die Erlaubnis den Versuch zu starten, ob er einen tugendhaften Menschen mit teuflischen Manipulationen zu sündhaftem Handeln zu verführen kann. Die Wahl fällt auf den Doktor Faust, einen Gelehrten, der für seine innere Unruhe bekannt ist und der eine besondere Herausforderung für Mephisto darstellt. Faust wird in der nächsten Szene (Nacht) in das Drama eingeführt. Er ist ein gereifter Mann im Alter von 50 Jahren, der sich in einer existentiellen Lebenskrise befindet. Faust blickt auf sein bisheriges Leben zurück; er kann keinen Sinn in seinen Bemühungen um Erkenntnis erkennen und eine tiefe Melancholie erfasst ihn. Er hat zwar in seiner wissenschaftlichen Karriere alles erreicht, aber trotz jahrzehntelanger Bemühungen haben ihm die Wissenschaften „das, was die Welt im Innersten zusammenhält“ – man könnte sagen: den Sinn hinter den Dingen – nicht erschließen können. Besonders enttäuscht zeigt er sich vor allem von der Theologie. Sie hat ihm Gott nicht nähergebracht, sondern seine Zweifel an einer transzendenten Behaustheit verstärkt. Als Wissenschaft stellt die Theologie für ihn nurmehr ein Ärgernis dar. In seiner Verzweiflung wendet Faust sich dem Übersinnlichen zu. Er entziffert ein Zeichen des Makrokosmos und ihm wird klar, dass die Erkenntnis der Welt nicht in einer abstrakten Suche nach Gott, sondern bereits in seinem Menschsein selbst verborgen liegt. Der Mensch als Mikrokosmos birgt in sich bereits die ganze Welt, dem entsprechend kann der Makrokosmos als ein „Makroanthropos“, ein ins Unendliche vergrößerter Mensch, gesehen werden kann. Diese Erkenntnis geht einher mit einem Gefühl der Machtlosigkeit, denn Faust vermag es nicht, die Grenzen des Menschlichen zu überschreiten. Dies erschüttert ihn. Er muss einsehen, dass sein Streben nach einem Sinn im Leben vergeblich gewesen ist. Im diesem bitteren Moment wird er durch seinen Schüler Wagner gestört. Wagner möchte sich durch das Studieren der Wissenschaften zu einem Gelehrten vom Range Fausts heranbilden. Von der Krise Fausts, der den Sinn eines rein akademischen Bildungsgangs grundsätzlich in Zweifel zieht, ahnt er nichts und er versteht auch die Andeutungen seines Meisters nicht. Als Wagner das Studierzimmer endlich verlassen hat, stürzt Faust wieder in die Verzweiflung. Er sieht keinen Ausweg und beschließt, seinem Leben eine Ende zu setzen. Er hält bereits die Trinkschale mit dem Gift in der Hand, als er zarte, ihm seit der Kindheit vertraute Gesänge vernimmt, mit denen die herannahende Osternacht besungen wird. Faust ist von diesen Gesängen tief berührt, weil ihm die naive Verbundenheit mit der Welt, wie er sie in seiner Kindheit noch gelebt hat, bewusst wird. In der Folge nimmt er von seinem Vorhaben Abstand.

Am nächsten Tag, dem Ostersonntag, geht er mit seinem Schüler Wagner spazieren. Menschen aus allen Schichten bezeugen ihm ihren Respekt und loben auch seinen verstorbenen Vater, der ein anerkannter Arzt war. Faust weiß es besser; sein Vater hat durch seine „Rezepte“ mehr Menschen ins Grab gebracht als geheilt. Wagner, der dies nicht weiß, zeigt sich von Fausts Stellung und der Wertschätzung durch das einfache Volk tief beeindruckt und möchte Faust nacheifern. Nach dem Spaziergang zieht sich Faust ins Studierzimmer zurück. Er will sich noch einmal der Religion zuwenden und versucht sich an einer Übersetzung des Johannes-Evangeliums aus dem griechischen Original. Dies will ihm jedoch nicht gelingen, denn bereits das Wort „logos“ erscheint ihm unübersetzbar. Sein Vorhaben wird durch einen Pudel gestört, der ihm vom Spaziergang mit Wagner bis nach Hause gefolgt ist. Unvermittelt nimmt der Pudel eine menschliche Gestalt an. Mephisto, der Teufel, erscheint Faust als fahrender Gelehrter; doch aus seiner wahren Identität macht er keinen Hehl. Nach kurzen Gespräch verlässt Mephisto Faust. In der nächsten Szene präsentiert er sich verkleidet als Junker. Die beiden handeln einen Vertrag aus, der eine Kombination aus Wette und Pakt darstellt. Faust verlangt von Mephisto nicht die ersehnte Einsicht in den Urgrund der aller Dinge, sondern vielmehr Ablenkung von seinen Grübeleien und das Erlebnis eines Moments vollkommener Glückseligkeit. Einen solchen Augenblick hält er für unerreichbar. Er wettet mit Mephisto, dass auch der Teufel mit all seinen Fähigkeiten ihm einen solchen Augenblick nicht bereiten könne. Mephisto hält dagegen und verlangt als Wetteinsatz die Verfügbarkeit über Faust nach dessen Tod. Faust stimmt dem zu und der Vertrag wird mit Blut unterzeichnet.

Nach diesem Gespräch tritt Faust tritt ab und Mephisto wirft sich dessen Gelehrtenmantel über. Ein junger Mann, der sich von Faust eine Beratung bei der Studienwahl erhofft, wendet sich an Mephisto, den er für den Doktor hält. Das Gespräch über die einzelnen „Fakultäten“ wird zu einer satirischen Abrechnung Mephistos mit der Wissenschaft, die er dennoch kurz zuvor als „allerhöchste Kraft“ des Menschen bezeichnet hat. Der Schüler, der nichts von Mephistos spöttischem Ton bemerkt, zeigt sich für die Ratschläge dankbar und bittet, wiederkommen zu dürfen. Die Wissenschaftssatire wird dann in den nächsten Szenen weitergeführt, als Faust und Mephisto in Auerbachs Keller in Leipzig Studenten begegnen. Mephisto führt seine magischen Künste vor und lässt Wein aus den Kneipentischen sprudeln. In den folgenden Gesprächen und Liedern werden die alten Stände wie Adel und Klerus genauso aufs Korn genommen wie der Freiheitsdrang des Volks. Dabei wird sichtbar, wie schnell Geselligkeit in Gewalt umschlagen kann. Aus Saufkumpanen werden unvermittelt Feinde. Mit diesem letzten Seitenhieb auf das Gelehrtendasein ändert sich der Fokus des Dramas. Die sogenannte Gretchentragödie beginnt damit, dass Faust von einer Hexe mit magischer Kunst einer Verjüngungskur unterzogen wird. Noch in der Hexenküche sieht er im Spiegel das Bild einer jungen Frau, in die er sich – auch wegen der verabreichten halluzinatorischen Substanzen – sofort verliebt. Zum Ziel seiner Begierde wird die 14-jährige Halbwaise Margarete, eine fromme Katholikin, der er kurz darauf auf der Straße begegnet. Von Mephisto verlangt Faust nun, er solle ihn mit dem Mädchen verkuppeln. Dieser macht sich sofort an die Umsetzung des Auftrags und versteckt ein Kästchen mit Schmuck in Margaretes Zimmer, ein galantes Geschenk, das sie zu Spekulationen über dessen Herkunft animieren und ihr Herz in Unruhe versetzen soll. Bevor Gretchen jedoch den Schmuck anlegen kann, entdeckt ihn ihre Mutter. Diese nimmt den Schmuck an sich und trägt ihn zu einem Priester, bei dem er verbleibt. Mephisto startet verärgert einen zweiten Versuch. Gretchen hat aus dem Verlust des letzten Kästchens gelernt und verbirgt den neu gefundenen Schmuck vor der Mutter. Statt mit dieser bespricht sie sich lieber mit der umtriebigen Nachbarin Frau Marthe, die dazu rät, den Schmuck zu behalten. Mephisto tritt auf und teilt Marthe mit, dass ihr Mann gestorben sei. Sie will ihm nicht recht glauben, da schlägt er ein zweites Treffen vor, wo er einen zweiten Zeugen aufbieten wolle. Er besteht lediglich darauf, dass auch Gretchen mit zum nächsten Treffen komme. So verabredet man sich für den Abend im Garten von Marthes Haus. Dort kommt es dann zu zwei wichtigen Gesprächen. Gretchen und Faust nähern sich an, während Marthe kaum verklausuliert herauszufinden versucht, ob sich Mephisto, der ihr gefällt, in einer Liaison befinde. Noch kommt es aber nicht zu einer Verbindung zwischen Faust und Gretchen. Gretchens Sehnsucht soll noch eine Steigerung erfahren. In der nächsten Szene, Wald und Höhle , hält Faust inne. Er scheint zu wissen, dass er an einem Scheideweg steht. Einerseits ist er dankbar dafür, dass er durch die Zuneigung zu Gretchen sein eigenes Innerstes wieder wahrnehmen kann und er aus der unsinnlichen Welt der Wissenschaft herausgetreten ist; andererseits weiß er um sein erotisches Begehren, dessen bloße Befriedigung auch etwas Erniedrigendes für ihn darstellt. Mephisto tritt hinzu und entfacht seine Leidenschaft, sodass Faust seinem Begehren nachgibt, obwohl er weiß, dass er damit Gretchen zugrunde richten wird. Mit dieser Entscheidung nimmt das Unglück seinen Lauf. In Marthens Garten treffen sich Gretchen und Faust erneut. Gretchen will die Ernsthaftigkeit und die moralische Standfestigkeit von Faust erfahren und führt mit ihm das Religionsgespräch, während dessen sich Faust jedoch kein religiöses Bekenntnis entlocken lässt. Am Ende gibt er ihr ein vermeintlich harmloses Schlafmittel, das sie ihrer Mutter verabreichen soll, damit sie die beiden beim Stelldichein nicht stört. Die Mutter wird daran sterben. In der folgenden Nacht verführt Faust dann Gretchen. Als sie am nächsten Morgen zum Brunnen geht und eine Bekannte schlecht über eine ungewollt schwanger gewordene junge Frau spricht, verteidigt Gretchen diese wohl in Vorahnung des eigenen Schicksals. Von ihrem schlechten Gewissen und großen Ängsten geplagt wendet sie sich im Gebet an die Mater Dolorosa und fleht um göttliche Gnade. In der nächsten Nacht kommt es dann zum Eklat zwischen Faust und Gretchens Bruder, der die Ehre seiner Familie verteidigen und den Tod seiner Mutter rächen will. Im Degenkampf wird er von Faust, dem Mephisto die Hand führt, erstochen. Damit ist die Tragödie schon weit vorangeschritten. Am nächsten Tag, ihrem letzten Tag als freier Mensch, besucht Gretchen den Dom, wo ihr ein böser Geist erscheint, der sie für den Tod der Mutter verantwortlich macht. Im Hintergrund singt ein Chor von den Tagen des Zorns („dies irae“). Während Gretchen sich in der Spirale des Todes ihrer Familie befindet und bald selbst zur Mörderin an ihrem eigenen Kind wird, versucht Faust, sich zu zerstreuen. Zusammen mit Mephisto begibt er sich auf den Brocken und wohnt einem Hexensabbat bei. Das Gedränge ist groß, beide tanzen mit Hexen, machen anzügliche Bemerkungen und Gesten. Als Fausts Tanzpartnerin eine rote Maus aus dem Mund springt, lässt er sie los und bemerkt in der Entfernung eine von einem blutigen Schnitt am Hals gezeichnete Gestalt, die ihm wie Gretchen erscheint. Konfrontiert mit deren Schicksal, vergeht ihm die Lust. Von Mephisto wird er zu einem Laientheater geführt, das zu einem Rundumschlag auf Personen aus Philosophie, Politik und Literatur ausholt. Nach diesem Intermezzo findet sich Faust auf einem Feld wieder, wo er mit der Verzweiflung über die Nachrichten von Gretchens Tötung des Neugeborenen, ihrer Verurteilung und der bevorstehenden Hinrichtung ringt. Voller Zorn würde er sich am liebsten Mephisto von sich stoßen. Ihn macht er dafür für Gretchens Schicksal verantwortlich. Aber er noch hält er sich zurück, weil er weiß, dass er die Geliebte nur mit Mephistos Hilfe vor dem Schafott retten zu kann. Mittels Zauberpferden, die Mephisto herbeigeschafft hat, reiten die beiden nun vorbei an einer weiteren Hexenzusammenkunft zum Kerker, in dem Gretchen bis zu seiner Hinrichtung eingesperrt ist. Mephisto hat die Wärter narkotisiert, Faust die Schlüssel zu Gretchens Gefängnis in der Hand. Eine Rettung erscheint möglich, aber Faust trifft auf eine völlig verwirrte Person, die ihn zunächst für den Scharfrichter hält. Gretchen erkennt Faust und bittet ihn, sich um das Grab von Bruder und Schwester zu kümmern. Sie selbst möchte nach der Hinrichtung zusammen mit dem von ihr ertränkten Kind begraben werden. Von Schreckensvisionen begleitet versteht Margarete endlich, dass Faust sie mit Hilfe von des verhassten Mephisto aus dem Kerker befreien will. Voller Schauder wendet sie auch von ihrem ehemaligen Geliebten, der immer noch mit dem Teufel im Bunde steht, ab. Stattdessen fleht sie Gott um Vergebung an. Eine „Stimme von oben“ gewährt ihr diese. Mephisto zieht Faust mit sich, Gretchens letzte Worte rufen nach Faust: „Heinrich, Heinrich“.

Textausgaben:

Goethe, Johann Wolfgang: Faust. Der Tragödie Erster Teil, Stuttgart 1986

Johann Wolfgang Goethe. Eine Tragödie. (Faust I) (hg. v. Albrecht Schöne. Mit einem Kommentar von Ralf-Henning Steinmetz) Frankfurt/ Main 2022

Goethe, Johann Wolfgang: Faust - Der Tragödie erster Teil, EinFach Deutsch, Bearbeitet von Franz Waldherr, Braunschweig 2013

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