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Kritik

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

M 2: Kritik am Modell

Aus: Fehr, Gehrhard; Alle für alle. The European; 06.09.2011:
http://www.theeuropean.de/gerhard-fehr/7916-homo-oeconomicus-3

Alle für alle von Gerhard Fehr

Der egoistische Homo oeconomicus prägt noch immer die gängige Wirtschaftstheorie. Doch sein Konzept verzerrt die Wirklichkeit: Menschliche Evolution, gesellschaftlicher Fortschritt und individueller Erfolg basieren auf der Fähigkeit des Einzelnen zur Kooperation. Der Beweis dafür? Die Zivilisationsgeschichte der vergangenen Jahrtausende.

Nicht jeder ist so klug wie Albert Einstein. Nicht jeder verarbeitet Informationen so verlässlich wie IBMs Supercomputer Deep Blue. Und nicht jeder ist so willensstark wie Mahatma Gandhi. Klingt nachvollziehbar, oder? Trotzdem halten große Teile der Wirtschaftswissenschaft bis heute an einem Menschenbild fest, das genau vom Gegenteil ausgeht. Vom Homo oeconomicus, der immer rational handelt und dabei unbeirrbar seinen persönlichen Nutzen maximiert. Von einem Prototypen, der zu gleichen Teilen aus Einstein, Deep Blue und Gandhi besteht.

Dieser Übermensch ist die Grundlage unserer Wirtschaftspolitik. Sie glaubt an den Egoismus des Individuums und daran, dass das Kollektiv am meisten profitiert, wenn sich dieser Egoismus frei entfalten kann.

Der Instinkt fürs Gute

So weit die Theorie. In der Praxis zeigt sich, dass der Mensch alles andere ist als ein Homo oeconomicus. Er macht ständig Fehler, trifft unlogische Entscheidungen, wird von Verlustängsten geprägt und liebt den Status quo. Er legt großen Wert auf Fairness und Kooperation. Und er ist von Natur aus auch sozial und mit einem sicheren Instinkt fürs Gute ausgestattet.

Was auf den ersten Blick vielleicht wie das Weltbild eines naiven Träumers klingt, basiert auf unzähligen Laborexperimenten und Feldstudien von Verhaltensökonomen. Sie zeigen, dass unser Zusammenleben und Wirtschaften von sozialen Präferenzen geprägt sind – also der Motivation, etwas für andere zu tun, das weit über den materiellen Eigennutzen hinausgeht. Diese Erkenntnisse können nicht nur Unternehmen zu einem nachhaltigen Erfolg verhelfen oder das Leadership im Management verbessern, sondern erklären auch die Errungenschaften unserer Zivilisation. [...]

Sicher, kein Mensch ist bereit, unendlich zu kooperieren. Es gibt genug Momente, in denen es sinnvoll ist, zuerst auf sich zu schauen. Gerade darum ist es wichtig, Kooperation und Altruismus so anzuregen, dass nur wenige Menschen in Versuchung geraten, egoistisch zu handeln. Die Verhaltensökonomie kann dabei helfen, genau diese Lösungen zu finden. Allerdings nur, wenn wir endlich anerkennen, wie Menschen wirklich sind – und nicht daran festhalten, wie sie sein sollten, damit sie in das normative Bild des Homo oeconomicus passen.

(C) Mit freundlicher Genehmigung des Verlags: The European

 

Homo oeconomicus: ein umstrittenes Verhaltensmodell
Steuerspiel "Pay as you want": Herunterladen [pdf] [4,3 MB]