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M 18 Be­stim­mungs­grün­de der ro­bus­ten Be­schäf­ti­gungs­dy­na­mik

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Warum steht der deut­sche Ar­beits­markt im Hin­blick auf die Ent­wick­lung von Beschäfti­gung und Ar­beits­lo­sig­keit heute so viel bes­ser da als vor der Krise? Zwei As­pek­te ver­die­nen be­son­de­re Be­ach­tung, näm­lich zum einen der ver­gleichs­wei­se ro­bus­te Ver­lauf die­ser bei­den zen­tra­len Grö­ßen des Ar­beits­markt­ge­sche­hens im Krisen­jahr 2009 und zum an­de­ren deren na­he­zu ste­ti­ge Auf­wärts­ent­wick­lung seit etwa Mitte des ver­gan­ge­nen Jahr­zehnts. An­pas­sung im Kri­sen­jahr.

Der schar­fe Ein­bruch des Brut­to­in­lands­pro­dukts in Höhe von 5,1 vH im Jahr 2009 hätte frü­he­ren Er­fah­run­gen zu­fol­ge ei­gent­lich eine be­trächt­li­che Ent­las­sungs­wel­le aus­lö­sen müs­sen. Warum es dazu nicht ge­kom­men ist, lässt sich vor­nehm­lich einer be­son­ders aus­ge­präg­ten Hor­tung von Ar­beits­kräf­ten zu­schrei­ben. Diese Unternehmens­strategie wurde maß­geb­lich un­ter­stützt durch ein be­son­ne­nes Verhal­ten der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und eine Kon­zes­si­ons­be­reit­schaft auf der be­trieb­li­chen Ebene sowie durch eine kräf­ti­ge Hil­fe­stel­lung sei­tens der Wirt­schafts­po­li­tik, nament­lich in Form der Aus­wei­tung der ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zur Kurz­ar­beit.

Die An­pas­sung an die schwe­re Re­zes­si­on voll­zog sich we­ni­ger über Personalfreisetzun­gen, son­dern über eine Un­ter­aus­las­tung der Be­schäf­tig­ten, indem die durch­schnitt­li­che An­zahl der ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den je Ar­beit­neh­mer teil­wei­se dras­tisch her­un­ter­ge­fah­ren wurde. Die­ses Re­ak­ti­ons­mus­ter ist zwar grund­sätz­lich ty­pisch für die Ar­beits­nach­fra­ge in Deutsch­land, im Ge­gen­satz etwa zu den Verhältnis­sen in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, wo eher eine Po­li­tik von Ent­las­sun­gen und (Wie­der-)Ein­stel­lun­gen ver­folgt wird. Al­ler­dings über­rascht die In­ten­si­tät, mit der diese Hor­tung durch Ar­beits­zeit­re­duk­ti­on hier­zu­lan­de be­trie­ben wurde. 460. Kon­kret haben sich die Un­ter­neh­men fol­gen­der An­pas­sungs­in­stru­men­te be­dient (...):

  • Haupt­säch­lich wurde die Ar­beits­zeit re­du­ziert, sei es zu Las­ten von Gut­ha­ben auf Ar­beitszeitkonten oder in Form des Ab­baus von Über­stun­den, sei es durch eine Ver­ringerung der ta­rif­li­chen oder be­triebs­üb­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit, gegebenen­falls auf der Basis von ent­spre­chen­den Öff­nungs­klau­seln in Tarifverträ­gen.
  • Die zwei­te Kom­po­nen­te be­stand in einer In­an­spruch­nah­me der ge­setz­li­chen Kurzar­beiterregelungen, wel­che die Bun­des­re­gie­rung sei­ner­zeit be­trächt­lich ausge­weitet hatte. Kurz­ar­beit stellt in einer his­to­ri­schen Per­spek­ti­ve al­ler­dings seit jeher ein ge­bräuch­li­ches In­stru­ment dar. (...)

Der zwei­te As­pekt der ro­bus­ten Be­schäf­ti­gungs­dy­na­mik be­trifft die ste­ti­ge, fast trendmä­ßige Auf­wärts­ent­wick­lung der Er­werbs­tä­tig­keit im Zeit­raum der Jahre 2006 bis zu­nächst 2011 oder im Ge­gen­satz dazu den Rück­gang der Ar­beits­lo­sig­keit. Dafür gibt es im We­sent­li­chen drei Grün­de: die güns­ti­ge in­ter­na­tio­na­le Konjunkturentwick­lung, eine ins­ge­samt ge­se­hen be­schäf­ti­gungs­freund­li­che Ta­rif­lohn­po­li­tik und die Wir­kung der Ar­beits­markt­re­for­men der Jahre 2003 bis 2005. Diese drei Bestimmungsfakto­ren und ihr Zu­sam­men­wir­ken haben maß­geb­lich die ro­bus­te Beschäfti­gungsdynamik un­ter­stützt und auf­recht­er­hal­ten. (...)

Die Ar­beits­markt­re­for­men in der ers­ten Hälf­te des ver­gan­ge­nen Jahr­zehnts stel­len schließ­lich einen wei­te­ren wich­ti­gen Be­stim­mungs­grund der ro­bus­ten Beschäftigungsdy­namik ab dem Jahr 2006 dar (...).

Ins­be­son­de­re die Ein­füh­rung des Ar­beits­lo­sen­gelds II legte bei der Ziel­rich­tung der Ar­beits­markt­po­li­tik, dem For­dern und För­dern, ein grö­ße­res Ge­wicht auf das For­dern. Von den Ar­beits­lo­sen wurde eine in­ten­si­ve­re Suche nach einem Ar­beits­platz er­war­tet sowie eine hö­he­re Kon­zes­si­ons­be­reit­schaft bei der Ak­zep­tanz von Arbeitsplatz­angeboten, selbst wenn diese nicht un­be­dingt den Prä­fe­ren­zen der Arbeitslo­sen, nicht zu­letzt im Hin­blick auf die Ar­beits­ent­gel­te, ent­spra­chen.

Damit ein­her gin­gen eine hö­he­re Be­schäf­ti­gung im Nied­rig­lohn­be­reich und eine wei­tere Sprei­zung der qua­li­fi­ka­to­ri­schen Lohn­struk­tur. Die ge­äu­ßer­te Kri­tik an die­ser Ent­wick­lung über­sieht viel­fach die Vor­tei­le. Ge­ring qua­li­fi­zier­te Ar­beit­neh­mer ver­fü­gen über eine ver­gleichs­wei­se nied­ri­ge Pro­duk­ti­vi­tät, so­dass sich Ar­beits­plät­ze nur bei ent­spre­chend ge­rin­gen Lohn­kos­ten rech­nen. Die dar­aus re­sul­tie­ren­de Entloh­nung mag zwar nicht zum Le­bens­un­ter­halt rei­chen. Gleich­wohl ist es al­le­mal bes­ser, diese Ar­beits­lo­sen eben­falls in den ers­ten Ar­beits­markt zu in­te­grie­ren und ihre Ar­beits­ent­gel­te mit Hilfe des Ar­beits­lo­sen­gelds II auf­zu­sto­cken, als die­ser Alterna­tive mit Hilfe über­zo­ge­ner An­for­de­run­gen an diese Ar­beits­plät­ze einen Rie­gel vor­zu­schie­ben und den ge­ring qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­lo­sen damit Beschäftigungschan­cen zu ver­weh­ren. Ein Voll­zeit­ar­beits­platz mit einer Ent­loh­nung, die es er­laubt, „von sei­ner Hände Ar­beit zu leben“, ist selbst­ver­ständ­lich vor­zu­zie­hen, aber diese Alterna­tive stellt sich für viele ge­ring qua­li­fi­zier­te Ar­beits­lo­se lei­der nicht.

(C) Text: Sach­ver­stän­di­gen­rat 2011: 276 - 280


Wei­ter: M 19 Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der: Rede vor dem World Eco­no­mic Forum in Davos, 28.01.2005


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