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Teil 2

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Nach Lektüre Überschrift formulieren lassen

Manuel hatte die ganze Zeit schweigend zugehört. Was Camilla über das Problem der Fahrlässigkeit gesagt hatte, war ihm Anstoß gewesen, sich noch einmal die Geschichte von Rebekka und ihrem Freund ins Gedächtnis zurückzurufen. Er war sich darüber im Klaren, dass der Freund nicht für Rebekkas Leid verantwortlich war, aber auf der anderen Seite war er offensichtlich der Anlass dafür gewesen und hätte ihr Leiden verhindern können, wenn er sich anders entschieden hätte. Müsste man also sagen, dass der Freund fahrlässig gehandelt hatte? Manuel wollte nicht lockerlassen, und so konnte er der Versuchung nicht widerstehen, die Frage seiner Klasse vorzulegen.

»Herr Sepulveda, kann ich Sie mal etwas fragen?«
»Bitte!« Die Klasse schaute gespannt auf Manuel.
»Was ich fragen wollte, ist, ob es moralisch schlecht ist, anderen Menschen Leid zuzufügen?«
»Das möchte ich wohl annehmen! Glaubst du das etwa nicht?«
»Ich bin da in der letzten Zeit unsicher geworden, und darüber wollte ich mit Ihnen reden. Moralisch ist es sicher eindeutig schlecht, wenn einer wie ein Schläger auftritt, unnötige Schmerzen bereitet oder die Menschen in ihrer Freiheit behindert. Es gibt aber noch andere Fälle, die komplizierter sind.«
»Woran genau denkst du?«
Manuel schaute zu Camilla hinüber und signalisierte ihr, er würde gern noch einmal ihre Geschichte hören. Camilla tat ihm den Gefallen und erzählte vom Leben der Freundin ihrer Mutter. Die Klasse hörte ihr gespannt zu. Als sie geendet hatte, sagte Herr Sepulveda nach einer Weile:
»Das ist wirklich eine komplizierte Sache. An Camillas Erzählung sehen wir, dass es auch Leid gibt, das gewissermaßen unweigerlich entsteht. Ganz sicher hatte ja Rebekkas Freund nicht die Absicht, ihr Schaden zuzufügen.«
»Aber trotzdem hat er das bewirkt!«, sagte Camilla mit Nachdruck.
»Das stimmt zwar, aber er tat es nicht, um sie leiden zu lassen!«
»Wollen Sie damit sagen«, fragte Sebastian, »dass es nichts ausmacht, wenn einer andere quält, solange er es nicht beabsichtigt?«
»Nein, natürlich nicht!«, sagte Herr Sepulveda unwillig. Aber was genau hatte er eigentlich sagen wollen? Er merkte, dass er noch einmal nachdenken musste. Dann sagte er:

.................................................................................................................. ............................................................... (Hilfe: Wenn Du hier noch keine Idee hast, was Herr Sepuveda sagen könnte, dann lies den Text weiter und formuliere den Gedanken danach. Was hat Herr Sepuveda wohl hier behauptet, wenn er später so argumentiert?) .....................

................................................................................................................... ................................................................................................................... .................................................................................. .................................

»Zum Beispiel das Leid, das uns beim Zahnarzt zugefügt wird, ist das von dieser Art?«, fragte Manuel verwundert.

»Nein, ich spreche nicht von dieser Art Leiden.«

»Dann vielleicht vom Leiden, jeden Tag zur Schule zu müssen?«, fragte Alvaro mit Unschuldsmiene, und allgemeine Heiterkeit kam auf.

»Aber bitte!« Herr Sepulveda war ungehalten. »Wenn ihr nur faule Witze macht, können wir das Thema auch sein lassen!«

Alvaro schlug verschämt die Augen nieder und hielt sich die Hand vor den Mund. Herr Sepulveda konzentrierte sich wieder auf seinen Gedankengang:

»Also, was ich sagen wollte,vielleicht kommen wir weiter, wenn wir einen Vergleich vom Sport nehmen ..................

................................................................................................................. ................................................................................................................ .............................................................................. ................................................................................«
Hierbei betonte er das Wort »notwendigerweise« so deutlich, dass alle verstanden, worauf es ihm ankam. »Der Verlierer leidet also, aber es ist ein unvermeidliches Leiden. Dieses Leid war nicht das, was der Gewinner wollte. Er wollte gewinnen, und das Leid des Verlierers ist nur die Folge davon.«

»Sie möchten also sagen, dass der Gewinner für das Leiden des Verlierers nicht verantwortlich ist?«, fragte Camilla.

»Genau das«, sagte Herr Sepulveda, »es gehört einfach zu den Spielregeln, dass ............................................................ ..................................................................................................................... .................................................................................. Glaubst du nicht auch?«

Camilla gab keine Antwort. Dies leuchtete ihr alles nicht ein. Irgendwie war es für sie ausgemacht, dass Rebekkas Freund doch eine stärkere Verantwortung für Rebekkas Leiden besaß.

Auch Manuel schwieg, aber aus anderem Grund. Er fühlte sich durch die Ausführungen des Lehrers bestätigt. »Rebekkas Freund«, dachte er, »konnte ihr das Leiden gar nicht ersparen.«

Sebastian hingegen gab seiner Unzufriedenheit Ausdruck. »Ich kann nicht verstehen, wieso der Sieger für die Gefühle des Verlierers nicht verantwortlich sein soll!«, beschwerte er sich. »Wenn ich beim Autofahren jemanden versehentlich überfahre, bin ich doch immer verantwortlich, auch wenn es keine Absicht gewesen ist!«

»Diese Situationen sind doch ganz verschieden«, sagte Herr Sepulveda.

»Wieso das denn?«, fragte Sebastian zurück. »Schließlich fügt doch beide Mal ein Mensch einem anderen unabsichtlich Schaden zu.«

»Die beiden Fälle haben etwas gemeinsam, aber es gibt einen bedeutenden Unterschied, den man auch deutlich erkennen kann, wenn man sich einmal auf den Standpunkt dessen stellt, der den Schaden hat.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Manuel.

..................................................................................................................... ....................................... (Hilfe: Hier kommt es darauf an, den Unterschied zu bestimmen zwischen dem Schaden bzw. den Ansprüchen des Geschädigten durch die Niederlage in einem Spiel und dem Schaden bzw. den Ansprüchen des Geschädigten, der bei einem Unfall

erlitten wird.) ...................................................................................................................... ...................................................................................................................... ............................................................ »Damit wären wahrscheinlich die meisten Spiele auf dieser Welt verboten«, schloss Manuel messerscharf.

»Genau das!«, sagte der Lehrer. »Und das wollte wahrscheinlich keiner von uns, denn wenn es keinen Sieger geben darf, ginge die Pointe des Spiels verloren. Auch der, der dann verloren hat, wollte ja Sieger werden. Eine unachtsame Handlung dagegen ist etwas, was wir alle nie tun sollen.«

»Das stimmt!«, sagte Sebastian.

Auch Alvaro ließ sich inspirieren: »Es ist schrecklich, wenn man ein Spiel anfängt und dann merkt, dass man gar nicht gewinnen kann! Noch schlimmer sind die Spiele, die immer unentschieden ausgehen! Sowas von langweilig!«

»Oder die Patiencen«, fügte Gloria hinzu, »die meine Großmutter spielt, die immer aufgehen!«

»Es dürfte dann auch keine Lotterie mehr geben und keine Glücksspiele«, sagte Alvaro, »denn da sind ja auch immer alle Leute traurig, die nicht gewinnen. Obwohl, andererseits, eine Sache wäre gar nicht schlecht ...«

«Was denn?«

»Ich brauchte nie mehr Angst haben, nicht versetzt zu werden. Immer wenn es eine Arbeit oder eine Prüfung gibt, dann haben ja automatisch alle bestanden, und keiner würde mehr leiden!«

Alles lachte. Herr Sepulveda wollte zwar noch etwas erwidern, aber dann musste auch er lachen, und die Diskussion war damit zu Ende.

Textquelle:
Ernst Tugendhat, Celso López, Ana María Vicuna, Wie sollen wir handeln? - Schülergespräche über Moral. Stuttgart 2000 (= Reclam UB 18089), S. 44 – 56
Mit freundlicher Genehmigung des Reclam-Verlags
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Auswertung:   Überschrift für den Abschnitt/ Vergleich mit Originaltext/

Vertiefende inhaltliche Übung: Die Schüler suchen nach weiteren Beispielen für

   unvermeidbarer Schaden

 Zu vermeidender Schaden

beabsichtigt

unbeabsichtigt

 beabsichtigt

unbeabsichtigt

 

 

 

 

     

Möglicher zur Weiterarbeit am Text motivierender Impuls:

Wir haben jetzt die Jugendlichen, die in dem Text agieren, recht gut kennengelernt!

Verfasst charakterisierende Steckbriefe zu Manuel, Camilla, Alvaro, Sebastian, Margarita und Gloria (am besten arbeitsteilig in Gruppen, jede Gruppe beschreibt eine Person).

Wie stellt Ihr Euch die Jugendlichen vor? Zeichnet ein Porträt oder sucht ein zu Eurer Vorstellung passendes Foto aus dem Internet. Hängt die Plakate mit Porträt/Foto und Steckbrief im Klassenzimmer auf.