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Ent­wick­lungs­stand der SuS in der Klas­sen­stu­fe 5/6


3. Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­sche As­pek­te ein­zel­ner Be­rei­che des Bil­dungs­plans

3.1 Die Ent­wick­lung der Vor­stel­lung vom Men­schen

Die ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­schen Er­geb­nis­se las­sen sich auf drei für den Re­li­gi­ons­un­ter­richt re­le­van­te The­men­krei­se über­tra­gen: die Frage nach Kör­per und Geist, die Frage nach Ge­sund­heit und Krank­heit sowie die Frage nach Ster­ben und Tod, von denen zwei hier dar­ge­stellt wer­den.

 
3.1.1 Kör­per, Geist und Seele

In der Tra­di­ti­on von Pia­get wurde ein bi­nä­res Body-Mind-Mo­dell ent­wi­ckelt, so von John M. Brough­ton 1 , das bis zu un­se­rem Al­ters­be­reich fol­gen­de re­le­van­ten Er­geb­nis­se vor­sieht:

Nach die­sem Mo­dell do­mi­niert im Kin­der­gar­ten­al­ter eine nicht-dua­lis­ti­sche Un­ter­schei­dung zwi­schen Kopf und Kör­per, die wech­sel­sei­tig durch­läs­sig er­schei­nen.

Im Grund­schul­al­ter wird ein dua­lis­ti­sches Kon­zept wirk­sam, das von einem den Kör­per be­herr­schen­den Geist aus­geht.

In der Fol­ge­zeit (ab 12 Jah­ren) ent­wi­ckelt sich die Vor­stel­lung eines vom Kör­per ge­trenn­ten abs­trak­ten Geis­tes.
Neue­ren Un­ter­su­chun­gen zu­fol­ge muss das bi­nä­re Mo­dell von Kör­per und Geist zu einem tri­an­gu­lä­ren Mo­dell von Kör­per, Geist und Seele ( body – mind – soul ) er­wei­tert wer­den. Eine Stu­die, deren Un­ter­su­chungs­ge­gen­stand u.a. re­li­giö­se Ri­tua­le bil­de­te 2 , er­brach­te das Er­geb­nis, dass Kin­der zwi­schen 4 und 12 Jah­ren über ein ent­spre­chen­des See­len­mo­dell ver­fü­gen. Dabei gilt fol­gen­de Zu­stän­dig­keit:

Ge­hirn: vor­ran­gig ko­gni­tiv, (nach­ran­gig) aber auch  bio­lo­gi­sche Funk­tio­nen
Geist:  (na­he­zu aus­schließ­lich) ko­gni­ti­ve Funk­tio­nen
Seele:  (na­he­zu aus­schließ­lich) spi­ri­tu­el­le  Funk­tio­nen 3

 

Funktionen

Bild: (C) Ger­hard Bütt­ner/Veit-Ja­ko­bus Die­te­rich, Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gie in der Re­li­gi­ons­päd­ago­gik, UTB 3851, Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ru­precht 2013)


Es scheint also für das Kin­des­al­ter zu gel­ten, dass ein See­len­kon­zept vor­han­den ist, die Seele vor allem spi­ri­tu­el­le Funk­tio­nen be­sitzt und als Hort der Sta­bi­li­tät des Men­schen gel­ten kann.


3.1.2 Tod und Leben nach dem Tod

Be­reits ab drei Jah­ren, also ab dem Über­gang in den Kin­der­gar­ten, be­schäf­ti­gen sich Kin­der mit der Frage nach dem Tod und ent­wi­ckeln ei­ge­ne Vor­stel­lun­gen. In der Tra­di­ti­on Pia­gets wurde un­ter­sucht, ab wel­chem Zeit­punkt ein den Er­wach­se­nen ent­spre­chen­des Den­ken vor­herrscht. Beim To­des­kon­zept von Er­wach­se­nen las­sen sich vier Sub­kon­zep­te un­ter­schei­den: 4

  • Non­funk­tio­na­li­tät – das Ende aller kör­per­li­chen Le­bens­funk­tio­nen
  • Ir­re­ver­si­bi­li­tät bzw. Fi­na­li­tät als Un­um­kehr­bar­keit des Todes und End­gül­tig­keit
  • Uni­ver­sa­li­tät – alles, was lebt, muss ster­ben
  • Kau­sa­li­tät – Ur­sa­chen für Tod las­sen sich be­stim­men 5

Die in der Fol­ge­zeit durch­ge­führ­ten ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­schen Stu­di­en mach­ten fol­gen­de Stu­fen­theo­rie plau­si­bel: 6

  1. Klein­kin­dern unter drei Jah­ren feh­len die ko­gni­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen zum Ver­ste­hen des Todes. Tod be­deu­tet al­len­falls Ab­we­sen­heit. (Stufe 0)
  2. Im Kin­der­gar­ten­al­ter (3-5 Jahre) fehlt noch ein rei­fes Ver­ständ­nis ent­spre­chend der vier Sub­kon­zep­te. Das Bild der Reise mit der Vor­stel­lung, dass Ver­stor­be­ne wie­der­kom­men kön­nen, prägt das Den­ken wäh­rend die­ser Stufe, eben­so die Vor­stel­lung, dass vor allem sehr alte Men­schen ster­ben bzw. Men­schen in­fol­ge von Ge­walt­ein­wir­kung oder auf­grund ei­ge­nen Tuns ster­ben.
  3. Mit Be­ginn des Grund­schul­al­ters ent­wi­ckelt sich all­mäh­lich ein rei­fes Ver­ständ­nis, das die vier Sub­kon­zep­te ein­schließt, es be­steht ein reges In­ter­es­se am Phä­no­men Tod.
  4. Mit Ende der Grund­schul­zeit (8-9 Jahre) ist die Aus­bil­dung der vier Sub­kon­zep­te ab­ge­schlos­sen.

Neue­re em­pi­ri­sche Un­ter­su­chun­gen er­wei­tern und ver­än­dern die in der Tra­di­ti­on Pia­gets ent­wi­ckel­te Theo­rie der vier Sub­kon­zep­te in zwei Rich­tun­gen. Zum einen lässt sich nach­wei­sen, dass sich das bio­lo­gi­sche Ver­ständ­nis des Todes frü­her als bis­her an­ge­nom­men ent­wi­ckelt und bei Er­wach­se­nen nicht durch­ge­hend er­hal­ten bleibt. Zum an­de­ren wird in der frü­hen Ju­gend­zeit, an­ders als von Pia­get ver­mu­tet, die Vor­stel­lung von einem Wei­ter­le­ben nach dem Tod vi­ru­lent.

Paul Har­ris un­ter­such­te das Den­ken von Kin­dern im Alter zwi­schen 7 und 11 Jah­ren zu Fra­gen des Ster­bens und kam dabei zu fol­gen­dem Er­geb­nis: 7

  • Es lässt sich nicht eine Ab­lö­sung me­ta­phy­si­scher Vor­stel­lun­gen durch ein bio­lo­gi­sches Kon­zept ent­spre­chend der vier Sub­kon­zep­te fest­stel­len.
  • Viel­mehr lässt sich die Aus­bil­dung eines re­li­giö­sen Kon­zep­tes ab dem Ende der Grund­schul­zeit kon­sta­tie­ren.
  • Na­tur­wis­sen­schaft­li­che und re­li­giö­se Per­spek­ti­ve kon­kur­rie­ren nicht mit­ein­an­der, son­dern er­gän­zen sich.
  • Das re­li­giö­se Den­ken löst nicht das na­tur­wis­sen­schaft­li­che ab, son­dern eta­bliert sich da­ne­ben.
  • Her­an­wach­sen­de haben mit dem Um­gang des bio­lo­gi­schen bzw. des re­li­giö­sen Kon­zep­tes keine Pro­ble­me, ori­en­tie­ren sich aber bei der Ver­wen­dung kon­text­ge­bun­den.

 

Die Ent­wick­lung von Got­tes­vor­stel­lun­gen

Ent­wick­lungs­stand der SuS in der Klas­sen­stu­fe 5/6: Her­un­ter­la­den [docx] [300 KB]

Ent­wick­lungs­stand der SuS in der Klas­sen­stu­fe 5/6: Her­un­ter­la­den [pdf] [830 KB]



1   Brough­ton, John M., Ge­ne­tic-Me­ta­phy­sics: The De­ve­lop­men­tal Psy­cho­lo­gy of Body-Mind-Con­cepts, in: Rie­ber (Hg.) 1980, Body and Mind. Past pre­sent and Fu­ture, New York u.a., S. 177-221, zi­tiert nach Bütt­ner/Die­ter (2013) S.106f
2   Ri­chert, Re­bek­ka/Har­ris, Paul L. Dua­lism Re­vi­si­ted: Body vs. Mind vs. Soul, in: Jour­nal of Co­gni­ti­on and Cul­tu­re 8, 99-115
3   Bütt­ner/Die­ter (2013) S.107
4   Bütt­ner/Die­ter (2013) S.115
5   Witt­kow­ski 1990, Ke­n­yon 201, zi­tiert nach Bütt­ner/Die­te­rich 2013, S. 115
6   Witt­kow­ski 1990, 51ff Reu­ter; Reu­ter 2010, 138f, zi­tiert nach Bütt­ner/Die­te­rich 2013, S. 115-116
7   Paul Har­ris 2011a