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Aspekte Urteilsbildung deutscher Sonderweg

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Aspekte der Interpretation und Urteilsbildung am Beispiel von Helmuth Plessner, Ulrich Wehler und Heinrich August Winkler

Helmuth Plessner, Die verspätete Nation. Über die Verführbarkeit des bürgerlichen Geistes, Frankfurt am Main 1974 ( zuerst: 1934/35; erste Buchausgabe in Deutschland: 1959), S.46f.

Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 3: Von der Deutschen Doppel-revolution bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1849-1914, München 1995, S.482-484.

Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen. Band II: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. 1933-1990, München 2000, S. 640-648.

Zentrale Aussagen Plessners:

  • Seit dem 17. Jahrhundert wachsende Entfremdung „Deutschlands“ von der Entwicklung Westeuropas durch die Glaubensspaltung, verschärft zum einen durch Obrigkeitsfrömmigkeit, Staatsfremdheit und politische Indifferenz der Lutheraner sowie die Universalität und Katholizität des Kaisertums (Blockierung nationaler Gedanken).
  • Nur begrenzter Anteil an der Ausbildung und nur begrenzte Rezeption des Staats- und Völkerrechts.
  • Preußen geprägt von Gottesgnadentum, Militär und Beamtenschaft, d.h. Disziplin, Unterordnung und Gehorsam.
  • Deshalb habe die „Nationalidee“nicht wie im moderneren französischen Absolutismus wirken können.
  • Preußen – und damit das deutsche Reich – seienzu Großmächten ohne Staatsidee geworden.
  • Ohne diese Staatsidee habe das deutsche Reich– im Gegensatz zu Frankreich oder England – nicht an die Phantasie der Völker appellieren können.

Zentrale Aussagen Wehlers:

  • Zu späte Gründung des Nationalstaats „von oben“.
  • Prozess der Nationsbildung habe erst 1871 eingesetzt und zwar im Zeichen der nach 1866 durchgesetzten Machtverteilung.
  • Enorme Stärkung traditioneller Machtfaktoren in den 1860er Jahren: Triumphe der Armee hätten zum „sozialen Militarismus“ geführt, der Adel habe durch Bismarcks Politik eine zweite Stärkung erlebt und die Bürokratie sei ebenso entscheidend gestärkt worden.
  • Am entscheidendsten sei freilich die (neue) Erfahrung der charismatischen Herrschaft Bismarcks gewesen und durch sie seien Politik, politisches Denken und politische Kultur über zwei Jahrzehnte zutiefst geprägt worden.
  • Vielleicht sei deshalb die deutsche Mentalität besonders anfällig für Hitler gewesen?

Zentrale Argumente Winklers:

  • Ursprung des deutschen Sonderwegs im Heiligen Römischen Reich und dem Reichsmythos, der Glaubensspaltung und dem preußisch-österreichischen Dualismus.
  • Verspätung bei Prozess der nationalen Einigung und der Demokratisierung, auch weil Revolution von 1848/49 an der Überforderung des deutschen Liberalismus gescheitert sei.
  • Zwar bedeutete Bismarcks Reichsgründung ein Stück weit „Verwestlichung“ des deutschen Reichs, aber seine „Revolution von oben“ und seine Antwort auf die „Freiheitsfrage“ bestätigten den deutschen Sonderweg.
  • Nur Teilmodernisierungen eines tief vom Mittelalter geprägten Landes hätten zur Ungleichzeitigkeit der Verhältnisse geführt, dem Nebeneinander von „alt“ und „modern“.
  • Hitlers Herrschaft als „Gipfelpunkt“ der Auflehnung gegen die Ideen des Westens.

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