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Teil B

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Ma­te­ri­al 1:

In der Hoff­nung auf ein bes­se­res Leben haben Men­schen seit jeher ihre Hei­mat und ihre Fa­mi­li­en ver­las­sen. Im 21. Jahr­hun­dert ist Mi­gra­ti­on zur Selbst­ver­ständ­lich­keit ge­wor­den. Aus­wan­de­rer sind ein Motor der Glo­ba­li­sie­rung - und eine wich­ti­ge Stüt­ze für die Öko­no­mie ihrer Hei­mat­län­der.
Wäh­rend in der Ver­gan­gen­heit nur be­stimm­te Re­gio­nen von Zu- oder Ab­wan­de­rung be­trof­fen waren, sind es heute - ob als Her­kunfts-, Auf­nah­me- oder Tran­sit­land - prak­tisch alle Län­der der Welt. An­ge­sichts die­ser neuen Si­tua­ti­on wird es für die Staa­ten immer schwie­ri­ger, zum einen ihre Gren­zen zu kon­trol­lie­ren und zum an­de­ren fest­zu­le­gen, wie das Zu­sam­men­le­ben ihrer Bür­ger funk­tio­nie­ren soll.
Die ge­gen­wär­ti­gen Mi­gra­ti­ons­be­we­gun­gen haben meh­re­re Ur­sa­chen. Da sind zu­nächst die enor­men Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­un­ter­schie­de zwi­schen Nord und Süd, die zu­sam­men mit dem de­mo­gra­fi­schen Un­gleich­ge­wicht einen Ge­gen­satz schaf­fen zwi­schen den rei­chen und al­tern­den In­dus­trie­län­dern (Eu­ro­pa, Japan) und den mehr oder we­ni­ger armen und jun­gen Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­dern in Asien, Afri­ka und La­tein­ame­ri­ka.
Trotz­dem macht sich ein gro­ßer Teil der welt­weit 191 Mil­li­ar­den Mi­gran­tin­nen und Mi­gran­ten nicht auf den Weg in den Nor­den oder Wes­ten. Fast die Hälf­te der welt­wei­ten Mi­gra­ti­on fin­det zwi­schen den Län­dern des Sü­dens statt: Schät­zun­gen zu­fol­ge leben mehr als 47 Pro­zent der aus Ent­wick­lungs­län­dern stam­men­den Mi­gran­ten in an­de­ren Ent­wick­lungs­län­dern. Der Welt­be­völ­ke­rungs­be­richt von 2006 geht üb­ri­gens davon aus, dass 95 Mil­lio­nen der in­ter­na­tio­na­len Mi­gran­ten Frau­en sind.

(C) Text "wis­sen­schaft­lich": Mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung des Beck Ver­lags: Atlas der Glo­ba­li­sie­rung, 2009, 16

 

Ma­te­ri­al 2:

Vor­schau

Altas Globalisierung

Gross­an­sicht als PDF

(C) Karte: Mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung des Beck Ver­lags: Atlas der Glo­ba­li­sie­rung, 2009, 17

 

Ma­te­ri­al 3:

In Deutsch­land ist die Be­völ­ke­rungs­ent­wick­lung wie in allen Staa­ten im Ein­wan­de­rungs­kon­ti­nent Eu­ro­pa, ge­prägt durch sin­ken­de Ge­bur­ten­ra­ten, stei­gen­de Le­bens­er­war­tung und de­mo­gra­fi­sche Al­te­rung. Das Er­werbs­per­so­nen­po­ten­ti­al wird bei­spiels­wei­se schon auf mitt­le­re Sicht quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv immer we­ni­ger den Her­aus­for­de­run­gen der In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft im Glo­ba­li­sie­rungs­pro­zess ent­spre­chen. Dar­aus re­sul­tie­ren viele Zu­kunfts­pro­ble­me, nicht nur für Wirt­schaft, Ar­beits­markt und Sys­te­me der so­zia­len Si­che­rung im Ge­ne­ra­tio­nen­ver­trag, son­dern auch für die ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lung ins­ge­samt und die ver­schie­dens­ten Le­bens­be­rei­che.
Deutsch­land braucht des­halb im Rah­men des Mög­li­chen ge­re­gel­te- und das heißt bei Zu­wan­de­rungs­druck immer auch be­grenz­te - Zu­wan­de­rung. Das ist heute weit­hin un­um­strit­ten. Frü­her wurde in Deutsch­land ver­geb­lich um die Ak­zep­tanz sol­cher Ein­sich­ten ge­kämpft. Heute muss man vor Über­zeich­nun­gen war­nen; denn Zu­wan­de­rung ist in Sa­chen Zu­kunfts­ge­stal­tung nur ein Teil­kon­zept unter an­de­ren, des­sen Wirk­sam­keit nicht über­schätzt wer­den darf.
Das fängt bei der Frage an, woher die Zu­wan­de­rer bzw. dau­er­haf­ten Ein­wan­de­rer der Zu­kunft ei­gent­lich kom­men sol­len. Und es endet mit der Frage nach ihrer In­te­gra­ti­on in Eu­ro­pa. Viele Eu­ro­pä­er be­geg­nen den „Frem­den“ nach wie vor lie­ber im Ur­laub als zu Hause, am Ar­beits­platz oder gar im Chef­zim­mer. Aber nicht nur in der Eu­ro­päi­schen Union, son­dern auch in ihrem öst­li­chen Er­wei­te­rungs­raum sin­ken, von we­ni­gen Aus­nah­men ab­ge­se­hen, die Ge­bur­ten­ra­ten. Die­sen Trend zeigt mitt­ler­wei­le auch schon die Tür­kei mit ihrem zü­gi­gen Wan­del vom Aus­wan­de­rungs­land zum Ein­wan­de­rungs­land. Mehr noch: Im Jahr 2003 zeich­ne­te sich eine er­kenn­ba­re Ten­denz zur Rück­wan­de­rung ge­ra­de von hoch­qua­li­fi­zier­ten Mit­glie­dern der  zwei­ten Ein­wan­de­rungs­ge­ne­ra­ti­on in der Tür­kei ab. Sie ken­nen die Hei­mat der El­tern nur mehr von Ur­laubs­rei­sen her, haben dort als „Deutsch­län­der“ er­heb­li­che In­te­gra­ti­ons­pro­ble­me, ver­las­sen aber Deutsch­land, weil sie trotz guter Qua­li­fi­ka­ti­on kei­nen Ar­beits­platz fin­den kön­nen. Das aber be­deu­tet am Ar­beits­markt in Deutsch­land eine wei­te­re Schwä­chung des An­ge­bots an qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­ten und in­ner­halb der aus der Tür­kei stam­men­den Ein­wan­de­rungs­be­völ­ke­rung eine fol­gen­rei­che Ver­stär­kung der Schief­la­ge in der oh­ne­hin ge­gen­über der deut­schen Er­werbs­be­völ­ke­rung noch immer stark zu­rück­lie­gen­den Qua­li­fi­ka­ti­ons­struk­tur.

(Klaus J. Bade/Jo­chen Olt­mer, Nor­mall­fall Mi­gra­ti­on, 2004, 133)

 

Ma­te­ri­al 4:

Acht Mil­lio­nen Aus­län­der leben 2005 in Deutsch­land, die meis­ten von ihnen dau­er­haft. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat sich über Jahr­zehn­te schwer damit getan, die­ser Tat­sa­che auch po­li­tisch und le­gis­la­tiv Rech­nung zu tra­gen. Wenn­gleich - um nur eine Bei­spiel zu nen­nen - be­reits 1979 der erste Aus­län­der­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, der So­zi­al­de­mo­krat Heinz Kühn, in einem kon­tro­vers dis­ku­tier­ten Me­mo­ran­dum die An­er­ken­nung der Rea­li­tät und ef­fi­zi­en­te Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Le­bens­chan­cen vor allem der zwei­ten Ge­ne­ra­ti­on ge­for­dert hatte, blieb die Bun­des­re­pu­blik po­li­tisch doch eher ein „Ein­wan­de­rungs­land wider Wil­len“. Das spie­gelt sich an­schau­lich im Ter­mi­nus „Gast­ar­bei­ter“, der sug­ge­riert, dass die „Gäste“ nach einer Zeit­frist wider auf­bre­chen. Spä­tes­tens mit dem An­wer­be­stopp von 1973 und dem dar­auf­hin ein­set­zen­den Fa­mi­li­en­nach­zug dürf­te je­doch un­über­seh­bar ge­wor­den sein, dass die „Gäste“ blie­ben Deutsch­land ent­wi­ckel­te sich zum „De-facto-Ein­Wan­de­rungs­land“, wie ein häu­fig ge­brauch­tes Schlag­wort lau­tet. Die Mi­gra­ti­ons­his­to­ri­ker Klaus J. Bade und Jo­chen Olt­mer spre­chen in die­sem Zu­sam­men­hang von einem „in­for­mel­len Ein­wan­de­rungs­land“. Sie ver­ste­hen dar­un­ter ein Land, in dem eine Zu­wan­de­rer­be­völ­ke­rung lebt, dem aber gleich­zei­tig eine re­gu­lä­re Ein­wan­de­rungs­po­li­tik und -ge­setz­ge­bung feh­len. Mit einer um­fas­sen­den po­li­tisch-recht­li­chen Re­ge­lung wurde 2004 in Deutsch­land den ver­än­der­ten Ge­ge­ben­hei­ten erst­mals grund­le­gend Rech­nung ge­tra­gen. Der deut­sche Bun­des­tag ver­ab­schie­de­te das „Zu­wan­de­rungs­ge­setz“, oder, ge­nau­er ge­sagt, das „Ge­setz zur Steue­rung und Be­gren­zung der Zu­wan­de­rung und zur Re­ge­lung des Auf­ent­halts und der In­te­gra­ti­on von Uni­ons­bür­gern und Aus­län­dern (Zu­wan­de­rungs­ge­setz)“. Es trat zum 1. Ja­nu­ar 2005 in Kraft. Mit die­ser ge­setz­li­chen Re­ge­lung, die am Ende einer lan­gen Phase po­li­ti­schen und ju­ris­ti­schen Rin­gens um „Deutsch­land als Zu­wan­de­rungs­land“ steht, schei­nen zu­gleich in­ten­si­ve­re öf­fent­li­che Dis­kus­si­ons- und Re­fle­xi­ons­pro­zes­se in Gang ge­setzt bzw. be­schleu­nigt wor­den zu sein. Der­zeit, so der Ein­druck, ste­hen wir in Deutsch­land an einem Punkt, von dem aus eine Be­stands­auf­nah­me - be­zo­gen auf In­te­gra­ti­on, Chan­cen­gleich­heit, Bil­dungs­zu­gang etc. - mit mehr Ehr­lich­keit als frü­her mög­lich ist. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob es hier zu tat­säch­li­chen po­li­ti­schen Maß­nah­men kom­men wird, die um­fas­send und nach­hal­tig grei­fen.

(Ros­ma­rie Beier-de Haan, „Zu­wan­de­rungs­land Deutsch­land, Mi­gra­tio­nen 1500-2005, Ein­füh­rung“, in: Zu­wan­de­rungs­land Deutsch­land. Mi­gra­tio­nen 1500-2005, Ber­lin 2005, 9.)

  Li­te­ra­tur­ver­zeich­nis

 

Hin­ter­grund­tex­te: Her­un­ter­la­den [doc] [1 MB]