Grundlegende Begriffe
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
II. Grundlegende Begriffe der Urteilsbildung
Urteil ist eine begründete Stellungnahme zu einer Frage oder einem Problem – und damit zugleich „gedeutete Geschichte“
Bedeutung für die Unterrichtspraxis:
- Doch die idealtypische Trennung der einzelnen Analyse- bzw. Urteilsschritte darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Mehrzahl der den Schülern sprachlich vermittelten historischen Urteile Sachurteil und Werturteil eng miteinander verschmolzen sind – wie die folgenden Beispiele belegen:
Beispiel 1:
- „Die Bastille wurde vom Volk von Paris erstürmt, weil das Volk einem aristokratischen Komplott, also der Gegenrevolution, zuvorkommen wollte.“ (Albert Soboul)
- „Die Bastille wurde von einem aufgehetzten und blutgierigen Pöbel erstürmt, hinter dem als geheimer Drahtzieher der Herzog von Orléans stand. Damit wurde der König gehindert, wieder Ruhe im Lande herzustellen.“ (Bernard Fay)
Beispiel 2: (vgl. die ausführlicheren Texte bei den Materialien)
- „ Die drei Volkserhebungen in Baden sind durch die verbündeten Tyrannen Deutschlands erdrückt worden, allein die neue Welt von Gedanken und Gefühlen, welche durch diese drei wichtigsten Thaten des Volkes, im gesamten Vater-lande angeregt wurden – diese neue Welt besteht noch immer und wird mit jedem Tage, mit jeder neuen Schandthat der verbündeten Fürsten größer und größer werden.“ (Gustav von Struve)
- „Ob das Volk sich noch einmal wird fortreißen lassen von solchen Führern und wir eine blutige Wiederholung der Aufstände von April, September und Mai erleben werden? Diese Phase der revolutionären Demokratie hat, scheint uns, ihre Rolle ausgespielt.“ (Ludwig Häusser)
Aus didaktischen Gründen ist die Trennung bei-der (idealtypischer) Formen der Urteilsbildung geboten:
- weil Schülerinnen und Schüler kaum in der Lage sind, beide Urteilsformen in Schulbuch- oder wissenschaftlichen Texten voneinander zu trennen.
- weil es Ziel des Unterrichts sein muss, dass Schülerinnen und Schüler lernen, mit der Vielzahl historischer Urteile umzugehen (Karl-Ernst Jeismann).
- weil die Fähigkeit, zwischen beiden Urteilsformen unterscheiden zu können, die Urteilskompetenz insgesamt stärkt (Frank Hoffmann).
Aus didaktischen Gründen ebenso geboten ist es, mit der Dekonstruktion unterschiedlicher Sach- und Werturteile etwa in zeitgenössischen oder aktuellen Darstellungen zu beginnen, um die Schülerinnen und Schüler für die Komplexität historischer Urteilsbildung, aber auch für die Unterschiede beider Urteilsformen zu sensibilisieren.
Historisches Sachurteil:
Beurteilung von geschichtlichen Handlungen, Ereignissen und Prozessen im historischen Kontext
- Beurteilung der Auswahl und Analyse der für die Untersuchung relevanten Quellen und Darstellungen
- Beurteilung der chronologischen und kausalen Verknüpfung der Sachinformationen
- Beurteilung des Sinnzusammenhangs
- „Verstehen“ und „Erklären“ der historischen Handlung/der handelnden Person(en) im zeitgenössischen Kontext
- Zweckmäßigkeit, Zweckrationalität, Effizienz, Erfolg einer Handlung/Tat/Institution/Gremium/Einzelperson.
- Unterschiedliche Ergebnisse durch unterschiedliche Einschätzung/Akzentuierung einzelner Sachverhalte und Aspekte
- Rekonstruktion fremder historischer Handlungsmotive und Mentalitäten
- Analyse der Motive und Intentionen historischer Personen als Voraussetzung für Werturteilsbildung
- Frank Hoffmann: Überlegungen zur Planung von Geschichtsunterricht mit dem Ziel der Förderung historischer Urteilskompetenz
Historisches Werturteil:
- Bewertung historischer Entscheidungen, Handlungen oder Ideen von Personen, Gruppen oder Institutionen unter explizitem oder implizitem Bezug auf aktuelle Normen und Maßstäbe, immer auf die Gegenwart des Urteilenden bezogen
- Ausgangspunkt subjektiv, aber nicht notwendigerweise individuell, sondern durch das aktuelle Normen- und Wertsystem bestimmt
- Frank Hoffmann: Überlegungen zur Planung von Geschichtsunterricht mit dem Ziel der Förderung historischer Urteilskompetenz
Wertmaßstab können z.B. sein
- Moral, Sitte, Anstand,
- Humanität, Gesinnungs- oder Verantwortungsethik
- Frank Hoffmann: Überlegungen zur Planung von Geschichtsunterricht mit dem Ziel der Förderung historischer Urteilskompetenz