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Gus­tav Struve

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Ge­schich­te der drei Volks­er­he­bun­gen in Baden 1848-1849, Bern 1849

Die drei Volks­er­he­bun­gen in Baden sind durch die ver­bün­de­ten Ty­ran­nen Deutsch­lands er­drückt wor­den, al­lein die neue Welt von Ge­dan­ken und Ge­füh­len, wel­che durch diese drei wich­tigs­ten Tha­ten des deut­schen Vol­kes, im ge­samm­ten Va­ter­lan­de an­ge­regt wur­den, – diese neue Welt be­steht noch immer und wird mit jedem Tage, mit jeder neuen Schand­t­hat der ver­bün­de­ten Fürs­ten grö­ßer und grö­ßer wer­den. Das Feld der That ist jetzt das ein­zi­ge, auf wel­chem in Deutsch­land noch Ehre er­wor­ben wer­den kann. […] Sehr wahr hat Fried­rich Wil­helm IV. ge­sagt: „Gegen De­mo­kra­ten hel­fen nur Sol­da­ten.“ Die­sem Reim steht der an­de­re ent­ge­gen: „Fürs­ten­wuth er­stickt nur Blut.“

Blut, viel Blut wird ver­gos­sen wer­den, bevor Deutsch­land wie­der zur Ruhe kom­men kann. Die alte Ruhe des Kirch­hofs wird nicht wie­der­keh­ren, son­dern nur die Ruhe des Selbst­be­wußt­seins und der Frei­heit. Eine Ver­wir­rung, wie sie ge­gen­wär­tig in Deutsch­land herrscht, ist ein­zig in der Welt­ge­schich­te. Feind­lich ste­hen sich in un­se­rem Va­ter­lan­de ge­gen­über: der Schat­ten der Frank­fur­ter Cen­tral­ge­walt und das Ge­spenst der Stutt­gar­ter Reichs­re­gent­schaft, der Bund der Kö­ni­ge von Preu­ßen, Sach­sen, Han­no­ver, Ös­ter­reich mit sei­ner Ver­ein­ze­lungs­po­li­tik, Bai­ern und Würt[t]em­berg mit ihren Un­ab­hän­gig­keits­be­stre­bun­gen, die Län­der, wel­che fest­hal­ten an der Reichs­ver­fas­sung und die­je­ni­gen, wel­che sie mit Füßen tre­ten, der lan­des­flüch­ti­ge Groß­her­zog von Baden und seine Scher­gen, der Prinz von Preu­ßen mit sei­nen Söld­ner­schaa­ren und der Haß des deut­schen Vol­kes, wel­ches auf ihnen ruht. Alle diese Bünd­nis­se, Par­tei­en und Ge­gen­sät­ze ent­beh­ren des hö­hern ei­ni­gen­den Ge­dan­kens. Ei­gen­nutz, Herrsch­sucht, Ehr­geiz und Rache bil­den ihre Trieb­fe­dern. So groß daher schein­bar die Macht ist, auf wel­che die Re­ak­ti­on sich stützt, so schwach ist sie in der That. Zer­split­te­rung wird ihr Loos sein im Falle eines ent­schei­den­den Sie­ges, Zer­trüm­me­rung im Falle einer ent­schei­den­den Nie­der­la­ge. Nur eine Par­tei, die­je­ni­ge der ent­schie­de­nen Re­pu­bli­ka­ner, der so­cia­len De­mo­kra­ten, ruht auf dem fes­ten Grun­de der Va­ter­lands­lie­be, des Frei­heits­mu­thes und des Tha­ten­dran­ges, nur sie hat eine Zu­kunft.

Das Volk ver­langt Be­frei­ung von dem sechs­fa­chen Joche, das auf ihm las­tet. Nur aus dem Schei­ter­hau­fen, auf wel­chem ver­brannt wer­den die sechs Gei­seln: des Kö­nig­t­h­ums, des Ge­burts­a­dels, des Be­am­ten­th­ums, des ste­hen­den Hee­res, des Pfaf­fen­th­ums und des Geld­wu­chers – nur aus die­sem Schei­ter­hau­fen kann dem Volke Frei­heit, Wohl­stand und Bil­dung er­ste­hen.

Acht­zig Jahre lang kämpf­ten die Nie­der­län­der gegen die spa­ni­schen Ty­ran­nen, sie­ben Jahre dau­er­te der nord­ame­ri­ka­ni­sche Frei­heits­krieg. Der deut­sche Frei­heits­kampf hat noch kaum be­gon­nen. Das Blut, wel­ches in Wien, Ber­lin, Dres­den und in Baden floß, bil­de­te nur klei­ne Bäch­lein im Ver­hält­niß zu den Strö­men, wel­che noch flie­ßen müs­sen, um die Trä­ger der sechs Gei­seln der Mensch­heit in ihrem Blute zu er­sti­cken.

Als Ro­bert Blum in der Bri­git­ten-Au bei Wien be­reit stand, das tödt­li­che Blei zu emp­fan­gen, sagte er vor­aus: „Aus jedem Trop­fen mei­nes Blu­tes wird ein Frei­heits­kämp­fer er­ste­hen.“ Tau­sen­de sind seit­her er­stan­den, tau­sen­de sind seit­her ge­fal­len. Auch aus jedem Trop­fen ihres Blu­tes wird ein Frei­heits­kämp­fer er­ste­hen. In rie­sen­haf­ter Pro­gres­si­on wird so die Zahl der Frei­heits­kämp­fer wach­sen. Mit Lö­wen­kühn­heit wurde im Ba­di­schen ge­kämpft gegen die Ue­ber­macht. […] Das Bei­spiel, wel­ches das ba­di­sche Volk ver­eint mit dem ba­di­schen Heere dem ge­samm­ten deut­schen Va­ter­lan­de gab, die be­geis­ter­te Hin­ge­bung, mit wel­cher sie in den Tagen der Schlach­ten kämpf­ten, - - wird Nach­fol­ge er­we­cken. Der Ge­dan­ken­strom, wel­cher im ba­di­schen Schwarz­wal­de sei­nen Ur­sprung fand, wird sich er­gie­ßen über das ge­samm­te deut­sche Va­ter­land. Er wird sich ver­ei­ni­gen mit den Ge­dan­ken­strö­men, wel­che in Paris, Rom und De­brec­zin ent­spran­gen und wird über­flu­then das ganze Eu­ro­pa. Aus dem durch diese Flu­then ge­düng­ten Boden aber wird em­por­kei­men eine neue Saat und wird sich ent­wi­ckeln ein neues Ge­schlecht. Jene Saat wird sein die Frei­heit und die­ses Ge­schlecht wird keine Ty­ran­nen mehr dul­den.

Die Re­pu­blik hat auf­ge­hört, ein Traum der Schwär­mer zu sein. Sie ist ge­wor­den der ein­zi­ge Ret­tungs­an­ker des stür­misch be­weg­ten eu­ro­päi­schen Staats­schif­fes. Die Sehn­sucht nach die­sem Ret­tungs­an­ker ist all­ge­mein. Män­ner und Frau­en, Jüng­lin­ge und Kin­der nen­nen sich Re­pu­bli­ka­ner. Doch die­ser Ret­tungs­an­ker ist viele Zent­ner schwer und von fes­ten Ket­ten um­schlos­sen. Die Ket­ten müs­sen ge­sprengt, der Anker muß ge­ho­ben und in die to­ben­den Wel­len hin­ein­ge­wor­fen wer­den, bevor das Schiff sich fest­le­gen kann.