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M5 – M7

M5 Auswanderung aus dem deutschen Südwesten

Wie heißt die Welthauptstadt der Entenjagd? Stuttgart natürlich! Aber dieses Stuttgart liegt nicht am Neckar oder am Nesenbach, sondern am Highway 79, etwa 70 km südöstlich von Little Rock im US-Bundesstaat Arkansas. Gegründet wurde es 1878 von Adam Bürkle, einem Auswanderer aus Plattenhardt, einem Filderort, der mit der Namengebung für „seine“ Stadt der alten Heimat gedachte. Heute hat das US-amerikanische Stuttgart knapp 10 000 Einwohner und zumindest noch mancher Nachname erinnert an die deutschen Wurzeln der Stadt. Ähnliche Dopplungen gibt es auch für Heidelberg (Mississippi), Heilbronn (Florida), Karlsruhe (North Dakota) oder Ulm (Arkansas). Freiburg gibt es in den Vereinigten Staaten gleich mehrmals, schon weil der Name Programm der Auswanderer und Ausdruck ihrer Hoffnungen war. […]

Die Gesamtzahl der Auswanderer aus Deutschland ist nur schwer zu bestimmen. Viele Emigranten meldeten sich bei den Behörden nicht ab. Zwischen 1820 und 1920 dürften es aber etwa sechs Millionen Deutsche gewesen sein. Unter den Einwanderern in die USA bildeten die Deutschen die größte nationale Gruppierung - noch vor den Briten und Iren. Allein in den wenigen Jahrzehnten zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und der Reichsgründung von 1871 wanderte über ein Fünftel der württembergischen Bevölkerung aus. Aus dem Großherzogtum Baden waren es allein zwischen 1845 und 1854 mehr als 130 000 Menschen oder zehn Prozent der Bevölkerung. Höhepunkte der Auswanderungswellen bildeten die wirtschaftlichen Krisenjahre 1816/17, 1832/33, 1846/47 und 1852/54.

Die armutsmotivierte Massenauswanderung ließ erst mit der durchgreifenden Industrialisierung an der Wende zum 20. Jahrhundert nach. […] Gleichzeitig zeichnete sich nun aber der Wandel [Deutschlands] vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland ab.

Meier-Braun, Karl-Heinz/Weber, Reinhold: Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009, S. 77-88.

Mögliches Zusatzmaterial: M6 Auswandererlisten für die einzelnen Wohnorte der Schülerinnen und Schüler

Abrufbar unter http://www.leo-bw.de/ (Stichwort „Auswandererliste“)

Gründe für die Auswanderung im 19. Jahrhundert: M7 Gründe für die Auswanderung

„Die Armut treibt mich fort und man trifft nicht einmal Unterstützung bei dem Ortsvorstand an. Wir nähren uns von erfrorenen Kartoffeln, welche [...] auf den Äckern liegen geblieben sind.“ Die Aussage des Mattes Bauer aus dem württembergischen Hierweiler ist beispielhaft für das Los vieler Auswanderer. Im Jahr 181.7 hatte der Regierungsrat und später berühmt gewordene Nationalökonom Friedrich List für den König von Württemberg eine Befragung unter Auswanderungswilligen durchgeführt. Die Beweggründe wiederholten sich: Abgaben- und Steuerdruck, Willkür der Obrigkeit […], „Bedrückungen“ durch Förster, Gutsherrschaften und Wildschaden.

Die Massenauswanderung nach Amerika wurde von mehreren Faktoren begünstigt. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1783 hatten Schiffe aller Nationen Zugang zu den amerikanischen Hä-fen. Die USA boten genug Raum und Arbeit für viele Menschen. […] Seit Ende der 1840er Jahre wurde [… sogar] die Auswanderung systematisch mit öffentlichen Geldern gefördert, denn die subventionierte Auswanderung war für die Staatskassen günstiger als eine lebenslange Unterstützung der Armen.

Die Auswanderungswelle nach Übersee wurde durch die politische Unterdrückung im Vormärz und nach der i848er Revolution noch verstärkt. Neben die wirtschaftlichen und religiösen Beweggründe der Emigranten traten die „Demagogenverfolgung“ in den Jahren nach dem Wiener Kongress, der Zeit der „Reaktion“, das Scheitern der Revolution und die Bismarck'sche Sozialistengesetzgebung Ende der 1870er und in den 1880er Jahren. […]

Schätzungen gehen davon aus, dass rund eine halbe Million Menschen aus Baden, Württemberg und der Pfalz nach der Niederschlagung der Revolution nach Amerika flüchten mussten. Zahlreiche Politiker – liberal, demokratisch oder national engagiert –, die nach ihrer Rückkehr aus dem Exil die frühdemokratische Geschichte im deutschen Südwesten prägen sollten, fanden als sogenannte „Forty-Eighters“ in Frankreich, England, der Schweiz und vor allem eben in den USA eine Fluchtstätte. Der Unterschied zu den aus schierer Not Ausgewanderten war der, dass all die genannten Männer als politische Flüchtlinge ins Exil gingen und meist von vornherein nicht beabsichtigten, sich für immer dort niederzulassen. Wenige Jahrzehnte später galt dasselbe für deutsche Sozialdemokraten, die unter dem Druck der Bismarck'schen Sozialistenhatz vorübergehend ins europäische oder überseeische Ausland flüchten mussten.

Die zahlenmäßig wichtigste Form der Migration ist die Kettenwanderung („chain migration“). Sie ist gleichzeitig der zentrale Grund für die Bildung ethnischer Kolonien. Hier nutzen Migranten die bestehen gebliebenen Beziehungen von bereits Ausgewanderten zur alten Heimat. Sie erfahren so über Chancen in ihrem Zielland, erhalten Hilfe für die Reise, für das Finden von Arbeit und Wohnung wie auch für die Anpassung an die neue Umgebung. Im Zielland werden dann erneut alte Heimatbeziehungen genutzt […].

Meier-Braun, Weber, Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung, S. 77-89.

Umsetzungsvorschlag 2 Auswanderung nach Amerika im 19. Jh.: Herunterladen [docx][3,8 MB]

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