Aufgabe 2
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Ergebnisse Schüler B
Aufgabe 2: Analysieren Sie die Statistik und beurteilen Sie ihren Aussagewert. (16 VP)
Die Statistik „Vergleichender Index der industriellen Produktion in europäischen Ländern zwischen 1860 und 1913“, welche aus dem „Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ stammt, besteht aus einer Tabelle, die den Index der industriellen Produktion in fünf verschiedenen Ländern und in drei verschiedenen Jahren – 1860, 1880 und 1913 – einmal als Gesamtproduktion und einmal als Pro-Kopf-Produktion zeigt. Dieser Index beruht auf der Produktion des Vereinigten Königreichs, die für 1900 als 100 gesetzt wird. Insgesamt wird die Güterproduktion außerhalb von Landwirtschaft, Bergbau und Bauwirtschaft erfasst.
Bei dieser Tabelle ist zunächst auffällig, dass das VK im Jahr 1860 schon knapp die Hälfte der industriellen Produktion von 1900 erreicht (45%), während die anderen angeführten Länder – neben Deutschland auch Frankreich, Russland und Österreich-Ungarn – sehr niedrige Werte aufweisen, die alle unter 20 Prozent liegen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung erkennt man, dass der Indexwert der industriellen Produktion in allen Ländern zunimmt, jedoch fällt dieser Zuwachs in Deutschland besonders stark aus. Die Zahlen verfünffachen sich von 1880 zu 1913 ungefähr (von 27 auf 138), somit erreicht Deutschland 1913 die größte industrielle Produktion in Europa und überholt sogar England, obwohl dieses doch noch 1880 einen sehr deutlichen Vorsprung hatte, nämlich 73 zu 27.
Auch bei den Pro-Kopf-Angaben zeigt sich das Phänomen, dass das VK anfangs einen deutlichen Vorsprung vor den anderen Ländern hat – die Gründe dafür sieht man in Aufgabe 1 -, jedoch steigt die Produktion auch in Deutschland schneller an, um mehr als das Dreifache zwischen 1880 und 1913, von 25 auf 85. Jedoch bleibt der Indexwert der Pro-Kopf-Produktion im VK 1913 am höchsten, was daran liegt, dass Deutschland zwar eine höhere Gesamtproduktion hat, die aber auf mehr Einwohner (Köpfe) umgelegt wird. Durchschnittlich produziert also
ein
Engländer mehr als
ein
Deutscher, auch wenn alle Deutschen zusammen mehr erschaffen als alle Engländer zusammen.
Der Aufstieg Deutschlands lässt sich damit erklären, dass nach der Take-Off-Phase der Industrialisierung ab 1850 eine gute Infrastruktur geschaffen und neue Energiequellen erschlossen wurden. Hemmnisse der Industrialisierung werden nach und nach abgebaut, der Staat fördert sogar schließlich die Industrie, sodass Deutschland 1913 die stärkste Industriemacht in Europa ist.
Auch die Gesamt-Produktion Russlands nahm zu, sie vervierfachte in dem dargestellten Zeitraum, in der Pro-Kopf-Produktion bleibt es aber so deutlich hinter den anderen Ländern zurück, dass man bis 1913 nicht von einem Industriestaat sprechen kann.
In England hingegen arbeiten 1913 schon sehr viele Menschen im Dienstleistungs-, Gewerbe- und Industriesektor. In den anderen Ländern nimmt ihr Anteil zwar auch zu, aber er ist – außer in Deutschland – 1913 noch längst nicht so stark entwickelt wie im VK. So bleiben Frankreich und Österreich, die 1880 eine ähnliche Gesamtproduktion wie Deutschland (11) haben (Frankreich etwas mehr (18), Österreich (10) etwas weniger), klar hinter Deutschland zurück; schon 1880 hat Deutschland beide überholt, was auf eine besonders starke Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung schließen lässt.
Die Statistik zeigt gut die Entwicklung der Industrialisierung in den verschiedenen Ländern und die Phasen dieser Entwicklung. Im VK startete die Industrialisierung schon um ca. 1770 und befand sich bereits um 1860 in einer Hochphase, im Gegensatz dazu begann die Entwicklung in den anderen europäischen Ländern später, in Deutschland dann allerdings besonders intensiv, in Frankreich und Österreich eher mittelmäßig und in Russland – wohl wegen seiner Größe und der vielen Einwohner – eher schwach.
Die Statistik hat einen hohen Aussagewert. Zwar werden hier alle Werte durch den Index auf Großbritannien bezogen, wodurch man aber schnell die Gesamtentwicklung erkennen kann. Andererseits wäre auch Deutschland als Index-Land denkbar, wodurch der Vorsprung des VK und das Schwinden dieses Vorsprungs vielleicht noch deutlicher hervortreten würden.
Die Zeitpunkte sind auch sinnvoll gewählt, da Deutschland, überwiegend als Kaiserreich (ab 1871) aufgefasst wird, aber auch 1860 war schon der Weg der „kleindeutschen Lösung“ vorgezeichnet. Eventuelle Einschränkungen des Aussagewertes entstehen dadurch, dass die beiden Zwischenräume unterschiedlich groß sind (einmal 20 und einmal 33 Jahre), jedoch ist der Endpunkt 1913, als das Jahr vor dem Beginn des I. Weltkrieges, sehr sinnvoll gewählt, weil der Krieg viele Entwicklungen verändert oder unterbrochen hat. Auch die Angabe der gesamten Industrie-Produktion, nicht nur als Index, wäre interessant, um weitere Aussagen über die Entwicklung machen zu können.
Insgesamt lässt sich jedoch durch diese Statistik ein schneller Überblick über die verschiedenen Phasen in den verschiedenen Ländern und die besondere Rolle Englands in der Industrialisierung erkennen.
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