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Deutsch als Zweit­spra­che – He­te­ro­ge­ni­tät

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

DaZ? Was ist das? Aus­blick und De­si­de­rat!

Wir haben zu­neh­mend an Gym­na­si­en Kin­der mit Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund. Meist sind die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit und der münd­li­che Ge­brauch der Spra­che recht gut aus­ge­bil­det. Pro­ble­me hin­ge­gen be­rei­tet vor allem die Schreib­kom­pe­tenz.

An ei­ni­gen Uni­ver­si­tä­ten gibt es mitt­ler­wei­le im Fach­be­reich Ger­ma­nis­tik sog. DaZ-Lehr­stüh­le ein­ge­rich­tet. Das an Gym­na­si­en ein­setz­ba­re Ma­te­ri­al ist je­doch noch recht über­schau­bar.

Um die Schwie­rig­kei­ten zu ver­ste­hen, muss man sich die Ei­gen­hei­ten der deut­schen Spra­che zu­nächst ver­deut­li­chen. Diese Be­son­der­hei­ten sind der An­satz, um ge­eig­ne­te DaZ- Ma­te­ria­li­en bzw. Übun­gen für diese Schü­ler zu ent­wi­ckeln. Man­ches, wie z.B. die un­re­gel­mä­ßi­gen Ver­ben, muss je­doch ein­fach aus­wen­dig ge­lernt wer­den. („Ein ta­bel­la­ri­sche Er­fas­sung der un­re­gel­mä­ßi­gen Ver­ben und sys­te­ma­ti­sches Aus­wen­dig­ler­nen sind un­ab­ding­bar“. Weis 2013 S.27)

Fol­gen­de Zi­ta­te ver­deut­li­chen etwas von der spe­zi­el­len Pro­ble­ma­tik der Schü­ler, die Deutsch als Zweit­spra­che ler­nen.

„Der Erst­sprach­er­werb eines Men­schen be­ginnt mit der Ge­burt und ver­läuft somit par­al­lel zur Ent­wick­lung eines Kin­des. Die Erst­spra­che, nicht ohne Grund auch Mut­ter­spra­che ge­nannt, spielt bei der Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung eines Men­schen eine sehr wich­ti­ge Rolle. Der Be­griff „Mut­ter­spra­che“ um­fasst eine emo­tio­na­le Di­men­si­on, die der Be­griff „Erst­spra­che“ nicht er­fasst.“ (Weis, 2013, S. 8)

Ver­stum­mung (Chiel­li­no)

Meine Spra­che grenzt mich ab

ich habe sie auf­ge­ge­ben

mit dei­ner

ver­fau­len mir

die Ge­füh­le im Bauch

(Belke, 2003, S.6)

„Fast 30 Pro­zent von etwa 150 be­frag­ten Schü­le­rin­nen und Schü­lern am Ende der Se­kun­dar­stu­fe I sind der Mei­nung, das Schrei­ben in der Schu­le nicht geübt zu haben. 34 Pro­zent der be­frag­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler hal­ten das Schrei­ben nicht für lern­bar“.

(Merz-Grötsch 2001, S.168ff)

Ei­ni­ge Be­son­der­hei­ten des Deut­schen (vgl. Weis S. 16 – 37) :

Be­son­der­hei­ten auf der Laut­ebe­ne:

  1. Kurze und lange Vo­ka­le sind be­deu­tungs­un­ter­schei­dend, was z.B. im Tür­ki­schen und Rus­si­schen nicht so ist. Bei­spie­le:
  • Ofen – offen
  • Höhle – Hölle
  • Beten – bet­ten
  1. Kon­so­nan­ten­häu­fun­gen gibt es an bei­den Sil­ben­rän­dern. Schü­ler bauen hier oft Spross­vo­ka­le ein, z.B. Bi­rief statt Brief

Be­son­der­hei­ten von Sil­ben und Rhyth­mus

  1. Die meis­ten deut­schen Wör­ter wer­den auf der ers­ten Silbe be­tont. Im Pol­ni­schen wird fast immer die vor­letz­te, im Spa­ni­schen die zwei­te Silbe be­tont. Bei­spie­le:
  • Hus­ten­bon­bons – hus­ten Bon­bons
  • Ur­instinkt – Urin stinkt
  • Ar­beits­amt – Ar­beit Samt
  • Strei­ken­de – Streik Ende

Be­son­der­hei­ten der Wort­bil­dung

  1. Kom­po­si­ta sind sehr häu­fig. Ein Sach­ver­halt, der in an­de­ren Spra­chen in einem oder meh­re­ren Sät­zen aus­ge­drückt wird, be­steht aus einem Wort. Bei­spie­le:
  • der Tisch + das Bein = das Tisch­bein
  • das Was­ser + dicht = was­ser­dicht
  • öff­nen + die Zeit = die Öff­nungs­zeit
  1. No­mi­na­li­sie­run­gen, also Ver­ben und Ad­jek­ti­ve, die als Nomen ge­braucht wer­den, kom­men ge­häuft in Fach­t­ex­ten vor. Bei­spiel:
  • Das Her­un­ter­fah­ren der Ma­schi­nen
  1. Vor- und Nach­sil­ben ver­än­dern die Be­deu­tung bei Ver­ben, Ad­jek­ti­ven und Sub­stan­ti­ven: Bei­spie­le:
  • der Un­sinn, der Ver­kauf, die Ent­schei­dung
  • ver­lau­fen, ab­lau­fen
  • brenn­bar, er­neu­er­bar, rost­frei, lust­los
  1. Es gibt Wör­ter mit meh­re­ren Be­deu­tun­gen:
  • gehen: Ich gehe. Es geht mir gut. Die Uhr geht falsch.

Be­son­der­hei­ten der Gram­ma­tik

  1. De­kli­na­ti­on. De­kli­na­ti­ons­feh­ler sind die häu­figs­ten Feh­ler, nicht nur bei mehr­spra­chi­gen Kin­dern. Zudem wird z.B. der un­be­stimm­te Ar­ti­kel „ein“ in der Ver­nei­nung mit „kein“ rea­li­siert, was in vie­len Spra­chen nicht ge­schieht. Im Tür­ki­schen und Rus­si­schen gibt es z.B. gar keine Ar­ti­kel, die Ka­te­go­rie Kasus wird durch En­dun­gen aus­ge­drückt.

Die Ad­jek­tiv­fle­xi­on ist auf eine spe­zi­el­le Art kom­pli­ziert, da sie un­ter­schied­lich aus­sieht je nach­dem, ob ein be­stimm­ter Ar­ti­kel, ein un­be­stimm­ter Ar­ti­kel oder kein Ar­ti­kel vor­han­den ist. Bei­spie­le:

  • der große Tisch, ein gro­ßer Tisch, gro­ßer Tisch
  • die gro­ßen Ti­sche, alle gro­ßen Ti­sche, große Ti­sche
  1. Die Kon­ju­ga­ti­on ist eben­falls sehr for­men­reich. Häu­fig gibt es eine Än­de­rung des Stamm­vo­kals wie z.B. ich esse – du isst. Bei der Bil­dung des Per­fekts und Plus­quam­per­fekts stellt die Ver­wen­dung von haben und sein ein zu­sätz­li­ches Pro­blem dar.

Das Tür­ki­sche und Rus­si­sche kennt keine trenn­ba­ren Ver­ben und damit auch keine Satz­klam­mer. Bei­spiel:

  • Ich grabe den Gar­ten um.

Man­che Spra­chen wie z.B. das Tür­ki­sche ken­nen keine re­fle­xi­ven Ver­ben. Im Deut­schen hin­ge­gen gibt es sogar echte und un­ech­te re­fle­xi­ve Ver­ben. Bei­spie­le:

  • Ich schä­me mich.
  • Ich wa­sche mich – Ich wa­sche meine Haare.

Der Kon­junk­tiv stellt auch für die meis­ten Mut­ter­sprach­ler eine Hürde dar.

Ver­ben ver­lan­gen oft eine be­stimm­te Ka­sus­rek­ti­on Im Rus­si­schen folgt z.B. auf jdn. an­ru­fen der Dativ, im Deut­schen der Ak­ku­sa­tiv.

Pas­siv­kon­struk­tio­nen stel­len eine be­son­ders große Her­aus­for­de­rung für Schü­ler dar. Oft wer­den Be­deu­tungs­un­ter­schei­dun­gen wie in den fol­gen­den Bei­spie­len nicht ver­stan­den:

    • Du wirst sehen – Du wirst ge­se­hen.
    • Wir wer­den fah­ren – Wir wer­den ge­fah­ren.
  1. Prä­po­si­tio­nen wer­den nicht de­kli­niert, sie kön­nen aber ver­schie­de­ne Be­deu­tun­gen haben und ver­schie­de­ne Kasus nach sich zei­hen (Wech­sel­prä­po­si­tio­nen) Das Tür­ki­sche kennt diese Wort­art gar nicht, die zu be­schrei­ben­den Ver­hält­nis­se wer­den als En­dung an die Nomen ge­hängt. Bei­spie­le:
    • um drei Ihr – um die Stadt herum – 8 ist um 5 grö­ßer als 3
  2. Die Syn­tax des Deut­schen ist recht va­ri­an­ten­reich, ein we­sent­li­ches Merk­mal ist, dass das fi­ni­te Verb ganz un­ter­schied­li­che Po­si­tio­nen ein­neh­men kann. Bei­spie­le:
    • Ich schrei­be den Text ab.
    • Schreibst du den Text ab?
    • Du sollst den Text ab­schrei­ben!
    • Du wirst nicht fer­tig wer­den, wenn du nicht zu­erst den Text ab­schreibst.

Nütz­li­che Quel­len:

www.​uni-​due.​de/​pro­daz/​spr​achb​esch​reib​ung.​php (kurze Be­schrei­bun­gen der wich­tigs­ten Her­kunfts­spra­chen)

Belke, Ger­lind, Mehr­spra­chig­keit im Deutsch­un­ter­richt, Schnei­der Ver­lag 2003

Baum­gärt­ner, Bo­gu­mi­la, Gram­ma­tik­übun­gen für DaZ – Ler­ner, Trai­nings­ma­te­ri­al für die ent­schei­den­den Pro­blem­fäl­le, Ver­lag an der Ruhr, Mül­heim an der Ruhr 2013

Merz-Grötsch, Jas­min, Schrei­ben als Sys­tem, Fil­li­bach 2012

Rösch, Heidi (Hrsg.), Deutsch als Zweit­spra­che Sprach­för­de­rung in der Se­kun­dar­stu­fe 1 Mit­spra­che, 2005 Wes­ter­mann Schro­edel Braun­schweig

Weis, In­grid, DaZ im Fach­un­ter­richt Sprach­bar­rie­ren über­win­den – Schü­ler er­rei­chen und för­dern, Ver­lag an der Ruhr, Mül­heim an der Ruhr 2013

Bei­spie­le für Übungs­for­men:

1. Nach li­te­ra­ri­schen Mus­tern schrei­ben (vgl. Weis S. 88 – 90)

Hans Joa­chim Schäd­lich, Der Sprachab­schnei­der

„Der Wind macht aus der Wolke, was er will: einen Wol­ken­baum, einen Wol­ken­ele­fan­ten, eine Wol­ken­lo­ko­mo­ti­ve, ein Wol­ken­bett. Paul, der noch müde ist, säße gern auf dem Wol­ken­ele­fan­ten und ritte ge­mäch­lich zur Schu­le. Noch lie­ber läge er in dem Wol­ken­bett. Er würde na­tür­lich nicht schla­fen. Nur dösen …“

An­hand die­ser klei­nen Text­stel­le las­sen sich Wort­schatz­übun­gen durch­füh­ren und fol­gen­de sprach­li­che Phä­no­me­ne üben

a) Kom­po­si­ta

Der Wind macht aus der Wolke, was er will:

Einen Wol­ken­park

Eine Wol­ken­kö­ni­gin

Ein Wol­ken­schloss

 

b) Die da­zu­ge­hö­ri­gen Wün­sche wer­den eben­falls er­fasst

Paul säße gerne:

Auf / in einem Wol­ken­park

Auf einer Wol­ken­kö­ni­gin

Auf einem Wol­ken­schloss

Dar­aus ist fol­gen­der Text ent­stan­den:

Der Wind macht aus der Wolke, was er will: ein Wol­ken­t­raum­land, einen Wol­ken­park, ein Wol­ken­fuß­ball­sta­di­on. Paul, der noch müde ist, säße gerne in einem Wol­ken­t­raum­land, einem Wol­ken­park, einem Wol­ken­fuß­ball­sta­di­on. Paul, der noch müde ist, läge gerne in einem Wol­ken­park. Noch lie­ber säße er aber in einem Wol­ken­fuß­ball­sta­di­on. Er würde na­tür­lich nicht schla­fen. Nur seine Mann­schaft an­feu­ern …

2. Fach­t­ex­te schrei­ben mit Hilfe von Satz­mus­tern (vgl.​Weis S.93)

Bei­spiel Ge­schich­te: Die Bron­ze­zeit wird in allen Lehr­wer­ken im Ge­schichts­un­ter­richt the­ma­ti­siert. Häu­fig wird fol­gen­de Auf­ga­be ge­stellt:

Be­grün­det, warum neue Be­ru­fe den Auf­bau der da­ma­li­gen Ge­sell­schaft ver­än­der­ten.

Mög­li­che, hilf­rei­che Satz­mus­ter wären:

  • gab es viel neue
  • hat sich viel ver­än­dert
  • ent­wi­ckel­ten die Men­schen neue
  • ent­stan­den neue Be­ru­fe
  • haben wir Kennt­nis von
  • Diese Neue­run­gen ver­än­der­ten
  • Da­durch ver­än­der­te sich
  • ...

3. Für Ver­ben wer­ben (vgl. Rösch S. 108)

Durch Rhyth­mus prä­gen sich For­men der un­re­gel­mä­ßi­gen Ver­ben bes­ser ein.

Ver­brei­me wer­den zu­sam­men er­fun­den und an­schlie­ßend als Sprech­ge­sang oder wie ein Rap mit Ges­tik und Mimik vor­ge­tra­gen,

sin­gen – sang – ge­sun­gen,

klin­gen – klang – ge­klun­gen,

da ist mir was ge­lun­gen!

 

schwin­gen – schwang – ge­schwun­gen,

schlin­gen – schlang – ge­schlun­gen,

das ist mir nicht miss­lun­gen!

 

sprin­gen – sprang – ge­sprun­gen,

rin­gen – rang – ge­run­gen,

das hab ich jetzt ver­schlun­gen!

 

spin­nen – spann – ge­spon­nen

rin­nen - rann – ge­ron­nen,

da ist was mit ge­won­nen!

 

bei­ßen – biss – ge­bis­sen,

schmei­ßen – schmiss – ge­schmis­sen,

ich bin ganz schön ge­ris­sen!

 

flie­gen – flog – ge­flo­gen,

bie­gen – bog – ge­bo­gen,

da hab ich nicht ge­lo­gen!

 

strei­ten – stritt –ge­strit­ten,

was habe ich ge­lit­ten!

 

schwim­men – schwamm – ge­schwom­men,

das ist auch vor­ge­kom­men!

 

frie­ren – fror – ge­fro­ren,

das hab ich aus­er­ko­ren!

 

bin­den – band – ge­bun­den,

ich hab genug ge­fun­den!!

 

4. Pat­tern-Drill: Aktiv-Pas­siv-Trans­for­ma­ti­on (vgl. Rösch S. 178)

Man kann mit die­ser Übung ge­zielt eine Struk­tur üben und im An­schluss daran einen Text pro­du­zie­ren.

Stell dir vor, du bist Por­tier in einem Hotel. Das ist wahr­lich keine leich­te Auf­ga­be. Man muss immer freund­lich blei­ben

  • Las­sen Sie meine Kof­fer holen!“ – Sie wer­den selbst­ver­ständ­lich so­fort ge­holt.
  • Be­sor­gen Sie bitte Ki­no­kar­ten für heute Abend. – Sie wer­den so­fort be­sorgt.
  • Be­stel­len Sie bitte ein Taxi – Es wird un­ver­züg­lich be­stellt
  • Brin­gen Sie mir bitte eine Fla­sche Spru­del auf mein Zim­mer – Der Spru­del wird so­fort ge­bracht.

Nach einer Weile kom­men die Gäste und fra­gen:

    • Haben Sie meine Kof­fer holen las­sen? – Ja, Ihre Kof­fer sind ge­holt wor­den!
    • ...

Dar­aus kann auch eine Agen­ten­ge­schich­te ent­ste­hen:

James Bonds schwers­ter Tag!

„Q“, der Chef von 007, hat sei­nem bes­ten Agen­ten einen Ohr­hö­rer mit Funk­emp­fän­ger spen­diert. Nun muss der Su­per­agent den gan­zen Tag einen ge­fähr­li­chen Auf­trag nach dem an­de­ren aus­füh­ren:

    • Be­schat­ten Sie die Frau mit dem Hund!
    • Bil­den Sie den Agen­ten XYZ zum Su­per­agen­ten aus!
    • Ver­fol­gen Sie den ver­däch­ti­gen Lie­fer­wa­gen
    • Ent­schlüs­seln Sie die ge­hei­me Bot­schaft!
    • Tau­chen Sie für ein paar Tage unter!
    • ...

„Q“ ist sehr un­ge­dul­dig. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten muss 007 den Auf­trag be­stä­ti­gen:

    • Die Frau mit dem Hund wird ge­ra­de be­schat­tet.
    • Der ver­däch­ti­ge Lie­fer­wa­gen wird ver­folgt.
    • ...

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