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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Klausur Gott II
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Ich werde hier nicht versuchen, das Dasein Gottes oder die Dreieinigkeit oder die Unsterblichkeit der Seele durch natürliche Vernunftgründe zu beweisen; nicht allein weil ich mich nicht stark genug fühle, in der Natur etwas zu finden, womit ich verstockte Atheisten überzeugen könnte, sondern auch weil diese Erkenntnis ohne Jesus Christus unnütz ist und unfruchtbar. Wenn ein Mensch davon überzeugt würde, dass die Zahlenverhältnisse unkörperliche ewige Wahrheiten sind, die von einer ersten Wahrheit, in der sie bestehen und die man Gott nennt, abhängen, so brächte ihm das für sein Heil nichts.
Es ist wunderbar, dass nie ein biblischer Schriftsteller sich der Natur bedient hat um Gott zu beweisen. Nie haben sie gesagt: Es gibt keine Leere, also gibt es einen Gott. Sie mussten klüger sein als die klügsten Leute, die seitdem gewesen sind, denn die haben sich doch alle dieses Beweises immer bedient.
Der Gott der Christen ist kein Gott, der bloß Urheber der mathematischen Wahrheiten und der Ordnung der Elemente ist; das ist das, was die Heiden glauben. Er ist nicht bloß ein Gott, welcher seine Vorsehung über das Leben und über die Güter der Menschen ausübt um denen, die ihn anbeten, eine glückliche Reihe von Jahren zu geben das, was die Juden glauben. Sondern der Gott Abrahams und Jakobs, der Gott der Christen ist ein Gott der Liebe und des Trostes. Er ist ein Gott, der die Seele und das Herz erfüllt, das er besitzt. Er ist ein Gott, der sie ihr Elend und seine unendliche Barmherzigkeit innerlich fühlen macht, der sich mit ihnen vereint im Grunde ihrer Seele, der sie erfüllt mit Demut, Freude, Vertrauen und Liebe; der sie unfähig macht ein andres Ziel zu suchen als ihn.
So finden alle, die Gott suchen, ohne Jesus Christus, keine Erleuchtung, die ihnen wirklich nützlich wäre. Denn entweder sie kommen nicht dazu, zu erkennen, dass es einen Gott gibt, oder wenn sie dahin kommen, ist es ihnen unnütz, weil sie sich einen Weg suchen ohne den Mittler erkannt zu haben, so dass sie entweder in den Atheismus oder in den Deismus verfallen, zwei Dinge, welche die christliche Religion fast gleich verabscheut.
Wäre die Welt nur dazu da, um den Menschen vom Dasein Gottes zu belehren, so würde seine Gottheit darin von allen Zeiten auf eine unbestrittene Weise hervorleuchten. Aber da sie nur da ist durch Christus und für Christus, dazu, die Menschen über ihre Verderbtheit wie über die Erlösung zu belehren, so glänzt alles darin von Beweisen für diese beiden Wahrheiten. Was darin zur Erscheinung kommt, zeigt weder eine gänzliches Abwesenheit noch ein offenbares Gegenwärtigsein der Gottheit, sondern das Gegenwärtigsein eines Gottes, der sich verbirgt. Alles trägt diesen Charakter.
Blaise Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände, Paris 1670, übers. Von Karl Adolf Blech, Berlin 1840,
als ebook bei http://www.zeno.org (07.09.2014). S.80.121.128f. (zu Prüfungszwecken bearbeitet)
M2
M3
Esther Maria Magnis erzählt aus ihrem Leben. Während sie ihrer schwer pflegebedürftigen Oma ein Kinderlied vorsingt kommt sie zu einer ihr wichtigen Erkenntnis.
„Weißt du, wie viel Sternlein stehen.“ Das mochte sie. Das sang ich ihr jeden Abend.
Ich kam zu der Stelle, da es heißt: „Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet, kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb.“ Obwohl es zu den Liedern gehörte, die ich ihr täglich sang, war es an diesem Abend anders.
Als dämmerte etwas aus der Strophe heraus. Etwas möglicherweise Erkennbares. Ich sang weiter. Aber ich war hellwach auf einmal.
„Weißt du, wie viel Mücklein schwirren in der heißen Sommerglut.“ Aufgeregt. Verwundert aufmerksam mit plötzlich gestrecktem Rücken saß ich da im Bett. Suchend, nach einem Anhaltspunkt. Das war seltsam. Mein Hirn und mein Körper waren auf eine kleine Sensation fixiert, die ich selber gar nicht sah oder verorten konnte. Ähnlich dem Gefühl, kurz bevor einem der Name eines Schauspielers, den man sucht, wieder einfällt.
Noch nicht auf der Zunge liegend, sondern, ach irgendwo im hinteren Teil des Kopfes – vielleicht hilft es, die Augen zu schließen, man weiß genau, dass er da ist, man schaut ihn eigentlich schon fast an, man fischt nach ihm, aber kommt ihm nicht zu nahe, dann verdrängt ihn das Wasser wieder, so lange, bis man ihn schnappt.
Ich sang weiter, immer noch abgelenkt durch mein Rumgewühle, meine hohe aufgeregte Aufmerksamkeit, und obwohl Oma schon fast eingeschlafen war, stimmte sie nuschelnd mit ein. Wir kamen wieder zum Refrain: „Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet, kennt auch dich und hat dich lieb – Kendauchdich“. Das war es. Ganz einfach. Kendauchdich. Das versetzte mir einen Schlag, und ich zog die Hand aus dem Gitter und hielt sie mir an den Mund. Mein Gesicht wurde heiß. Das war mein Wort. Das war mein Wort, das ich vergessen hatte. Es heißt in dem Lied eigentlich „Kennt auch dich“, aber so vernuschelt, wie Oma es sang, so fern meine Aufmerksamkeit davon war, so kam es nun auf einmal von weitem auf mich zu, nach achtzehn Jahren, oder wie lange war das fortgewesen? (...) Irgendwann mit fünfzehn oder so hatte ich meine Mutter mal gefragt, ob sie sich daran erinnern könne, ein Name vielleicht, „irgendwas mit tandauch? Kam das in einem Lied vor?“ Aber Mama wusste nicht, was ich meinte. Ich hatte auch meine Geschwister gefragt, aber es fiel ihnen nicht ein. (...) Sein Name: Kendauchdich.
Mein Urwort. Wie Hunger, Durst, müde. Das war mehr als „ich“ zu sagen. Und „ich“ ist für ein Kind schon großartig. Es ist vollkommen wahr.
Ich hatte nie verstanden, dass es ein ganzer Ausdruck aus mehreren Wörtern war, „kennt auch dich“, das hatte ich als Kind so nie gehört. Ich hörte „kendauchdich“, und das war sehr groß, das war ernst, aber auch lieb, das war majestätisch wie die Alpen, aber viel freundlicher. Es ging voran, wenn ich einschlief, es war da im Dunkeln, hinter den geschlossenen Lidern, und ich konnte nicht verloren gehen, denn es blieb und erwartete mich, hier und da. Und all das tauchte auf einmal auf. Wie eines dieser Sauerstoffbläschen, die sich bei einer Pflanze unter Wasser als silberner Pelz am Stängel bilden, und eines löst sich auf einmal und steigt auf. So eilte es mir entgegen. (...) Wenn mich jemand damals als Kind an jenem Abend gefragt hätte, „Was ist Kendauchdich?“, dann hätte ich gesagt „Kendauchdich ist jetzt“.
Draußen war es dunkel geworden. Die Amsel hatte aufgehört zu zwitschern. Ich zündete mir eine Kippe an und merkte: Es zieht vorbei. Ich hätte es mir auf ein Schild schreiben sollen. Das tat ich nicht. Ich zog an der Kippe, hörte die Glut knistern. Mein Spiegelbild in der Fensterscheibe: verschwommenes Gesicht, aufgestützter Arm, eingeknickte Hand und die kleine, aufsteigende, eilig wirbelnde Rauchsäule der Kippe. Dann war Kendauchdich vorbei.
Esther Maria Magnis, „Gott braucht dich nicht. Eine Bekehrung“,
Copyright © 2012 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. S. 175-178.
Klausur Gott II:
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