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Klausur Mensch II

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Aufgabenbeispiel: Mensch II (Anthropologie – Christologie)

Was ist Würde?

Würde ist nicht eine Auszeichnung, die wir einer Person beimessen und beilegen, sondern Würde ist ein „Wert“, so Kant, den jede Person in sich trägt und dessen Anerkennung von ihrem Gegenüber gefordert ist. Diesen Gedanken hat Immanuel Kant auch so formuliert: Alles hat entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über einen Preis erhaben ist […], hat eine Würde. Was aber ist nun Würde?

Die Entstehung des lateinischen Begriffs (dignitas humana) lässt sich in ihren Anfängen bis zu Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) zurückverfolgen, wenngleich er ihn nicht wortwörtlich verwendet. Cicero geht der Frage nach, welche Auszeichnung und Würde in unserer menschlichen Natur im Vergleich zu den Tieren liegt. … Das Entscheidende ist die von Cicero vorgenommene Unterscheidung zwischen zwei Arten von Würde, die dem Menschen zukommen können bzw. zukommen. Die eine ist eine individuell differenzierte Würde, die sich aus den unterschiedlichen Ausstattungen, Begabungen, Leistungen oder Positionen der Menschen ergibt; die andere ist eine allen Menschen gemeinsame und für alle gleiche Würde, die durch die allen Menschen gemeinsame Teilhabe an der Vernunft gegeben ist. Es wäre ein Missverständnis der Argumentation Ciceros, wenn man annähme, dass diese beiden Würde-Formen seiner Meinung nach einander widersprächen oder miteinander rivalisierten. Vielmehr sind beide Formen der Würde gegeben und für das menschliche Zusammenleben wichtig.

Wir treffen bereits in der alttestamentlichen Überlieferung etwa seit der Zeit des babylonischen Exils (587-538 v. Chr.) auf die Einsicht, dass jedem Menschen mit seinem Dasein von Gott als seinem Schöpfer eine Auszeichnung gegeben ist, die ein Anrecht auf Achtung begründet. Dabei begründen Judentum und Christentum die damit gegebene allgemeine und gleiche Würde aller Menschen aber nicht mit deren Teilhabe an der Vernunft, sondern aus ihrer Gottesbeziehung, durch die ihnen diese Würde (unabhängig von intellektueller Ausstattung, Verdienst, Leistung, moralischer Beschaffenheit oder religiöser Befindlichkeit) verliehen ist. Dabei ist Gottesbeziehung nicht die Beziehung des Menschen zu Gott, also seine Religiosität oder Frömmigkeit, sondern Gottes bejahende Beziehung zum Menschen. Sie begründet die Würde jedes Menschen, das heißt: sein Anrecht auf Achtung.

Die so verstandene Menschenwürde orientiert sich an nichts anderem als an der Tatsache des Menschseins. Darin kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass der Mensch als Mensch, also jeder Mensch in jeder Phase seiner Entwicklung, Achtung verdient, weil ihm eine Würde eignet, die mit seinem Dasein gegeben ist und ihm von Menschen weder verliehen noch genommen, weder zu- noch aberkannt, sondern „nur“ geachtet oder missachtet werden kann.

Freilich gehen wir an ungezählten Menschen achtlos vorbei (und sie an uns), ohne dass damit ihre oder unsere (Menschen-) Würde tangiert würde. Die Forderung nach „Achtung“ in Verbindung mit „Menschenwürde“ greift erst dort, wo es zwischen Menschen zu einem Näheverhältnis kommt, das man als Begegnung oder Beziehung bezeichnen kann. Die Bibel hat dafür den Begriff des „Nächsten“. Im Alten Testament ist damit der Volksgenosse gemeint, der auf Hilfe, Unterstützung, Liebe angewiesen ist. Im Neuen Testament wird die durch die Volkszugehörigkeit gesetzte Begrenzung überwunden und das Verhältnis geradezu umgekehrt. Es geht nicht mehr um die Frage, welcher Volksgenosse mir so hilfsbedürftig begegnet, dass er mein Nächster ist, sondern wem ich in seiner Bedürftigkeit und Verletzlichkeit so nahe komme, dass ich für ihn zum Nächsten werde, der zur Verantwortung gerufen und herausgefordert ist (so im Gleichnis vom barmherzigen Samariter).

Aus: Härle, Wilfried: Würde. Groß vom Menschen denken, Diederichs Verlag, München 2010, Seiten 12 –21 (zu Prüfungszwecken bearbeitet)


Aufgaben


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