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Grammatik während der Lektürephase

Neuerungen

Laut Bildungsplan 2016 soll der Übergang zur Originallektüre für L1 „im Laufe von Klasse 8“, für L2 „im ersten Halbjahr von Klasse 9“ erfolgen. Daraus ergibt sich, dass mehrere Phänomene der Satz- und Formenlehre, die nicht in den Bildungsstandards für Klasse 8, sondern in denen für Klasse 9/10 enthalten sind, erst während der Lektüre behandelt werden. Zu diesen Grammatikphänomenen, die erst am Ende von Klasse 10 vorauszusetzen sind, zählen

für L1 und L2:

darüber hinaus für L2:

  • konjunktivische Relativsätze

  • Potentialis

  • dativus auctoris

  • nd-Formen

  • oratio obliqua

  • Partizip Futur Aktiv

  • Vergleich der Indefinitpronomina quis, aliquis, quisquam

  • Komparation

  • Optativ, Prohibitiv, Deliberativ im HS

  • Relativsätze als Subjekt/Objekt

  • Infinitiv Futur

  • NcI

  • Futur II

  • fieri

  • adjektivisches Interrogativpronomen

  • iste/idem

  • (Semi-)Deponentien

  • Bildung von Adverbien

Wenngleich davon auszugehen ist, dass aufgrund der Progression des jeweiligen Lehrwerks auch einige der angeführten Grammatikthemen bei einem Übergang in die Lektürephase bereits behandelt sein können, so dürften doch insbesondere für L2-Lerngruppen zahlreiche Phänomene noch ausstehen. Geht man von einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Lehrbuch aus, der durch die zeitliche Vorgabe des Lektürebeginns wahrscheinlich ist, ist eine umso sorgfältigere Abstimmung der Lektüre auf bereits angeeignete und zu vertiefende Kompetenzen wichtig.

Da die Praxis des Lateinunterrichts in der Spracherwerbsphase stark von den eingesetzten Lehrbüchern geprägt wird, lohnt auch an dieser Stelle ein Vergleich der neueren Lateinlehrwerke. Bei genauerer Betrachtung, zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Phänomene in den Lateinbüchern vorgesehen sind, wird deutlich, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die meisten der oben genannten Grammatikerscheinungen in ihnen erst spät oder gar nicht behandelt werden.

Didaktische Folgerungen

  • Als Folgerung aus diesen Vorgaben wird man zunächst einmal bei der Auswahl einer geeigneten ersten Originallektüre sehr genau überlegen müssen, welche Lektüre ohne eine gewisse Anzahl dieser Grammatikthemen auskommt bzw. mit überschaubaren Zusatzangaben und Hilfestellungen zu bewältigen ist.

  • Während der Lektüre wird dann in den ersten Monaten der lektürebegleitende Grammatikunterricht einen größeren Raum einnehmen müssen, will man noch nicht behandelte Erscheinungen für die Sprach- und Textarbeit bald nutzbar machen.

  • Aufgrund eines geringeren Zeitrahmens und um die Lektüre nicht als Steinbruch ihrer eigentlichen und vorrangigen Ziele zu berauben, wird aber auch eine gezielte Auswahl von Grammatikerscheinungen erfolgen müssen. Hierbei wird man sich überwiegend auf lektürerelevante Phänomene konzentrieren, die für Übersetzung und Interpretation besonders gewinnbringend sind – sei es aufgrund ihres quantitativen Vorkommens, einer durch den Autor wirkungsvoll eingesetzten Gestaltung, der erhöhten Fehleranfälligkeit bei der Übersetzung, ihres Beitrags zur Vervollständigung des Sprachsystems, o.a.

  • Will man die Grammatikarbeit nicht (allzu stark) von der Lektüre trennen, ist es außerdem notwendig, Gelegenheiten zur Einführung neuer Phänomene konsequent zu nutzen. In der Regel bieten Originaltexte Grammatikerscheinungen nicht annähernd so häufig, umfassend und in sinnvollen Abständen umgewälzt wie darauf spezialisierte Lehrbuchtexte und -übungen. Wo aber Eingriffe in den Text unumgänglich sind, weil Passagen das Kompetenzniveau der Schüler um ein Vielfaches übersteigen, könnten sich vielleicht auch Gelegenheiten bieten, neue Grammatikphänomene zu wiederholen oder zu vertiefen.

  • Außerdem stellen auch die anderen Möglichkeiten zur Texterschließung in diesem Zusammenhang eine sehr nützliche Entlastung schwieriger Stellen und ihrer Übersetzung dar.

  • Schließlich wird man, wie es bislang ohnehin schon praktiziert wird, die Erschließung des Originaltextes durch verschiedene Formen der Hilfestellung zu unterstützen suchen. Hier seien nur beispielsweise die kolometrische Darstellung, der Apparat mit Wortangaben und Hinweisen zu Formen wie auch Syntax oder sprachlich vereinfachte Passagen genannt. Selbstverständlich muss aber bei all diesen Vorgehensweisen bleiben, dass Eingriffe im Verlauf der Lektüre deutlich abnehmen.

 

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