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Er­war­tungs­ho­ri­zont

1. Cae­sar träumt, er würde über den Wol­ken flie­gen, Ju­pi­ter die Hand geben. - Dies könn­te als Be­stä­ti­gung sei­ner ei­ge­nen Größe auf­ge­fasst wer­den, da seine Gott­nä­he oder -ähn­lich­keit in die­sen Traum hin­ein­in­ter­pre­tiert wer­den kann. Der Traum ist am­bi­va­lent: Er deu­tet auch den Tod an, die Auf­nah­me in den Him­mel. - Cal­pur­nia hat nur To­des­ah­nun­gen. Für sie stürzt ihre Welt zu­sam­men (Haus­ein­sturz), kon­kre­ter: Cae­sar wird in ihrem Schoß er­sto­chen. - Ein wei­te­res Omen ist die sich von al­lein öff­nen­de Schlaf­zim­mer­tür. Durch sie wird der Tote hin­aus­ge­tra­gen.

2. Cae­sar: diu cunc­ta­tus. Er zö­ger­te, ging dann doch in den Senat. Den kör­per­li­chen An­griff er­lebt er mit Ver­wun­de­rung: „Ista qui­dem vis est!“ Er setzt sich zur Wehr, ver­tei­digt sich, macht einen Flucht­ver­such; dann re­si­gniert er an­ge­sichts der vie­len At­ten­tä­ter. Er plant sein ei­ge­nes Bild als Er­mor­de­ter, indem er seine Klei­dung ord­net. Er ist ge­fasst, gibt kei­nen Laut mehr von sich bis auf ein Stöh­nen. Er ist be­trof­fen von der Be­tei­li­gung von Mar­cus Bru­tus.

Die Mör­der spie­len Ge­schäfts­mä­ßig­keit: spe­cie of­fi­cii cir­cums­te­ter­unt. Damit tar­nen sie ihr Vor­ha­ben. Die Rol­len sind ver­teilt: [Til­li­us Cim­ber] pri­mas par­tes sus­ce­pe­rat. Drei­und­zwan­zig Sti­che töten Cae­sar: Es ist ein wil­des, pa­ni­sches Ste­chen. Nur eine Wunde ist töd­lich (quod se­cun­do loco in pec­to­re ac­ce­pe­rat). Da­nach flie­hen sie (cunc­tis dif­fu­gi­en­ti­bus). Das be­zieht sich auch auf un­be­tei­lig­te An­we­sen­de.

Eine Sammlung von Begriffen im Unterricht erbrachte eine Fülle von Assoziationen

Ver­grö­ßern Eine Samm­lung von Be­grif­fen im Un­ter­richt er­brach­te eine Fülle von As­so­zia­tio­nen —

Bild­quel­le: Eine Samm­lung von Be­grif­fen im Un­ter­richt er­brach­te eine Fülle von As­so­zia­tio­nen von ZPG/PG Fach [CC BY-NC-ND 3.0 DE], aus 4131_­su­e­t_81_f_er­mor­dun­g_aus­wer­tung.doc, be­ar­bei­tet

3. Das Ge­mäl­de ist stark von Hell-Dun­kel-Kon­tras­ten be­stimmt. Schau­platz ist eine große, präch­tig aus­ge­stal­te­te Halle mit Säu­len und Mo­sa­ik­fuß­bo­den. Das hells­te Licht fällt auf eine Grup­pe in weiße Togen ge­klei­de­ter Män­ner im Mit­tel­grund. Sie stre­cken Waf­fen in die Luft und wen­den sich zum Gehen. Neben ihnen und hin­ter ihnen sind durch die Säu­len und einen Tor­bo­gen flie­hen­de Per­so­nen er­kenn­bar. Im Vor­der­grund liegt, nicht im Zen­trum, son­dern am Rand des Bil­des, eine Per­son am Boden. Ihr Kopf ist von der blut­be­fleck­ten Toga ver­deckt. Ein Arm ist sicht­bar. Den lin­ken Bild­rand füllt, fast völ­lig im Schat­ten, eine mo­nu­men­ta­le Sta­tue. Am rech­ten Bild­rand sitzt ein ein­sa­mer Mann sin­nend auf der Sitz­bank. Über­all sind Zei­chen von has­ti­gem Auf­bruch und Flucht zu sehen: um­ge­stürz­te Möbel, Schrift­rol­len.

Der tote Mann ist Cae­sar, der zu Füßen der Pom­pei­us­sta­tue liegt. Sein um­ge­stürz­ter gol­de­ner Stuhl ist von einer nied­ri­gen Tri­bü­ne fast bis auf das Bo­den­ni­veau her­un­ter­ge­fal­len. Die be­waff­ne­te Grup­pe re­prä­sen­tiert die Mör­der. Eine Per­son ist her­vor­ge­ho­ben, da sie den Vor­der­grund bil­det. Die Flie­hen­den sind Se­na­to­ren, die in den An­schlags­plan nicht ein­ge­weiht waren. Der ein­sa­me Se­na­tor rechts könn­te Ci­ce­ro sein. - Die von Sue­ton ge­schil­der­te Szene lässt sich zum Teil in dem Ge­mäl­de wie­der­er­ken­nen, in den Ge­gen­stän­den und in den Per­so­nen und ihrem Ver­hal­ten.

4. Die Dol­che ste­hen für die Er­mor­dung Cae­sars, der Pil­leus für die Skla­ven­be­frei­ung.

Die Iden des März wer­den mit der Be­frei­ung von Skla­ven gleich­ge­setzt. Cae­sar ist so ein Skla­ven­hal­ter, die Skla­ven alle Bür­ger der res pu­bli­ca. Die Er­mor­dung Cae­sars wird von der Münze ge­fei­ert.

5. Diese Auf­ga­be ist sehr an­spruchs­voll. Es kommt auf die je­wei­li­ge Klas­se an, wie weit sie in selb­stän­di­ger Ar­beit aus­ge­führt wer­den kann. Eine ge­mein­sa­me Lek­tü­re kann not­wen­dig sein, zumal die Texte zum Ver­ständ­nis teil­wei­se er­läu­tert wer­den müs­sen.

5.1 Ci­ce­ro sieht in den Cae­s­ar­mör­dern Be­frei­er, die er in der Tra­di­ti­on der Ver­trei­bung der Kö­ni­ge stellt. Sie haben sich höchs­ten Ruhm er­wor­ben. Ci­ce­ros Aus­sa­ge gibt die in der Zeit der Re­pu­blik herr­schen­de Auf­fas­sung wie­der, dass Mon­ar­chie und Frei­heit nicht ver­ein­ba­re Ge­gen­sät­ze sind. Die Kö­ni­ge, be­son­ders Tar­qui­ni­us Su­per­bus, haben sich durch ty­ran­ni­sches Ver­hal­ten dis­qua­li­fi­ziert. Alles Kö­nig­li­che ist aus dem Staat ver­bannt. Die In­sti­tu­tio­nen der Re­pu­blik sind dar­auf hin aus­ge­rich­tet, Mon­ar­chie bzw. Macht­kon­zen­tra­ti­on zu ver­hin­dern (Kol­le­gia­li­tät, An­nui­tät). Cae­sar hatte diese Prin­zi­pi­en zer­stört, indem er die Dik­ta­tur zur Dau­er­ein­rich­tung mach­te. Seine Er­mor­dung war eine not­wen­di­ge Maß­nah­me.

5.2 Für An­to­ni­us ste­hen in die­sem Aus­schnitt mo­ra­li­sche Kri­te­ri­en im Vor­der­grund. Cae­sar hat größ­te Taten in Krie­gen voll­bracht, und das im In­ter­es­se und zum Wohl Roms. All das über­leb­te er. Keine über­ir­di­sche Macht hat sei­nen Tod her­bei­ge­führt. Er starb dort, wo er damit am we­nigs­ten zu rech­nen hatte, mit­ten im sa­kro­sank­ten Zen­trum Roms, in der Curia, von der Hand ver­trau­ter Per­so­nen. Diese scheu­ten nicht davor zu­rück, den Wohl­tä­ter Roms, zudem den pon­ti­fex ma­xi­mus, zu er­mor­den.

5.3 Dante stellt Bru­tus und Cas­si­us dem Ver­rä­ter Jesu, Judas Isch­a­rioth, gleich. Sie haben ihren Wohl­tä­ter ver­ra­ten, der diese von ihnen nie­mals er­war­ten konn­te. Zu­gleich wird Cae­sar neben Jesus ge­stellt, mit leich­ter Ab­stu­fung, da seine Mör­der nicht ganz so schlimm be­straft wer­den wie Judas, der mit dem Kopf im Maul Sa­tans steckt. Die Ver­ur­tei­lung des Cae­s­ar­mor­des ist mo­ra­lisch, viel­leicht auch theo­lo­gisch mo­ti­viert.

5.4 Goe­the be­män­gelt, dass die Cae­s­ar­mör­der die Ent­wick­lung der Ge­schich­te nicht ver­stan­den haben. Die po­li­ti­sche Lage hat sich ver­än­dert, die Re­pu­blik ist in ihrer alten Form nicht mehr le­bens­fä­hig. Cae­sar hat einen der Zeit an­ge­mes­se­nen, mo­der­nen Staat er­rich­tet. Der Mord ent­springt einer eng­stir­ni­gen Nost­al­gie, einem un­re­flek­tier­ten Fest­hal­ten an In­sti­tu­tio­nen, die sich über­lebt haben. Der Be­griff „ab­ge­schmackt“ ent­hält Kon­no­ta­tio­nen wie „ab­ge­nutzt“ wie ein leer ge­kau­ter Kau­gum­mi, „ver­ach­tens­wert“, „häss­lich“, „ver­ur­tei­lens­wert“.

5.5 Hegel un­ter­stellt den Cae­s­ar­mör­dern, die er für mo­ra­lisch hoch­ste­hen­de Per­so­nen hält, die Ver­ken­nung der wirk­li­chen Si­tua­ti­on. Sie haben Cae­sars Rolle in der Ge­schich­te nicht er­kannt, hal­ten ihn für ein Zu­fall­sphä­no­men. Sie dach­ten, mit dem Tod der Per­son Cae­sars würde der frü­he­re Zu­stand wie­der her­ge­stellt. Dass die ge­schicht­li­che Ent­wick­lung die Mon­ar­chie for­der­te, war ihnen nicht klar, und so ver­ur­sach­ten sie nur wei­te­re Bür­ger­krie­ge. - Die Re­fle­xi­on He­gels, der Cae­sar als Ver­kör­pe­rung des Welt­geis­tes sieht, über­steigt den Ho­ri­zont einer neun­ten Klas­se.

5.6 Der mo­der­ne His­to­ri­ker Karl Christ ana­ly­siert die Struk­tur der rö­mi­schen Ge­sell­schaft. Er be­tont, dass die Cae­s­ar­mör­der nicht, wie sie selbst dach­ten, die Frei­heit des ge­sam­ten Vol­kes her­stel­len woll­ten, son­dern nur die einer klei­nen Grup­pe, die der Se­nats­a­ris­to­kra­tie. Dies wäre auf Kos­ten aller an­de­ren Grup­pen und Schich­ten des Reichs ge­sche­hen. Daher blie­ben sie iso­liert und ohne ge­sell­schaft­li­chen Rück­halt.

 

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Wei­ter zu Sue­ton, div. Lul. 81-82: Die Iden des März – ko­lo­me­tri­scher Um­bruch