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Re­zen­si­on

Ro­traut Wal­den, Si­mo­ne Bor­rel­bach
Schu­len der Zu­kunft Ge­stal­tungs­vor­schlä­ge der Ar­chi­tek­tur­psy­cho­lo­gie
Hei­del­berg 2002, ISBN 3-89334-392-X


Waren die Ar­chi­tek­ten vor 25 Jah­ren noch der Mei­nung, dass ein Schul­ge­bäu­de kei­nen we­sent­li­chen Ein­fluss auf die Lehre und das Lern­ver­hal­ten der Schü­ler/innen hätte, so hat sich diese An­sicht in­zwi­schen ge­wan­delt. Die Ab­kehr von rein funk­tio­na­len Be­ton­bau­ten und zu klein di­men­sio­nier­ten Klas­sen­zim­mern ist über­fäl­lig, denn Un­ter­richts­räu­me und Schul­gän­ge müs­sen für va­ria­ble Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten offen sein und dar­über hin­aus soll­te Schu­le vor­wie­gend auch als ein Le­bens­raum für die Men­schen ver­stan­den wer­den und dies nicht erst bei den Über­le­gun­gen zur Ganz­ta­ges­schu­le.

Päd­ago­gen wuss­ten schon immer vom Wech­sel­spiel der Per­so­nen in ihrem Ver­hal­ten zu ihrer Um­welt. Wenn sich Schü­ler/innen und Leh­rer/innen mit dem Schul­ge­bäu­de, den Klas­sen­zim­mern und dem Schul­hof iden­ti­fi­zie­ren, weil sie an der Ge­stal­tung von Schu­le teil­ha­ben bzw. aus dem vor­han­de­nen Ge­bäu­de etwas ma­chen konn­ten und kön­nen, be­deu­tet das in der Regel die Ab­kehr von all­täg­li­cher Un­ter­richts­rou­ti­ne; Van­da­lis­mus kommt hier nicht mehr vor, denn Schü­ler, die ge­stal­ten, zer­stö­ren nicht. Wie dies von ge­stal­te­ten Ju­gend­häu­sern be­kannt ist, strah­len be­stimm­te Ge­bäu­de die Bot­schaft aus "ich bin mit viel Liebe von vie­len Hän­den ge­macht wor­den". Sol­che Häu­ser schüt­zen sich gleich­sam selbst, so die Aus­sa­ge von P. Hüb­ner in sei­ner Ein­lei­tung. Päd­ago­gisch ge­stal­te­te Schul­häu­ser füh­ren zu mehr Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit, Um­welt­in­tel­li­genz und Krea­ti­vi­tät über die er­wei­ter­ten Mög­lich­kei­ten der me­tho­di­schen Un­ter­richts­ge­stal­tung hin­aus.

Das Buch ist in zwei Teile ge­glie­dert: in einen theo­re­ti­schen Teil mit einer Ge­schich­te des Schul­baus und ar­chi­tek­tur­psy­cho­lo­gi­schen Grund­la­gen und einem em­pi­ri­schen Teil mit In­ter­views zu aus­ge­wähl­ten Schu­len der Zu­kunft. Der erste Teil macht in Ka­pi­tel 2 deut­lich, wie die gel­ten­den Gü­te­kri­te­ri­en für den Bau an Schu­len sich ste­tig ver­än­dert haben und wie der Schul­haus­bau auch Spie­gel­bild un­se­rer Ge­sell­schaft ist. Ka­pi­tel 3 be­schäf­tigt sich mit dem Thema Schu­le der Zu­kunft. Dabei wer­den aus ar­chi­tek­to­ni­scher Sicht Farb- und Form­ge­stal­tung, Licht, Klima, Akus­tik u.a. be­spro­chen. Au­ßer­dem wer­den von den Au­to­rin­nen - R. Wal­den ist Ar­chi­tek­tur­psy­cho­lo­gin, S. Bor­rel­bach Grund­schul­leh­re­rin - Pro­zes­se und Be­dürf­nis­se be­schrie­ben, die mit den Phä­no­me­nen Enge und Dich­te, Pri­vat­heit, Kon­flik­te und Ag­gres­si­on von Schu­le als Be­geg­nungs­raum zu tun haben. Par­ti­zi­pa­ti­on und Selbst­ge­stal­tung, öko­lo­gi­sche Merk­ma­le in der Ma­te­ri­al­wahl im Innen- und Au­ßen­be­reich und Er­zie­hung zur öko­lo­gi­schen Ver­ant­wor­tung schlie­ßen sich an. In Ka­pi­tel 4 wer­den Be­ur­tei­lungs­kri­te­ri­en für den Schul­bau an­ge­führt. Die Fotos im An­hang zei­gen Viel­falt und künst­le­ri­sche Ge­stal­tun­gen im Außen- und In­nen­be­reich, über­zeu­gen zwar durch Äs­the­tik als ein Wert an sich, zei­gen aber nicht, wo in die­sen Schul­bau­ten die päd­ago­gi­schen Chan­cen lie­gen. Dar­auf müss­te ein Focus ge­setzt wer­den, wobei ein Ein­blick erst vor Ort ein ab­schlie­ßen­des Ur­teil er­mög­li­chen würde, das kön­nen Schrift und Bild al­lein nicht bie­ten.

In den Ka­pi­teln wird vor­wie­gend die Sicht­wei­se des Ar­chi­tek­ten be­schrie­ben, wobei es sich in Tei­len auch um Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten oder gar um pla­ka­ti­ve All­ge­mein­hei­ten, in an­de­ren um in­ter­es­san­tes De­tail­wis­sen han­delt. Die Viel­falt der Be­din­gun­gen und der beim Bau eines Schul­hau­ses zu be­rück­sich­ti­gen­den Fak­to­ren wer­den hin­läng­lich be­schrie­ben und in Über­sich­ten Seite 110 ff zum Thema "Sche­ma zur Be­ur­tei­lung der kri­ti­schen bzw. po­si­ti­ven und der zu­kunfts­wei­sen­den As­pek­te von Schul­bau­ten" über­sicht­lich auf­ge­zeigt. Die päd­ago­gi­sche Sicht­wei­se zum Bei­spiel im Ka­pi­tel "Of­fe­ner Un­ter­richt" stellt keine di­rek­te Wech­sel­be­zie­hung zur Ar­chi­tek­tur her, die Wech­sel­wir­kung von Raum und Un­ter­richts­ge­sche­hen kommt nicht in das Blick­feld, kon­kre­te und ex­em­pla­ri­sche Bei­spie­le feh­len hier­zu.

Mit die­ser Ver­öf­fent­li­chung zur Ar­chi­tek­tur von Schu­len ist ein wich­ti­ger An­fang ge­macht wor­den, wei­te­re Bü­cher zum Thema soll­ten fol­gen. Als Le­ser­ziel­grup­pe sind Schul­be­hör­den, Leh­rer, El­tern und Schü­ler sowie Ar­chi­tek­ten an­ge­spro­chen.

Jörg Nä­de­lin, Aka­de­mie­re­fe­rent