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Re­zen­si­on

Mo­ni­ka Henn: Die Kunst des Auf­stiegs - Was Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen kenn­zeich­net.
Cam­pus Ver­lag, 2. Auf­la­ge 2009 


Was kenn­zeich­net Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen? Um diese Frage be­ant­wor­ten zu kön­nen, stützt sich Mo­ni­ka Henn auf Er­geb­nis­se ihrer em­pi­ri­schen Un­ter­su­chung. Be­fragt wur­den 125 Frau­en, je­weils eine Füh­rungs­kraft und eine Mit­ar­bei­te­rin. Un­ter­neh­mens­grün­de­rin­nen und -er­bin­nen wur­den bei den Aus­sa­gen we­ni­ger be­rück­sich­tigt, weil sie eine an­de­re Sicht­wei­se haben.

Das Buch glie­dert sich in die drei Teile "Frau­en und Füh­rung", "Stu­die zu Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen", "Er­kennt­nis­se und Schluss­fol­ge­run­gen".

Ziel­grup­pe des Bu­ches sind laut Mo­ni­ka Henn Frau­en, doch löst der Le­se­stoff auch Aha-Ef­fek­te bei Män­nern aus. Denn Un­ter­neh­men sind in Bezug auf Um­satz, Ge­winn, Mit­ar­bei­ter/in­nen­zu­frie­den­heit, In­no­va­ti­ons­kraft be­son­ders er­folg­reich, wenn die ge­sam­te Or­ga­ni­sa­ti­on eine na­he­zu pa­ri­tä­ti­sche Gen­der­mi­schung auf­weist.

Als wei­te­re Ar­gu­men­te für Frau­en­för­de­rung führt Henn an, dass Wirt­schaft und Ver­wal­tung wegen der de­mo­gra­fi­schen Ent­wick­lung hän­de­rin­gend nach qua­li­fi­zier­ten Ar­beits­kräf­ten su­chen. Des­halb gelte es das weib­li­che Po­ten­zi­al der deut­schen Be­völ­ke­rung am Ar­beits­le­ben und an Füh­rungs­po­si­tio­nen zu be­tei­li­gen - eine neue Be­grün­dung im Ver­gleich zu Wer­ken aus den 90er Jah­ren. Au­ßer­dem seien Un­ter­neh­men mit einer Gen­der­mi­schung in der Füh­rungs­eta­ge er­folg­rei­cher als rein männ­lich ge­führ­te Be­trie­be.

Auf­grund der Be­fra­gung von Ma­na­ge­rin­nen und ihren Mit­ar­bei­te­rin­nen kris­tal­li­siert die Au­to­rin si­gni­fi­kan­te Un­ter­schie­de zwi­schen den bei­den Grup­pen her­aus. Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen haben ein Wer­te­sys­tem, das den be­ruf­li­chen Er­folg, mess­bar am Ein­kom­men und an der er­reich­ten Füh­rungs­po­si­ti­on, prio­ri­siert. Dafür seien sie be­reit ihr Pri­vat­le­ben zu­rück­zu­stel­len. Für die Mit­ar­bei­te­rin­nen seien da­ge­gen ein er­füll­tes Fa­mi­li­en­le­ben und pri­va­te Kon­tak­te ganz wich­tig, dafür näh­men sie ein ge­rin­ge­res An­se­hen im Ar­beits­um­feld und ein ge­ring­fü­gi­ges Ein­kom­men in Kauf.

Davon aus­ge­hend lei­tet die Au­to­rin als Kar­rier­eh­in­der­nis­se für Frau­en ab:
- Fa­mi­liä­re Pha­sen, die zu lange die Prä­senz­zeit im Un­ter­neh­men un­ter­bre­chen, denn da­nach wird eine kar­rie­re­för­der­li­che In­te­gra­ti­on ins Un­ter­neh­men nach dem Motto "aus den Augen aus dem Sinn" un­denk­bar
- Schlech­te Kin­der­be­treu­ung
- Sche­re im Kopf, klas­si­sche Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Mann und Frau zu ak­zep­tie­ren
- Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen zu mei­den
- An den ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten zu zwei­feln, zu wenig Selbst­be­wusst­sein zu haben, sich selbst zu un­ter­schät­zen
- Be­ruf­li­ches Fort­kom­men nicht ein­zu­for­dern, dem Cin­de­rel­la-Prin­zip zu un­ter­lie­gen und dar­auf zu war­ten, dass ein Prinz kommt und einen wach küsst
- Nach Sym­pa­thie zu netz­wer­ken

Im Um­kehr­schluss sind kar­rie­re­för­der­lich:
- Kurze fa­mi­liä­re Pha­sen, ma­xi­mal 6 Mo­na­te nach der Ge­burt eines Kin­des
- Kin­der­be­treu­ung mit El­tern, Au-Pair-Mäd­chen, Ta­ges­mut­ter gut selbst zu or­ga­ni­sie­ren
- Einen Mann zu haben, der die Frau un­ter­stützt, ihr den Rü­cken frei hält, ak­zep­tiert, dass sie mehr ver­dient als er, also kein "Macho" ist
- Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen zu su­chen und sich durch­zu­set­zen
- Ver­trau­en in die ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten zu haben, diese auch an ent­schei­den­der Stel­le zu zei­gen und zu kom­mu­ni­zie­ren (Selbst­mar­ke­ting)
- Ei­gen­in­itia­ti­ve er­grei­fen, An­sprü­che für das be­ruf­li­che Fort­kom­men an­zu­mel­den als Ge­gen­ent­wurf zum Cin­de­rel­la-Prin­zip
- Stra­te­gisch zu netz­wer­ken (Die Funk­ti­on eines Men­schen und we­ni­ger dabei die Sym­pa­thie zu ihm im Blick zu haben)
- Sich einen Men­tor zu su­chen und Kon­takt auf­zu­neh­men

Die zeit­li­che In­ves­ti­ti­on in die Lek­tü­re lohnt sich, weil ei­ner­seits der Gen­de­ras­pekt zum Tra­gen kommt, an­de­rer­seits die Aus­füh­run­gen von Mo­ni­ka Henn em­pi­risch be­legt und von daher gut nach­zu­voll­zie­hen sind. Töne des ra­di­ka­len Fe­mi­nis­mus sind nicht zu fin­den. Denn ent­ge­gen der Er­war­tung, die der Titel her­auf­be­schwört, gibt es einen Ab­schnitt "Män­ner­för­de­rung", der ins­be­son­de­re von Un­ter­neh­men und der Ge­sell­schaft for­dert, fa­mi­li­en­be­ton­te Le­bens­ent­wür­fe von Män­nern zu ak­zep­tie­ren. Das un­ter­schei­det das Buch von äl­te­ren Ex­em­pla­ren zum Thema "Frau­en und Füh­rung". 

    Bi­an­ca Ma­ring  - Aka­de­mie­re­fe­ren­tin