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Rezension

Lee Nichol (Hrsg.): David Bohm, Der Dialog – Das offene Gespräch am Ende der Diskussion, 5. Auflage, Stuttgart 2008


Wer hat in Konferenzen nicht schon folgendes erlebt: Teilnehmende versuchen ihren Standpunkt in der Diskussion durchzusetzen und sind wenig bereit dem anderen zuzuhören. Positionen werden erbittert verteidigt.

Ein echter Dialog geht einen anderen Weg. Mit Dialog ist ein Durchdringen gemeint. Ein Durchdringen von unterschiedlichen herrschenden Annahmen, die in der Gruppe existieren. Wichtig ist, dass jeder in der Gruppe seine Annahmen wahrnimmt, die sein Denken lenken. Gleichzeitig bedeutet zuhören auch, dass jeder die Annahmen des anderen rezipiert.

Lee Nichol hat als Herausgeber zum Dialog verschiedene Essays und Vorträge von dem Naturwissenschaftler Bohm zusammengestellt.  
Bohm beschäftigt sich mit der Frage, wie ein echter Dialog zustande kommt, welche Chance, welches Risiko für die Gruppe besteht, wenn sie diese Gesprächsform in die Tat umsetzt.

Wenn sich eine Gruppe freiwillig zum Dialog trifft, so steht eine Tagesordnung nicht von vornherein fest. Vielmehr obliegt es der im Kreis sitzenden Menschen, sich auf ein Thema zu einigen. Dies ist ein Prozess der zur Verunsicherung und Frustration der beteiligten Menschen führen kann. Der Dialog braucht Zeit. Weiter muss den Menschen zu Beginn Raum gegeben werden über das Wesen des Dialogs zu sprechen, damit alle Beteiligten das gleiche Verständnis darüber haben. In der frühen Phase ist ein Dialogbegleiter sinnvoll, um der Gruppe Sicherheit zu geben. Ziel ist aber, dass die Gruppe in späteren Phasen ohne Dialogbegleiter auskommt, damit sie ihrem eigenen Kurs folgen kann. Lässt sich die Gruppe auf den Dialogprozess ein und trifft sie sich regelmäßig, so lässt die Macht gesellschaftlicher Konventionen auf Dauer gesehen nach. Subkulturelle Unterschiede in der Gruppe werden sichtbar. Für die weitere Entwicklung ist es wichtig, dass die Gruppenmitglieder sich diese Unterschiede bewusst machen. Denn jeder hat seine Annahmen, die auf die Gruppe einwirken. So lange diese Annahmen nicht bewusst sind, wird die Gruppe der fragmentarischen und selbstzerstörerischen Natur vieler Denkprozesse erliegen. Erst ein gegenseitiges Verstehen und Zuhören führt zu einer Annahme des anderen und zu einem Gefühl von Wärme und Gemeinschaft in der Gruppe. Beim Dialog ist es möglich, dass einer eine Idee äußert, der andere diese aufgreift und ein dritter sie weiterführt. Nach Bohm ist dieser Prozess ein gemeinsames fließendes Denken. Rückschläge sind natürlich inbegriffen.
Laut Bohm hat „zuhören“ im Dialog eine andere Qualität als die herkömmliche Feinfühligkeit gegenüber dem Gesprächspartner. Vielmehr geht es um die Identifikation des „Miss-Verstehens“ der artikulierten Absicht, die zu einer neuen Bedeutung der Absicht führen kann. Hegt ein Mensch in der Dialoggruppe einen Machtanspruch, so läuft dieser einer Kohärenz und Wahrheit zuwider. Deswegen soll gemäß Bohms Verständnis keiner der Beteiligten versuchen zu gewinnen, so wie es in einer Diskussion der Fall ist. Deutlich wird dies durch den Zusatz im Titel „Das offene Gespräch am Ende der Diskussion“.

Interessant ist das Werk für Schulleitungen und Lehrkräfte, um gelassen in Gruppengespräche zu gehen. Das Verständnis von Bohm bezüglich des Dialogs öffnet den Blick für Gruppenprozesse, verdeutlicht, warum in manchen Gruppengesprächen um Positionen gerungen wird und welche Haltung für ein konstruktives, gemeinsames Denken förderlich ist. 

     - Akademiereferentin