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Fachdidaktische Bemerkungen

Schreiben – einige Gedanken

Dieser Text versteht unter „Schreiben“ nicht das Schreiben im Rahmen von kurzen Übungen (Abschreiben, Notieren, Vervollständigen, etc.), sondern mitteilungsbezogenes Schreiben in freier oder formal gebundener Form.

Zitat aus „Fachdidaktik Englisch“ (Klett Verlag, 2006)

„Das generelle Ziel der systematischen Schulung der Schreibkompetenz liegt zum einen in der Freisetzung von Kreativität und Phantasie und zum anderen in einer möglichst genauen Beachtung des inhaltichen, sprachlichen, textsortenangemessenen und formalen Regelwerkes, letzteres auch mit Blick auf den effektiven, schriftlichen Gebrauch des englischen im späteren Berufsleben.“ (Seite 103)

Zitat aus „Englisch unterrichten“ (Cornelsen Verlag, 2012)

„Für die unterrichtliche Gestaltung der Schreibschulung lohnt sich ein Bick auf Untersuchungen zum Schreibprozess. Dieser stellt sich in kognitiven Modellen als komplexer Vorgang mit vielen Rückkopplungen dar. Am Anfang steht ein Schreibziel, das entsprechend organisiert, danach verschriftlicht und schließlich mehrmals überprüft und revidiert wird. Der dabei ständig agierende Kontrollmechanismus (monitor) steht jedoch nicht unter einem so großen Druck wie beim Sprechen und kann sich intensiver und formgeleiteter mit Sprache beschäftigen.“ (Seite 200)

Schreiben im Fremdsprachenunterricht kann verschiedene Funktionen erfüllen: es kann dem Spracherwerb dienen, es kann Mittel sein, die eigenen Gefühle, Meinungen, Reaktionen zum Ausdruck zu bringen, es kann gezielt vorbereiten auf das Berufsleben (z.B. letter of application). Für alle Funktionen gilt: eine echte Motivation für Schüler zu Schreiben ist nur dann gegeben, wenn sie inhaltlich etwas Substantielles und Bedeutungsvolles mitteilen möchten. Schreibaufträge, die lediglich die Einübung eines bestimmten Formates zum Ziel haben, sollten vermieden werden. Gleiches gilt für Schreibaufträge, die ausschließlich dem Einüben einer grammatischen Struktur dienen. Wir sollten unsere Schüler nur dann zum Schreiben auffordern, wenn wir ihnen ernsthaft die Möglichkeit geben, etwas Substantielles und Relevantes zu äußern. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, dann können wir Schreibaufträge nutzen für die Spracharbeit und für die Umsetzung formaler Vorgaben.

Das Plädoyer für von echten Inhalten ausgehende Schreibaufgaben steht in einem engen Zusammenhang mit der im Bildungsplan 2016 festgeschriebenen Stärkung der Wortschatzarbeit. Bei der freien, authentischen Sprachverwendung – beim Akt des Hörens, Sprechens, Lesens und Schreibens - wählen wir bedeutungstragende Einheiten aus und schaffen damit Verständnis oder Sinn. Es sind also in erster Linie Wörter und Kollokationen, die unser Sprachhandeln bestimmen. Diese Erkenntnis der Psycholinguistisk fasst Jan Hulstijn folgendermaßen zusammen:

In the context of L2 instruction, it is important to note two characteristics of speaking. The first one is the fact that speakers do not select an empty grammatical structure first, and subsequently fill its slots with lexical items. Speaking is primarily lexically driven. The key lexemes, which have been selected from the mental lexicon, are matched and arranged on the basis of their grammatical specification. In general, one could say that the lexicon comes first and grammar only second. (This is largely true as well for listening, reading, and writing.) The second characteristic to bear in mind is that the planning of utterances is a matter of parallel processing, running off automatically without the speaker’s conscious awareness. Only the actual articulation itself is largely a matter of serial processing, as speech sounds are articulated consecutively, not simultaneously.

(J.H. Hulstijn, Psycholinguistic perspectives on second language acquisition, in: J. Cummins & C. Davison, The international handbook on English language teaching, 2006, 701-713)

Rod Ellis schreibt zu diesem Thema:

Given that it is implicit knowledge that underlies the ability to communicate fluently and confidently in an L2, it is this type of knowledge that should be the ultimate goal of any instructional programme. [...] Irrespective of these different theoretical positions, there is consensus that learners need the opportunity to participate in communicative activity to develop implicit knowledge. Thus, communicative tasks need to play a central role in instruction directed at implicit knowledge.

(Rod Ellis, Principles of instructed language learning, 2004)

Bei Vivian Cook und David Singleton finden sich folgende Ausführungen:

A commonsense belief is that learning another language involves learning bits of the native grammar and gradually putting them together into a whole system: first the learner acquires the present tense, then the present continuous, and so on, until all the English tenses have been mastered, rather like a jigsaw puzzle in which all the bits gradually build up into a picture which is only complete when the last bit is in place. But grammar doesn’t work like that.

(Cook, Vivian; Singleton, David (2014). Key Topics in Second Language Acquisition (MM Textbooks) (Kindle Locations 16381641). Channel View Publications. Kindle Edition.)

Diese Äußerungen bilden den linguistischen Hintergrund für die im neuen Bildungsplan vorgenommene Schwerpunktsetzung. SchülerInnen sollen im Fremdsprachenunterricht ein großes Repertoire an themengebundenden und themenunabhängigen lexikalischen Einheiten erwerben, die bei der Sprachverwendung direkt abrufbar sind. Außerdem sollen sie implizites Wissen (implicit knowledge) im Bereich „Grammatik” entwickeln, das sie für eine flüssige Sprachverwendung benötigen. Explizites Sprachwissen kann – darauf deuten einige Ergebnisse hin – in implizites Wissen übergehen oder die Ausbildung von implizitem Wissen befördern und somit eine wichtige Rolle spielen auf dem Weg zu einer flüssigen Sprachverwendung. Entscheidend für die Entwicklung von implizitem Wissen ist die häufige Verwendung der Strukturen in kommunikativen Kontexten.

Schreiben eignet sich unter den Gegebenheiten des institutionellen Fremdsprachenunterrichts aus folgenden Gründen besonders gut für die Verwendung von „neuen” Wörtern und Kollokationen wie auch von Strukturen.

  • eine Textproduktion kann von der Lehrerin / vom Lehrer gezielt vorbereitet werden mit Blick auf die sprachlichen Ziele, z.B. durch Mustertexte, die Formulierungen und Strukturen enthalten, die die Schüler in ihren eigenen Texten selbst verwenden sollen, durch eine gezielte Wiederholung von grammatischen Strukturen wie if-clauses oder Fragestellung im simple past
  • die Schüler können den Schreibprozess – im Gegensatz zum Sprechakt – jederzeit unterbrechen und sich Zeit nehmen für die Auswahl von Wörtern oder Kollokationen sowie für die Herleitung einer Struktur; sie können sich hin- und herbewegen zwischen inhaltsgeleitetem und formbezogenem Schreiben
  • auch die Lehrerin / der Lehrer kann den Schreibprozess unterbrechen, seine Beobachtungen mitteilen und die Schüler zur Beachtung einer Regel oder zur Verwendung bestimmter Formulierungen anhalten
  • der Text kann – im Gegensatz zu einer mündlichen Äußerung – leicht einer Überprüfung und Überarbeitung unterzogen und daraufhin verbessert werden.
  • die Lehrerin / der Lehrer kann sich mit Hilfe der Texte einen Überblick über den Leistungsstand / Lernstand der Klasse verschaffen und Stärken und Schwächen diagnostizieren

 

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