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Diskurs über „naive-Energieträger“

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Der ganze Diskurs beginnt mit einer Hausaufgabe, die Chris aus dem Physikunterricht nach Hause bringt: Erkläre die Energieumwandlung bei einem Wasserkraftwerk .

  1. Chris findet im Internet folgende Deutung: Am unteren Ende des Fallrohres steht der hydrostatische Druck p = E/V zur Verfügung. Die Turbine wandelt diese mechanische Energie in Rotationsenergie um. Der Generator wandelt dann die Rotationsenergie in elektrische Energie um ... Chris ist verwirrt: WIE kann die Energie im Druck stecken ... Aus ihrem Unterricht kennt Chris nur die Druckdefinition p = F/A.
  2. Chris findet an anderer Stelle: Im Stausee und im Fallrohr baut sich ein von oben nach unten wachsender hydrostatischer Druck auf. Vor der Turbine - also am unteren Ende des Fallrohres - ist dieser hydrostatische Druck am größten. Vor der Turbine haben wir also den hydrostatischen Druck pH durch die Wassersäule im Fallrohr, hinter der Turbine herrscht so gut wie kein Druck. Diese Druckdifferenz p = p H führt zu einem Wasserstrom, der die Turbine antreibt ... Chris findet diese Erklärung einleuchtend. Aus Gesprächen mit ihrem Bruder und ihrem Vater kennt sie das Strom-Antriebs-Widerstandskonzept.
  3. Patrick, ihr Bruder, will ihr helfen und findet in einem Schulbuch folgenden Text:
    Im Modellkraftwerk fließt Wasser aus dem hochgestellten Vorratsgefäß auf die Turbine. Diese wird in Drehung versetzt ... Die Ursache für die Drehung des Wasserrades ist die Bewegungsenergie des fließenden Wassers; diese war vorher als Lageenergie im hochgehobenen Wasser des Vorratsgefäßes gespeichert. Die Lageenergie des Wassers nützt also erst etwas, wenn sie zum Wasserrad gelangt.
    Er versteht diesen Satz nicht, denn er suggeriert, dass die Energie zunächst als Lage- dann als Bewegungsenergie IM Wasser steckt.
    • Ist die Lageenergie wirklich IM Wasser gespeichert? Das Wasser besitzt eine Masse, es hat eine bestimmte Dichte - steckt die Lageenergie in diesem Sinne IM Wasser? Muss man hier nicht das System Wasser|Planet bzw. Gravitationsfeld betrachten?
    • Wird bei einem Wasserkraftwerk die Lageenergie direkt in Bewegungsenergie umgewandelt? Fällt das Wasser im Fallrohr wie beim freien Fall nach unten und wandelt sich dabei Lageenergie in Bewegungsenergie um? Wenn das so wäre, müsste dann die Wassersäule im Fallrohr nicht ebenso auseinander reißen wie der Wasserstrahl an einem Wasserhahn?
  4. Chris denkt darüber nach, wie die Lageenergie letztendlich zur Turbine gelangt. Ist die Energie gewissermaßen in einem Zwischenschritt IM Wasser gespeichert ... ODER geht sie direkt vom Gravitationsfeld in die Turbine über ... das kann ja wohl auch nicht sein.
  5. Patrick hat seine Bedenken, denn Wasser ist so gut wie kaum kompressibel. In einem Hochschulbuch aus dem Regal seines Vaters findet er folgende Zusammenhänge: Die Volumenänderung ΔV ist direkt proportional zum Ausgangsvolumen V (mit Δp = konst.) und zur Druckänderung Δp (mit V = konst.). Diese Proportionalitäten kann man zusammenfassen: ΔV ∼ V⋅Δp. Mit dem Proportionalitätsfaktor k (Kompressibilität) ergibt sich folgender Zusammenhang: ΔV = -k⋅V⋅Δp; bei Wasser wird dort für k der Wert k = 5⋅10 -10  m 2 /N angegeben. Mit diesem Hintergrund behauptet Patrick, dass man Wasser so gut wie nicht zusammendrücken kann. Wenn man das Wasser in einem 890m langen Fallrohr im Wasserkraftwerk von Bavona (Schweiz) aber so gut wie nicht zusammendrücken kann, dann kann die Energie, die an den Turbinen als Rotationsenergie auftritt, nicht vor der Turbine in dem Wasser stecken.
  6. Chris sieht die Argumente ein ... denkt nach ... und kommt zu folgender Schlussfolgerung: Es gilt doch die Formel ΔE = F⋅ Δs; daraus kann ich mit F = p⋅A folgende Gleichung gewinnen: ΔE = p⋅ΔV. Diese Formel findet sie auch in dem Hochschulbuch. Wenn ich also einen Behälter habe, dessen Inhalt mir unbekannt ist ... der aber mit einem Kolben verschlossen ist, auf dessen Kolbenfläche A ich die Kraft F ausübe und den Kolben dabei um Δs verschiebe, dann habe ich die mechanische Energie ΔE = F⋅Δs in das System übertragen ... Diesen Vorgang kann ich aber auch so beschreiben: Ich habe die Kolbenfläche A durch den Druck p = F/A um Δs verschoben - das Volumen also um ΔV verkleinert - und dabei die mechanische Energie ΔE = p⋅ΔV in das System übertragen. Dabei ist es mir völlig egal, ob sich hinter dem Kolben Wasser oder Gas befindet - meine Argumentation ist doch völlig unabhängig von dem Stoff der sich hinter dem Kolben befindet.
  7. Patrick meint: Wenn Chris Recht hat, müsste die in das System übertragene mechanische Energie tatsächlich im System hinter dem Kolben stecken. In diesem Sinne kann man also auch behaupten, dass das komprimierte Wasser Energie enthält. Im Hochschulbuch findet er auch die passende Formel: Bei einer endlichen Drucksteigerung von p 1 auf p 2 liefert man an eine Flüssigkeit folgende Energie: E = -∫p⋅dV = k⋅V⋅∫p⋅dp = ½⋅k⋅V(p 2 2 -p 1 2 ) Diese mechanische Energie muss anschließend in der Flüssigkeit sein ... Also kann man doch sagen, dass die Flüssigkeit Energie speichert.
  8. Chris runzelt die Stirn und meint: Wenn Patrick Recht hat, könnte man das Volumen hinter dem Kolben auch mit einem massiven Eisenklotz füllen. Bei ihm können wir davon ausgehen, dass ΔV nun wirklich so gut wie Null ist - das würde aber bedeuten, dass man in einen Eisenklotz keine Energie durch Kompression übertragen kann.
  9. Patrick und Chris sind ratlos ... Man kann sich doch einen fließenden Übergang der Kompressibilität von Gasen (Größenordnung bei 1 bar k ≈ 1 m²/N) zu Flüssigkeiten (Größenordnung k ≈ 5⋅10 -10  m 2 /N) und Festkörpern (k ≈ 0) vorstellen ... Darf man also sagen, dass in allen Körpern durch Kompression mechanische Energie gespeichert sein kann?
  10. Chris macht sich Gedanken, wie diese mechanische Energie eigentlich überhaupt gespeichert werden kann? ... Wenn man Gas komprimiert, erhöht sich die Temperatur der Gase ... das merkt Chris bei jedem Aufpumpen ihres Fahrrad-Reifens. Aus einem Film kennt Chris das Experiment, dass man Eisen mit einem Hammer zur Rotglut hämmern kann ... Hämmern ist ja in einem gewissen Sinne auch eine Kompression des Eisenblocks. Wenn man Wasser komprimiert, erwartet sie, dass sich das Wasser auch erwärmen müsste.
  11. Patrick gibt ihr Recht und meint dann aber zögerlich: Das würde ja bedeuten, dass die mechanische Energie, die man durch das komprimieren von Wasser in das Wasser steckt , als Temperaturerhöhung auftritt... ABER so kann es bei einem Wasserkraftwerk ja nicht sein, denn die Wasserturbinen am Ende des Fallrohres werden ganz sicher nicht durch einen Temperaturunterschied angetrieben.
  12. Chris kommt einige Tage später und meint, dass ihre Überlegungen richtig und auch falsch sind. Denn wenn man ein bestimmtes Gasvolumen (z.B. 20 m 3 - bei 20° C) durch mechanische Energie auf ein ganz kleines Volumen komprimiert, dann erwärmt man das Gasvolumen. Nach einiger Zeit hat das komprimierte Gasvolumen aber wieder die Ausgangstemperatur von 20° C - d.h. alle Gasteilchen bewegen sich wieder mit der gleichen Bewegungsenergie wie vor der Komprimierung - sie haben also wieder die gleiche Energie wie vor der Komprimierung. Also kann man auch bei komprimierten Gasen nicht sagen, dass die Energie IM Gas steckt.
  13. Patrick ist überrascht - gibt Chris Recht - und löst das Problem der Pressluftflasche folgendermaßen: Eine Pressluftflasche besteht aus gleich schnellen aber auf engerem Raum zusammengepressten Luftteilchen. Der Überdruck am Ventil führt zu einer Beschleunigung der Luftteilchen an der Austrittsöffnung - die dazu notwendige Energie kommt aus dem Gasvolumen, das sich daher abkühlen muss. Diese Temperaturerniedrigung in der Flasche führt zu einem Entropiestrom aus der Umgebung (höhere Temperatur) in die Flasche (niedere Temperatur) - zusammen mit der Entropie strömt thermische Energie aus der Umgebung in die Flasche. Damit stimmt die Energiebilanz bzw. der Energieerhaltungssatz.
  14. Chris findet diese Erklärung schlüssig - sie fragt sich nur, ob sie auch zum Wassermodell passt?
  15. Chris macht den Vorschlag, einfach mal auszurechnen, welche Energiemengen in 1 m 3 Wasser und Gas stecken können. Chris berechnet die Energie, die in einem Wasservolumen von 1 m 3 am Ende des Fallrohres des Bavona-Wasserkraftwerks (890 m Höhendifferenz) steckt. Patrick berechnet die Energiemenge, die in 1 m 3 Luft (näherungsweise ideales Gas) steckt, das unter dem gleichen Druck stehen würde wie das Wasser am Ende des Fallrohres von Bavona.
  16. Christ rechnet folgendermaßen:
    1. Die Höhendifferenz von 890 m führt zu einem hydrostatischen Druck pH am Ende des Fallrohres von etwa p H  = 87 bar = 87⋅10 5  N/m 2 .
    2. Die Druckdifferenz setzt sie mit Δp= p H an. Sie geht davon aus, dass der Vorgang so langsam abläuft, dass die Temperatur dabei konstant bleibt.
    3. Die Kompressibilität nimmt sie aus einer Tabelle zu k = 5⋅10 -10  m 2 /N.
    4. Das Ausgangsvolumen ist V=1 m 3 .
    5. Damit ergibt sich aus |ΔV| = k⋅V⋅Δp der Wert: ΔV = 4⋅10 -3  m 3 also ΔV = 4 l.
    6. Aus der E = -∫p⋅dV = k⋅V⋅∫p⋅dp = ½⋅k⋅V(p 2 2 -p 1 2 ) berechnet sie die mechanische Energie zu 1,9⋅10 4  J = 19 kJ.
    Chris zweifelt ... kann das sein oder hat sie sich verrechnet?
  17. Patrick rechnet folgendermaßen:
    1. Die Höhendifferenz von 890 m führt zu einem hydrostatischen Druck pH am Ende des Fallrohres von etwa p H  = 87 bar = 87⋅10 5  N/m 2 .
    2. Er nimmt die Luft als näherungsweise ideales Gas an und berechnet das Aus-gangs-Volumen V 1 das notwendig wäre, damit unter dem Druck p H gerade etwa 1m 3 an Luftvolumen entsteht. Er geht davon aus, dass dieser Vorgang so langsam abläuft, dass die Temperatur dabei konstant bleibt → V 1 =87 m 3 wird durch den hydrostatischen Druck von 87 bar (entsprechend der Gasgleichung p 1 ⋅V 1  = p 2 ⋅V 2 ) auf 1 m 3 komprimiert.
    3. In der Hochschulliteratur findet Patrick für einen isothermen Prozess folgende Energie-Formel E = ν⋅R⋅T⋅ln(V 2 /V 1 ).
    4. Die Anzahl der mol ν bestimmt er aus ν = 87 m 3 /22,4 l zu 3,9⋅10 3  mol.
    5. Die allgemeine Gaskonstante R hat den Wert: 8,31 J/K/mol.
    6. Damit ergibt sich eine Energie von 6⋅10 8  J ≈ 600 MJ
    Patrick ist nun wirklich überrascht ... er muss sich wohl verrechnet haben?
  18. Patrick und Chris sind erstaunt und können jetzt die Schulbuchaussagen verstehen: Sie meinen, wenn wir beide richtig gerechnet haben, kann man in Flüssigkeiten wegen der geringen Kompressibilität wesentlich weniger Energie speichern als im gleichen Ausgangsvolumen an Gas.
  19. Chris meint: Will man also in Wasser eine große Energiemenge speichern, dann muss man schon eine ganze Menge an Wasser nehmen. ABER die Wasserkraftwerke haben doch eine gewaltige Größe und die Wassermengen, die dort Turbinen antreiben sind gigantisch ... wenig Energie pro m 3 bei vielen vielen m 3 pro Sekunde könnten die Energiestromstärke der Wasserkraftwerke erklären ...?.
  20. Patrick schlägt in seinen Unterlagen über das Bavona-Kraftwerk in der Schweiz nach und findet bei einer Fallrohrlänge von 890 m eine Wasserstromstärke von 18 000 l/s - also 18 m ³ pro Sekunde. Wenn die Rechnung von Chris richtig ist, dass man bei 87 bar Wasserdruck pro m 3 eine Energie von 18 kJ speichern kann, dann kann man in 18 m 3 Wasser die Energiemenge von 3,2⋅10 5  J speichern. Also könnte man über diesen Kompressionseffekt nur einen Energiestrom von 0,32 MW realisieren. In den Unterlagen findet er für das Kraftwerk eine Leistung von 137 MW - also 137 MJ pro Sekunde ... das ist schon eine ganze Menge mehr ... Patrick zieht daraus definitiv den Schluss, dass die Energie am Ende des Fallrohres nicht IM Wasser in dem Sinne gespeichert sein kann, dass das Wasser zusammengedrückt ist.
  21. Chris unterstützt Patrick in seiner Meinung. Denn sie überlegt, dass der hydrostatische Druck nur dann am Ende des Fallrohres auftritt, wenn ein Gravitationsfeld vorhanden ist. Würde man das Gravitationsfeld abschalten, würde der hydrostatische Druck verschwinden und die Turbinen stehen bleiben. Also meint sie, die Energie steckt zunächst im Gravitationsfeld und nicht IM Wasser und wird dann in der Turbine in Rotationsenergie umgewandelt.
  22. Patrick ist immer noch skeptisch und denkt sich folgendes Gedankenexperiment aus. Er nimmt das Ende des Fallrohres (natürlich nur in Gedanken) und zieht 1m vor dem Auslauf in Gedanken eine Stahlwand so ein, dass der Druck in dem letzten Meter des Fallrohres 87 bar beträgt ... die Stahlwand ersetzt also gewissermaßen die Wassersäule. An der Turbine ändert sich aber nichts, denn der Druck beträgt immer noch 87 bar ... In diesem Gedankenexperiment kann die Energie nicht im Gravitationsfeld stecken - sie muss also im letzten Fallrohr-Meter stecken ...
  23. Chris meint, diese Argumente widersprechen aber massiv der vorigen Abschätzung ... an diesem Gedankenexperiment muss wohl etwas falsch sein. Durch die Stahlwand wird aus dem dynamischen Vorgang (Wasserströmung) ein statischer Vorgang ... UND daher kommt dieser Widerspruch. Also müssen wir wohl den Energietransport in der Wasserströmung sehen ... Nicht das komprimierte Wasser transportiert die Energie, sondern die Wasserströmung ...?
  24. Chris ergänzt nach einigem Überlegen: Das Gedankenexperiment von Patrick erinnert mich stark an die Darstellungen zu Batterien aus der E-lehre . In vielen Büchern steht, dass am Pluspol viele positive Ladungen und am Minuspol viele negative Ladungen sitzen. Dieses Physikmärchen ist aber völlig falsch - denn die Kapazität der Anschlusspole einer Batterie ist so ungeheuer klein, dass die Ladung, die in dieser extrem kleinen Kapazität sitzt, viele Größenordnungen kleiner ist als die Ladung, die in einem elektrischen Stromkreis transportiert wird. Die Energie, die von der Batterie zur Glühlampe fließt, kommt aus einer chemischen Reaktion, die aber nicht auf Vorrat abläuft und die nicht auf Vorrat die elektrischen Ladungen auf den Polen anhäuft bzw. speichert . Die chemische Reaktion führt zu einer Ladungstrennung, die bei geöffnetem Stromkreis und den kleinen Anschlusskapazitäten schon mit einer relativ kleinen Ladungsmenge ein elektrisches Feld aufbauen kann, das die chemische Reaktion wieder stoppt. Erst wenn der Stromkreis geschlossen wird, läuft die chemische Reaktion ständig ab.

    Man könnte analog zur elektrischen Kapazität (gemessen in Farad) eine analoge Größe - eine hydraulische Kapazität definieren:

    Antrieb Potenzialdifferenz ΔΦ
    Spannung U
    Druckdifferenz Δp
    Mengenhafte Größe elektrische Ladung ΔQ Wassermenge ΔV
    Kapazität C E  = ΔQ/ΔΦ C V  = ΔV/Δp

    Setzt man in dieses C V die Formel für die Kompressibilität (siehe vorne: ΔV = -k⋅V⋅Δp) erhält man: C V  = k⋅V. Das heißt kaum kompressible Flüssigkeiten haben eine kleine Kapazität. Und weil E = ½⋅C V p 2 gilt, kann man in kaum kompressiblen Flüssigkeiten, mit kleinen Kapazitäten auch nur eine geringe Energiemenge pro m 3 im Wasser speichern. Erst wenn ständig Energie nachgeliefert wird - also wenn es sich um einen Wasserstrom handelt - wird die Energiemenge transportiert, die man bei einem Wasserkraftwerk erwarten kann.

  25. Patrick überlegt, welche Vorstellungen eigentlich hinter der Energieübertragung stecken .... Er verfolgt ein Wasserpaket (1m 3 ), das über einen kleinen Bach in 890 m Höhe über der Turbine in den Stausee fließt. Im Gravitationsfeld hat dieses Wasserpaket eine bestimmte Lageenergie (eigentlich steckt sie ja im Gravitationsfeld). Dieses Wasserpaket erfährt eine Gravitationskraft von 10 000 N. Auf dem Weg von der Wasseroberfläche zum Ende des Fallrohres (890 m senkrechter Fallweg) entspricht das eine Energie pro m 3 von E/m 3  = 10 000 N⋅890 m / m 3  = 8,9⋅10 6  J/m 3 . Bei einer Wasserstromstärke von 18 m 3 /s bedeutet das eine Energiestromstärke von P = 160 MW ... und bei einer elektrischen Leistung von 137 MW berechnet Patrick für das Bavona-Kraftwerk einen Wirkungsgrad von η = 85% ... das klingt gut ...
  26. Chris rechnet diesen Gedankengang allgemein durch: P = ΔE /Δt; mit ΔE = FS⋅h und F S  = Δm⋅g und Δm = ρ⋅ΔV ergibt sich → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  27. Patrick findet an anderer Stelle folgende Abschätzung: P = ΔE/Δt; mit ΔE = p⋅ΔV und p = ρ⋅g⋅h ergibt sich: → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt mit dem gleichen Ergebnis wie Chris.
  28. Chris kontert mit folgender Abschätzung: Bei einem Fallrohr mit dem Querschnitt A erfährt ein Stück Δs der Wassersäule im Fallrohr an der Austrittsstelle die beschleu-nigende Kraft F = p⋅A. Mit p = ρ⋅g⋅h gilt für die Energiestromstärke des Wassers nach dem Austritt aus dem Fallrohr folgende Abschätzung: P = F⋅v. Setzt man die obigen Größengleichung ein, ergibt sich: → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  29. Patrick meint, mit Bilanzierungen über den Energieerhaltungssatz ist er immer gut gefahren und rechnet: Energie an der Turbine = η⋅Lageenergie im Stausee und kommt ebenfalls auf die Abschätzung (mit E = m⋅g⋅h und m = V ρ) → P Turbine = η⋅ ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  30. Chris stöbert im Internet unter Wikipedia folgende Abschätzung für ein Wasserkraftwerk auf: Die Leistung P ist abhängig vom Wasserdurchfluss Q und der Fallhöhe h sowie von den Wirkungsgraden η des Zulaufs, der Wasserturbine, des Getriebes und des Generators. Die näherungsweise Berechnung (g⋅ρ⋅η = 7kN/m 3 ) liefert:
    P[kW] = Q [m 3 /s] h [m] 7 [kN/m 3 ]
    Sie stellt die Formel so um, wie sie das aus dem Physikunterricht gewohnt ist; hierbei schreibt sie statt Wasserzufluss Q den Quotient ΔV/Δt
    → P = η⋅ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
    Chris fällt auf, dass sie dieses Ergebnis schon bei einer früheren Abschätzung herausbekommen hat, wenn sie den Wirkungsgrad η der Anlage berücksichtigt.
  31. Chris und Patrick sind sich sicher, dass sie bzgl. der Abschätzung der Leistung eines Wasserkraftwerks wohl die richtige Formel gefunden haben. Aber wie steht's mit der Aussage, dass die Energie IM Wasser gespeichert ist? In einem letzten Anlauf finden sie in einem Schulbuch 1 folgende Darstellung:
    ... Die hydraulisch transportierte Energie. In den Verbindungsröhren von kommunizierenden Gefäßen strömt Flüssigkeit ausschließlich vom hohen zum tiefen Druck. Dabei wird Energie freigesetzt und Wärme produziert. Der Druck legt fest, wie viel Energie eine bestimmte Menge Flüssigkeit mitnimmt; er entscheidet, wie stark der zugeordnete Energiestrom ist: I W, hyd  = p⋅I V Gibt man den Druck in Pascal an, wird dem Energiestrom die Einheit Watt zugewiesen. Ein Pascal entspricht demnach einer Wattsekunde pro Kubikmeter. Bei einem Druck von einem Pascal nimmt somit jeder Kubikmeter Flüssigkeit eine Energie von einer Wattsekunde mit ...
  32. Jetzt sind Chris und Patrick zufrieden und auch wieder nicht. Zufrieden, denn auch diese Quelle liefert die Abschätzungsformel, die sie selbst entwickelt und an verschiedenen Stellen gefunden haben - ABER unzufrieden, denn aus dem obigen Text könnte man entnehmen, dass die Energie in einem gewissen Sinne IM Wasser gespeichert ist ... aber nur in einer Wasserströmung ... in dem Sinne gespeichert, dass die Wasserströmung die Energie transportiert ... aber nicht in dem Sinne, dass die Energie IM komprimierten Wasser steckt ... ALSO Vorsicht vor einem naiven Trägermodell ...
  33. Chris erinnert sich, dass sie über solch ein Trägerproblem schon bei der E-Lehre gestolpert ist. Auch dort fließt zusammen mit elektrischer Ladung elektrische Energie ... ABER auch dort war Vorsicht vor einem naiven Trägermodell angezeigt. Dort wurde im Physikunterricht die Rechte-Hand-Regel des Energietransportes behandelt (... Daumen → E-Feld | Zeigefinger → B-Feld | Mittelfinger → Energiestromrichtung ...).


1 Quelle: Physik; Sauerländer; ISBN 3-7941-4422-8

 

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