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Dis­kurs über „naive-En­er­gie­trä­ger“

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Der ganze Dis­kurs be­ginnt mit einer Haus­auf­ga­be, die Chris aus dem Phy­sik­un­ter­richt nach Hause bringt: Er­klä­re die En­er­gie­um­wand­lung bei einem Was­ser­kraft­werk .

  1. Chris fin­det im In­ter­net fol­gen­de Deu­tung: Am un­te­ren Ende des Fall­roh­res steht der hy­dro­sta­ti­sche Druck p = E/V zur Ver­fü­gung. Die Tur­bi­ne wan­delt diese me­cha­ni­sche En­er­gie in Ro­ta­ti­ons­ener­gie um. Der Ge­ne­ra­tor wan­delt dann die Ro­ta­ti­ons­ener­gie in elek­tri­sche En­er­gie um ... Chris ist ver­wirrt: WIE kann die En­er­gie im Druck ste­cken ... Aus ihrem Un­ter­richt kennt Chris nur die Druck­de­fi­ni­ti­on p = F/A.
  2. Chris fin­det an an­de­rer Stel­le: Im Stau­see und im Fall­rohr baut sich ein von oben nach unten wach­sen­der hy­dro­sta­ti­scher Druck auf. Vor der Tur­bi­ne - also am un­te­ren Ende des Fall­roh­res - ist die­ser hy­dro­sta­ti­sche Druck am größ­ten. Vor der Tur­bi­ne haben wir also den hy­dro­sta­ti­schen Druck pH durch die Was­ser­säu­le im Fall­rohr, hin­ter der Tur­bi­ne herrscht so gut wie kein Druck. Diese Druck­dif­fe­renz p = p H führt zu einem Was­ser­strom, der die Tur­bi­ne an­treibt ... Chris fin­det diese Er­klä­rung ein­leuch­tend. Aus Ge­sprä­chen mit ihrem Bru­der und ihrem Vater kennt sie das Strom-An­triebs-Wi­der­stands­kon­zept.
  3. Pa­trick, ihr Bru­der, will ihr hel­fen und fin­det in einem Schul­buch fol­gen­den Text:
    Im Mo­dell­kraft­werk fließt Was­ser aus dem hoch­ge­stell­ten Vor­rats­ge­fäß auf die Tur­bi­ne. Diese wird in Dre­hung ver­setzt ... Die Ur­sa­che für die Dre­hung des Was­ser­ra­des ist die Be­we­gungs­en­er­gie des flie­ßen­den Was­sers; diese war vor­her als La­ge­ener­gie im hoch­ge­ho­be­nen Was­ser des Vor­rats­ge­fä­ßes ge­spei­chert. Die La­ge­ener­gie des Was­sers nützt also erst etwas, wenn sie zum Was­ser­rad ge­langt.
    Er ver­steht die­sen Satz nicht, denn er sug­ge­riert, dass die En­er­gie zu­nächst als Lage- dann als Be­we­gungs­en­er­gie IM Was­ser steckt.
    • Ist die La­ge­ener­gie wirk­lich IM Was­ser ge­spei­chert? Das Was­ser be­sitzt eine Masse, es hat eine be­stimm­te Dich­te - steckt die La­ge­ener­gie in die­sem Sinne IM Was­ser? Muss man hier nicht das Sys­tem Was­ser|Pla­net bzw. Gra­vi­ta­ti­ons­feld be­trach­ten?
    • Wird bei einem Was­ser­kraft­werk die La­ge­ener­gie di­rekt in Be­we­gungs­en­er­gie um­ge­wan­delt? Fällt das Was­ser im Fall­rohr wie beim frei­en Fall nach unten und wan­delt sich dabei La­ge­ener­gie in Be­we­gungs­en­er­gie um? Wenn das so wäre, müss­te dann die Was­ser­säu­le im Fall­rohr nicht eben­so aus­ein­an­der rei­ßen wie der Was­ser­strahl an einem Was­ser­hahn?
  4. Chris denkt dar­über nach, wie die La­ge­ener­gie letzt­end­lich zur Tur­bi­ne ge­langt. Ist die En­er­gie ge­wis­ser­ma­ßen in einem Zwi­schen­schritt IM Was­ser ge­spei­chert ... ODER geht sie di­rekt vom Gra­vi­ta­ti­ons­feld in die Tur­bi­ne über ... das kann ja wohl auch nicht sein.
  5. Pa­trick hat seine Be­den­ken, denn Was­ser ist so gut wie kaum kom­pres­si­bel. In einem Hoch­schul­buch aus dem Regal sei­nes Va­ters fin­det er fol­gen­de Zu­sam­men­hän­ge: Die Vo­lu­men­än­de­rung ΔV ist di­rekt pro­por­tio­nal zum Aus­gangs­vo­lu­men V (mit Δp = konst.) und zur Druck­än­de­rung Δp (mit V = konst.). Diese Pro­por­tio­na­li­tä­ten kann man zu­sam­men­fas­sen: ΔV ∼ V⋅Δp. Mit dem Pro­por­tio­na­li­täts­fak­tor k (Kom­pres­si­bi­li­tät) er­gibt sich fol­gen­der Zu­sam­men­hang: ΔV = -k⋅V⋅Δp; bei Was­ser wird dort für k der Wert k = 5⋅10 -10  m 2 /N an­ge­ge­ben. Mit die­sem Hin­ter­grund be­haup­tet Pa­trick, dass man Was­ser so gut wie nicht zu­sam­men­drü­cken kann. Wenn man das Was­ser in einem 890m lan­gen Fall­rohr im Was­ser­kraft­werk von Ba­vo­na (Schweiz) aber so gut wie nicht zu­sam­men­drü­cken kann, dann kann die En­er­gie, die an den Tur­bi­nen als Ro­ta­ti­ons­ener­gie auf­tritt, nicht vor der Tur­bi­ne in dem Was­ser ste­cken.
  6. Chris sieht die Ar­gu­men­te ein ... denkt nach ... und kommt zu fol­gen­der Schluss­fol­ge­rung: Es gilt doch die For­mel ΔE = F⋅ Δs; dar­aus kann ich mit F = p⋅A fol­gen­de Glei­chung ge­win­nen: ΔE = p⋅ΔV. Diese For­mel fin­det sie auch in dem Hoch­schul­buch. Wenn ich also einen Be­häl­ter habe, des­sen In­halt mir un­be­kannt ist ... der aber mit einem Kol­ben ver­schlos­sen ist, auf des­sen Kol­ben­flä­che A ich die Kraft F aus­übe und den Kol­ben dabei um Δs ver­schie­be, dann habe ich die me­cha­ni­sche En­er­gie ΔE = F⋅Δs in das Sys­tem über­tra­gen ... Die­sen Vor­gang kann ich aber auch so be­schrei­ben: Ich habe die Kol­ben­flä­che A durch den Druck p = F/A um Δs ver­scho­ben - das Vo­lu­men also um ΔV ver­klei­nert - und dabei die me­cha­ni­sche En­er­gie ΔE = p⋅ΔV in das Sys­tem über­tra­gen. Dabei ist es mir völ­lig egal, ob sich hin­ter dem Kol­ben Was­ser oder Gas be­fin­det - meine Ar­gu­men­ta­ti­on ist doch völ­lig un­ab­hän­gig von dem Stoff der sich hin­ter dem Kol­ben be­fin­det.
  7. Pa­trick meint: Wenn Chris Recht hat, müss­te die in das Sys­tem über­tra­ge­ne me­cha­ni­sche En­er­gie tat­säch­lich im Sys­tem hin­ter dem Kol­ben ste­cken. In die­sem Sinne kann man also auch be­haup­ten, dass das kom­pri­mier­te Was­ser En­er­gie ent­hält. Im Hoch­schul­buch fin­det er auch die pas­sen­de For­mel: Bei einer end­li­chen Druck­stei­ge­rung von p 1 auf p 2 lie­fert man an eine Flüs­sig­keit fol­gen­de En­er­gie: E = -∫p⋅dV = k⋅V⋅∫p⋅dp = ½⋅k⋅V(p 2 2 -p 1 2 ) Diese me­cha­ni­sche En­er­gie muss an­schlie­ßend in der Flüs­sig­keit sein ... Also kann man doch sagen, dass die Flüs­sig­keit En­er­gie spei­chert.
  8. Chris run­zelt die Stirn und meint: Wenn Pa­trick Recht hat, könn­te man das Vo­lu­men hin­ter dem Kol­ben auch mit einem mas­si­ven Ei­sen­klotz fül­len. Bei ihm kön­nen wir davon aus­ge­hen, dass ΔV nun wirk­lich so gut wie Null ist - das würde aber be­deu­ten, dass man in einen Ei­sen­klotz keine En­er­gie durch Kom­pres­si­on über­tra­gen kann.
  9. Pa­trick und Chris sind rat­los ... Man kann sich doch einen flie­ßen­den Über­gang der Kom­pres­si­bi­li­tät von Gasen (Grö­ßen­ord­nung bei 1 bar k ≈ 1 m²/N) zu Flüs­sig­kei­ten (Grö­ßen­ord­nung k ≈ 5⋅10 -10  m 2 /N) und Fest­kör­pern (k ≈ 0) vor­stel­len ... Darf man also sagen, dass in allen Kör­pern durch Kom­pres­si­on me­cha­ni­sche En­er­gie ge­spei­chert sein kann?
  10. Chris macht sich Ge­dan­ken, wie diese me­cha­ni­sche En­er­gie ei­gent­lich über­haupt ge­spei­chert wer­den kann? ... Wenn man Gas kom­pri­miert, er­höht sich die Tem­pe­ra­tur der Gase ... das merkt Chris bei jedem Auf­pum­pen ihres Fahr­rad-Rei­fens. Aus einem Film kennt Chris das Ex­pe­ri­ment, dass man Eisen mit einem Ham­mer zur Rotglut häm­mern kann ... Häm­mern ist ja in einem ge­wis­sen Sinne auch eine Kom­pres­si­on des Ei­sen­blocks. Wenn man Was­ser kom­pri­miert, er­war­tet sie, dass sich das Was­ser auch er­wär­men müss­te.
  11. Pa­trick gibt ihr Recht und meint dann aber zö­ger­lich: Das würde ja be­deu­ten, dass die me­cha­ni­sche En­er­gie, die man durch das kom­pri­mie­ren von Was­ser in das Was­ser steckt , als Tem­pe­ra­tur­er­hö­hung auf­tritt... ABER so kann es bei einem Was­ser­kraft­werk ja nicht sein, denn die Was­ser­tur­bi­nen am Ende des Fall­roh­res wer­den ganz si­cher nicht durch einen Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied an­ge­trie­ben.
  12. Chris kommt ei­ni­ge Tage spä­ter und meint, dass ihre Über­le­gun­gen rich­tig und auch falsch sind. Denn wenn man ein be­stimm­tes Gas­vo­lu­men (z.B. 20 m 3 - bei 20° C) durch me­cha­ni­sche En­er­gie auf ein ganz klei­nes Vo­lu­men kom­pri­miert, dann er­wärmt man das Gas­vo­lu­men. Nach ei­ni­ger Zeit hat das kom­pri­mier­te Gas­vo­lu­men aber wie­der die Aus­gangs­tem­pe­ra­tur von 20° C - d.h. alle Gas­teil­chen be­we­gen sich wie­der mit der glei­chen Be­we­gungs­en­er­gie wie vor der Kom­pri­mie­rung - sie haben also wie­der die glei­che En­er­gie wie vor der Kom­pri­mie­rung. Also kann man auch bei kom­pri­mier­ten Gasen nicht sagen, dass die En­er­gie IM Gas steckt.
  13. Pa­trick ist über­rascht - gibt Chris Recht - und löst das Pro­blem der Press­luft­fla­sche fol­gen­der­ma­ßen: Eine Press­luft­fla­sche be­steht aus gleich schnel­len aber auf en­ge­rem Raum zu­sam­men­ge­press­ten Luft­teil­chen. Der Über­druck am Ven­til führt zu einer Be­schleu­ni­gung der Luft­teil­chen an der Aus­tritts­öff­nung - die dazu not­wen­di­ge En­er­gie kommt aus dem Gas­vo­lu­men, das sich daher ab­küh­len muss. Diese Tem­pe­ra­tur­er­nied­ri­gung in der Fla­sche führt zu einem En­tro­pie­strom aus der Um­ge­bung (hö­he­re Tem­pe­ra­tur) in die Fla­sche (nie­de­re Tem­pe­ra­tur) - zu­sam­men mit der En­tro­pie strömt ther­mi­sche En­er­gie aus der Um­ge­bung in die Fla­sche. Damit stimmt die En­er­gie­bi­lanz bzw. der En­er­gie­er­hal­tungs­satz.
  14. Chris fin­det diese Er­klä­rung schlüs­sig - sie fragt sich nur, ob sie auch zum Was­ser­mo­dell passt?
  15. Chris macht den Vor­schlag, ein­fach mal aus­zu­rech­nen, wel­che En­er­gie­men­gen in 1 m 3 Was­ser und Gas ste­cken kön­nen. Chris be­rech­net die En­er­gie, die in einem Was­ser­vo­lu­men von 1 m 3 am Ende des Fall­roh­res des Ba­vo­na-Was­ser­kraft­werks (890 m Hö­hen­dif­fe­renz) steckt. Pa­trick be­rech­net die En­er­gie­men­ge, die in 1 m 3 Luft (nä­he­rungs­wei­se idea­les Gas) steckt, das unter dem glei­chen Druck ste­hen würde wie das Was­ser am Ende des Fall­roh­res von Ba­vo­na.
  16. Christ rech­net fol­gen­der­ma­ßen:
    1. Die Hö­hen­dif­fe­renz von 890 m führt zu einem hy­dro­sta­ti­schen Druck pH am Ende des Fall­roh­res von etwa p H  = 87 bar = 87⋅10 5  N/m 2 .
    2. Die Druck­dif­fe­renz setzt sie mit Δp= p H an. Sie geht davon aus, dass der Vor­gang so lang­sam ab­läuft, dass die Tem­pe­ra­tur dabei kon­stant bleibt.
    3. Die Kom­pres­si­bi­li­tät nimmt sie aus einer Ta­bel­le zu k = 5⋅10 -10  m 2 /N.
    4. Das Aus­gangs­vo­lu­men ist V=1 m 3 .
    5. Damit er­gibt sich aus |ΔV| = k⋅V⋅Δp der Wert: ΔV = 4⋅10 -3  m 3 also ΔV = 4 l.
    6. Aus der E = -∫p⋅dV = k⋅V⋅∫p⋅dp = ½⋅k⋅V(p 2 2 -p 1 2 ) be­rech­net sie die me­cha­ni­sche En­er­gie zu 1,9⋅10 4  J = 19 kJ.
    Chris zwei­felt ... kann das sein oder hat sie sich ver­rech­net?
  17. Pa­trick rech­net fol­gen­der­ma­ßen:
    1. Die Hö­hen­dif­fe­renz von 890 m führt zu einem hy­dro­sta­ti­schen Druck pH am Ende des Fall­roh­res von etwa p H  = 87 bar = 87⋅10 5  N/m 2 .
    2. Er nimmt die Luft als nä­he­rungs­wei­se idea­les Gas an und be­rech­net das Aus-gangs-Vo­lu­men V 1 das not­wen­dig wäre, damit unter dem Druck p H ge­ra­de etwa 1m 3 an Luft­vo­lu­men ent­steht. Er geht davon aus, dass die­ser Vor­gang so lang­sam ab­läuft, dass die Tem­pe­ra­tur dabei kon­stant bleibt → V 1 =87 m 3 wird durch den hy­dro­sta­ti­schen Druck von 87 bar (ent­spre­chend der Gas­glei­chung p 1 ⋅V 1  = p 2 ⋅V 2 ) auf 1 m 3 kom­pri­miert.
    3. In der Hoch­schul­li­te­ra­tur fin­det Pa­trick für einen iso­ther­men Pro­zess fol­gen­de En­er­gie-For­mel E = ν⋅R⋅T⋅ln(V 2 /V 1 ).
    4. Die An­zahl der mol ν be­stimmt er aus ν = 87 m 3 /22,4 l zu 3,9⋅10 3  mol.
    5. Die all­ge­mei­ne Gas­kon­stan­te R hat den Wert: 8,31 J/K/mol.
    6. Damit er­gibt sich eine En­er­gie von 6⋅10 8  J ≈ 600 MJ
    Pa­trick ist nun wirk­lich über­rascht ... er muss sich wohl ver­rech­net haben?
  18. Pa­trick und Chris sind er­staunt und kön­nen jetzt die Schul­buch­aus­sa­gen ver­ste­hen: Sie mei­nen, wenn wir beide rich­tig ge­rech­net haben, kann man in Flüs­sig­kei­ten wegen der ge­rin­gen Kom­pres­si­bi­li­tät we­sent­lich we­ni­ger En­er­gie spei­chern als im glei­chen Aus­gangs­vo­lu­men an Gas.
  19. Chris meint: Will man also in Was­ser eine große En­er­gie­men­ge spei­chern, dann muss man schon eine ganze Menge an Was­ser neh­men. ABER die Was­ser­kraft­wer­ke haben doch eine ge­wal­ti­ge Größe und die Was­ser­men­gen, die dort Tur­bi­nen an­trei­ben sind gi­gan­tisch ... wenig En­er­gie pro m 3 bei vie­len vie­len m 3 pro Se­kun­de könn­ten die En­er­gie­strom­stär­ke der Was­ser­kraft­wer­ke er­klä­ren ...?.
  20. Pa­trick schlägt in sei­nen Un­ter­la­gen über das Ba­vo­na-Kraft­werk in der Schweiz nach und fin­det bei einer Fall­rohr­län­ge von 890 m eine Was­ser­strom­stär­ke von 18 000 l/s - also 18 m ³ pro Se­kun­de. Wenn die Rech­nung von Chris rich­tig ist, dass man bei 87 bar Was­ser­druck pro m 3 eine En­er­gie von 18 kJ spei­chern kann, dann kann man in 18 m 3 Was­ser die En­er­gie­men­ge von 3,2⋅10 5  J spei­chern. Also könn­te man über die­sen Kom­pres­si­ons­ef­fekt nur einen En­er­gie­strom von 0,32 MW rea­li­sie­ren. In den Un­ter­la­gen fin­det er für das Kraft­werk eine Leis­tung von 137 MW - also 137 MJ pro Se­kun­de ... das ist schon eine ganze Menge mehr ... Pa­trick zieht dar­aus de­fi­ni­tiv den Schluss, dass die En­er­gie am Ende des Fall­roh­res nicht IM Was­ser in dem Sinne ge­spei­chert sein kann, dass das Was­ser zu­sam­men­ge­drückt ist.
  21. Chris un­ter­stützt Pa­trick in sei­ner Mei­nung. Denn sie über­legt, dass der hy­dro­sta­ti­sche Druck nur dann am Ende des Fall­roh­res auf­tritt, wenn ein Gra­vi­ta­ti­ons­feld vor­han­den ist. Würde man das Gra­vi­ta­ti­ons­feld ab­schal­ten, würde der hy­dro­sta­ti­sche Druck ver­schwin­den und die Tur­bi­nen ste­hen blei­ben. Also meint sie, die En­er­gie steckt zu­nächst im Gra­vi­ta­ti­ons­feld und nicht IM Was­ser und wird dann in der Tur­bi­ne in Ro­ta­ti­ons­ener­gie um­ge­wan­delt.
  22. Pa­trick ist immer noch skep­tisch und denkt sich fol­gen­des Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment aus. Er nimmt das Ende des Fall­roh­res (na­tür­lich nur in Ge­dan­ken) und zieht 1m vor dem Aus­lauf in Ge­dan­ken eine Stahl­wand so ein, dass der Druck in dem letz­ten Meter des Fall­roh­res 87 bar be­trägt ... die Stahl­wand er­setzt also ge­wis­ser­ma­ßen die Was­ser­säu­le. An der Tur­bi­ne än­dert sich aber nichts, denn der Druck be­trägt immer noch 87 bar ... In die­sem Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment kann die En­er­gie nicht im Gra­vi­ta­ti­ons­feld ste­cken - sie muss also im letz­ten Fall­rohr-Meter ste­cken ...
  23. Chris meint, diese Ar­gu­men­te wi­der­spre­chen aber mas­siv der vo­ri­gen Ab­schät­zung ... an die­sem Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment muss wohl etwas falsch sein. Durch die Stahl­wand wird aus dem dy­na­mi­schen Vor­gang (Was­ser­strö­mung) ein sta­ti­scher Vor­gang ... UND daher kommt die­ser Wi­der­spruch. Also müs­sen wir wohl den En­er­gie­trans­port in der Was­ser­strö­mung sehen ... Nicht das kom­pri­mier­te Was­ser trans­por­tiert die En­er­gie, son­dern die Was­ser­strö­mung ...?
  24. Chris er­gänzt nach ei­ni­gem Über­le­gen: Das Ge­dan­ken­ex­pe­ri­ment von Pa­trick er­in­nert mich stark an die Dar­stel­lun­gen zu Bat­te­ri­en aus der E-lehre . In vie­len Bü­chern steht, dass am Plus­pol viele po­si­ti­ve La­dun­gen und am Mi­nus­pol viele ne­ga­ti­ve La­dun­gen sit­zen. Die­ses Phy­sik­mär­chen ist aber völ­lig falsch - denn die Ka­pa­zi­tät der An­schluss­po­le einer Bat­te­rie ist so un­ge­heu­er klein, dass die La­dung, die in die­ser ex­trem klei­nen Ka­pa­zi­tät sitzt, viele Grö­ßen­ord­nun­gen klei­ner ist als die La­dung, die in einem elek­tri­schen Strom­kreis trans­por­tiert wird. Die En­er­gie, die von der Bat­te­rie zur Glüh­lam­pe fließt, kommt aus einer che­mi­schen Re­ak­ti­on, die aber nicht auf Vor­rat ab­läuft und die nicht auf Vor­rat die elek­tri­schen La­dun­gen auf den Polen an­häuft bzw. spei­chert . Die che­mi­sche Re­ak­ti­on führt zu einer La­dungs­t­ren­nung, die bei ge­öff­ne­tem Strom­kreis und den klei­nen An­schluss­ka­pa­zi­tä­ten schon mit einer re­la­tiv klei­nen La­dungs­men­ge ein elek­tri­sches Feld auf­bau­en kann, das die che­mi­sche Re­ak­ti­on wie­der stoppt. Erst wenn der Strom­kreis ge­schlos­sen wird, läuft die che­mi­sche Re­ak­ti­on stän­dig ab.

    Man könn­te ana­log zur elek­tri­schen Ka­pa­zi­tät (ge­mes­sen in Farad) eine ana­lo­ge Größe - eine hy­drau­li­sche Ka­pa­zi­tät de­fi­nie­ren:

    An­trieb Po­ten­zi­al­dif­fe­renz ΔΦ
    Span­nung U
    Druck­dif­fe­renz Δp
    Men­gen­haf­te Größe elek­tri­sche La­dung ΔQ Was­ser­men­ge ΔV
    Ka­pa­zi­tät C E  = ΔQ/ΔΦ C V  = ΔV/Δp

    Setzt man in die­ses C V die For­mel für die Kom­pres­si­bi­li­tät (siehe vorne: ΔV = -k⋅V⋅Δp) er­hält man: C V  = k⋅V. Das heißt kaum kom­pres­si­ble Flüs­sig­kei­ten haben eine klei­ne Ka­pa­zi­tät. Und weil E = ½⋅C V p 2 gilt, kann man in kaum kom­pres­si­blen Flüs­sig­kei­ten, mit klei­nen Ka­pa­zi­tä­ten auch nur eine ge­rin­ge En­er­gie­men­ge pro m 3 im Was­ser spei­chern. Erst wenn stän­dig En­er­gie nach­ge­lie­fert wird - also wenn es sich um einen Was­ser­strom han­delt - wird die En­er­gie­men­ge trans­por­tiert, die man bei einem Was­ser­kraft­werk er­war­ten kann.

  25. Pa­trick über­legt, wel­che Vor­stel­lun­gen ei­gent­lich hin­ter der En­er­gie­über­tra­gung ste­cken .... Er ver­folgt ein Was­ser­pa­ket (1m 3 ), das über einen klei­nen Bach in 890 m Höhe über der Tur­bi­ne in den Stau­see fließt. Im Gra­vi­ta­ti­ons­feld hat die­ses Was­ser­pa­ket eine be­stimm­te La­ge­ener­gie (ei­gent­lich steckt sie ja im Gra­vi­ta­ti­ons­feld). Die­ses Was­ser­pa­ket er­fährt eine Gra­vi­ta­ti­ons­kraft von 10 000 N. Auf dem Weg von der Was­ser­ober­flä­che zum Ende des Fall­roh­res (890 m senk­rech­ter Fall­weg) ent­spricht das eine En­er­gie pro m 3 von E/m 3  = 10 000 N⋅890 m / m 3  = 8,9⋅10 6  J/m 3 . Bei einer Was­ser­strom­stär­ke von 18 m 3 /s be­deu­tet das eine En­er­gie­strom­stär­ke von P = 160 MW ... und bei einer elek­tri­schen Leis­tung von 137 MW be­rech­net Pa­trick für das Ba­vo­na-Kraft­werk einen Wir­kungs­grad von η = 85% ... das klingt gut ...
  26. Chris rech­net die­sen Ge­dan­ken­gang all­ge­mein durch: P = ΔE /Δt; mit ΔE = FS⋅h und F S  = Δm⋅g und Δm = ρ⋅ΔV er­gibt sich → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  27. Pa­trick fin­det an an­de­rer Stel­le fol­gen­de Ab­schät­zung: P = ΔE/Δt; mit ΔE = p⋅ΔV und p = ρ⋅g⋅h er­gibt sich: → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt mit dem glei­chen Er­geb­nis wie Chris.
  28. Chris kon­tert mit fol­gen­der Ab­schät­zung: Bei einem Fall­rohr mit dem Quer­schnitt A er­fährt ein Stück Δs der Was­ser­säu­le im Fall­rohr an der Aus­tritts­stel­le die be­schleu-ni­gen­de Kraft F = p⋅A. Mit p = ρ⋅g⋅h gilt für die En­er­gie­strom­stär­ke des Was­sers nach dem Aus­tritt aus dem Fall­rohr fol­gen­de Ab­schät­zung: P = F⋅v. Setzt man die obi­gen Grö­ßen­glei­chung ein, er­gibt sich: → P = ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  29. Pa­trick meint, mit Bi­lan­zie­run­gen über den En­er­gie­er­hal­tungs­satz ist er immer gut ge­fah­ren und rech­net: En­er­gie an der Tur­bi­ne = η⋅La­ge­ener­gie im Stau­see und kommt eben­falls auf die Ab­schät­zung (mit E = m⋅g⋅h und m = V ρ) → P Turbine = η⋅ ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
  30. Chris stö­bert im In­ter­net unter Wi­ki­pe­dia fol­gen­de Ab­schät­zung für ein Was­ser­kraft­werk auf: Die Leis­tung P ist ab­hän­gig vom Was­ser­durch­fluss Q und der Fall­hö­he h sowie von den Wir­kungs­gra­den η des Zu­laufs, der Was­ser­tur­bi­ne, des Ge­trie­bes und des Ge­ne­ra­tors. Die nä­he­rungs­wei­se Be­rech­nung (g⋅ρ⋅η = 7kN/m 3 ) lie­fert:
    P[kW] = Q [m 3 /s] h [m] 7 [kN/m 3 ]
    Sie stellt die For­mel so um, wie sie das aus dem Phy­sik­un­ter­richt ge­wohnt ist; hier­bei schreibt sie statt Was­ser­zu­fluss Q den Quo­ti­ent ΔV/Δt
    → P = η⋅ρ⋅g⋅h⋅ΔV/Δt
    Chris fällt auf, dass sie die­ses Er­geb­nis schon bei einer frü­he­ren Ab­schät­zung her­aus­be­kom­men hat, wenn sie den Wir­kungs­grad η der An­la­ge be­rück­sich­tigt.
  31. Chris und Pa­trick sind sich si­cher, dass sie bzgl. der Ab­schät­zung der Leis­tung eines Was­ser­kraft­werks wohl die rich­ti­ge For­mel ge­fun­den haben. Aber wie steht's mit der Aus­sa­ge, dass die En­er­gie IM Was­ser ge­spei­chert ist? In einem letz­ten An­lauf fin­den sie in einem Schul­buch 1 fol­gen­de Dar­stel­lung:
    ... Die hy­drau­lisch trans­por­tier­te En­er­gie. In den Ver­bin­dungs­röh­ren von kom­mu­ni­zie­ren­den Ge­fä­ßen strömt Flüs­sig­keit aus­schließ­lich vom hohen zum tie­fen Druck. Dabei wird En­er­gie frei­ge­setzt und Wärme pro­du­ziert. Der Druck legt fest, wie viel En­er­gie eine be­stimm­te Menge Flüs­sig­keit mit­nimmt; er ent­schei­det, wie stark der zu­ge­ord­ne­te En­er­gie­strom ist: I W, hyd  = p⋅I V Gibt man den Druck in Pas­cal an, wird dem En­er­gie­strom die Ein­heit Watt zu­ge­wie­sen. Ein Pas­cal ent­spricht dem­nach einer Watt­se­kun­de pro Ku­bik­me­ter. Bei einem Druck von einem Pas­cal nimmt somit jeder Ku­bik­me­ter Flüs­sig­keit eine En­er­gie von einer Watt­se­kun­de mit ...
  32. Jetzt sind Chris und Pa­trick zu­frie­den und auch wie­der nicht. Zu­frie­den, denn auch diese Quel­le lie­fert die Ab­schät­zungs­for­mel, die sie selbst ent­wi­ckelt und an ver­schie­de­nen Stel­len ge­fun­den haben - ABER un­zu­frie­den, denn aus dem obi­gen Text könn­te man ent­neh­men, dass die En­er­gie in einem ge­wis­sen Sinne IM Was­ser ge­spei­chert ist ... aber nur in einer Was­ser­strö­mung ... in dem Sinne ge­spei­chert, dass die Was­ser­strö­mung die En­er­gie trans­por­tiert ... aber nicht in dem Sinne, dass die En­er­gie IM kom­pri­mier­ten Was­ser steckt ... ALSO Vor­sicht vor einem nai­ven Trä­ger­mo­dell ...
  33. Chris er­in­nert sich, dass sie über solch ein Trä­ger­pro­blem schon bei der E-Lehre ge­stol­pert ist. Auch dort fließt zu­sam­men mit elek­tri­scher La­dung elek­tri­sche En­er­gie ... ABER auch dort war Vor­sicht vor einem nai­ven Trä­ger­mo­dell an­ge­zeigt. Dort wurde im Phy­sik­un­ter­richt die Rech­te-Hand-Regel des En­er­gie­trans­por­tes be­han­delt (... Dau­men → E-Feld | Zei­ge­fin­ger → B-Feld | Mit­tel­fin­ger → En­er­gie­strom­rich­tung ...).


1 Quel­le: Phy­sik; Sau­er­län­der; ISBN 3-7941-4422-8

 

Dis­kurs über „naive-En­er­gie­trä­ger“:  Her­un­ter­la­den [pdf] [104 KB]