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Dia­log Fahr­rad am Hang

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Dia­log von Lisa und Tom Fahr­rad am Hang

(Die Schau­bil­der wur­den mit dem CAS-Rech­ner Voya­ge 200 von Texas In­stru­ments er­stellt.)

Vor­mit­tag
Tom: Schau mal, ich habe Eric ge­filmt, wie er mit dem Fahr­rad den Hang her­un­ter­rollt.
Lisa: Und was willst du damit?
Tom: Ich will das Ge­setz her­aus­fin­den, das für diese Be­we­gung gilt!
Lisa: Ah ja …
Tom: An Hand der Auf­nah­me kann ich sehr genau fest­stel­len, zu wel­chen Zeit­punk­ten Eric die Weg­mar­ken pas­sier­te. Hier siehst du das Zeit-Weg Dia­gramm. Ein Teil­strich auf der Recht­sach­se be­deu­tet 3 s, ein Teil­strich auf der Hoch­ach­se 10 m.

Zeit-Weg-Diagramm: Messwerte

Jetzt bin ich dabei die Funk­ti­on zu su­chen, die am bes­ten zu den Mess­wer­ten passt. Mir scheint, dass ich dafür min­des­tens eine Funk­ti­on drit­ten Gra­des brau­che.
Lisa: Weil das Schau­bild einen Wen­de­punkt hat?
Tom: Ja genau, … Warte mal, … die Über­ein­stim­mung der Daten mit den Wer­ten der Re­gres­si­ons­kur­ve drit­ten Gra­des ist mir nicht gut genug. Ich pro­bie­re noch eine Kurve vier­ten Gra­des aus. Ah, das sieht doch prima aus!

Zeit-Weg-Diagramm: Messwerte und Funktionsanpassung

Hier sind Glei­chung und zu­ge­hö­ri­ge Kurve:
s(t) = 5,12⋅10 -5 x 4 - 7,42⋅10 -3 x 3 + 3,15⋅10 -1 x 2 - 7,54⋅10 -2 x - 2,41⋅10 -1
Jetzt kann ich zu jedem Zeit­punkt die ent­spre­chen­de Weg­mar­ke an­ge­ben. Ich weiß, wann Eric bei einer ge­ge­be­nen Stel­le war, ich kann mit der Ab­lei­tung die Ge­schwin­dig­keits­funk­ti­on be­stim­men, eben­so die Be­schleu­ni­gun­gen, … ich weiß alles über die Be­we­gung!
Genau so macht man das in der For­schung auch. Das ist wis­sen­schaft­li­che Ar­beits­wei­se! Ga­li­lei hat diese Me­tho­de als Ers­ter ver­wen­det. Aus sei­nen Mes­sun­gen hat er die Fall­ge­set­ze ab­ge­lei­tet!
Lisa: Ehr­lich?
Tom: Ja klar, das habe ich in der Schu­le ge­lernt.
Lisa: Sag mal, was nutzt dir das ei­gent­lich?
Tom: Hey, das habe ich doch schon ge­sagt!
Lisa: Ich will ja nicht be­zwei­feln, dass deine For­mel die Be­we­gung ziem­lich gut wie­der­gibt. Den­noch kannst du nicht ab­strei­ten, dass deine Zah­len mit Mess­feh­lern be­haf­tet sind. Wie willst du dann si­cher sein, dass deine For­mel das kor­rek­te Ge­setz für die Be­we­gung ist?
Tom: Meine For­mel ist doch genau so er­mit­telt, dass die Ab­wei­chun­gen zu den Mess­punk­ten mi­ni­mal sind!
Lisa: Aber Po­tenz­funk­tio­nen hö­he­rer Ord­nung könn­ten noch bes­ser sein. Die hast du gar nicht aus­pro­biert!
Tom: Warum sol­len wir die Sache un­nö­tig kom­pli­ziert ma­chen? Unter kon­kur­rie­ren­den Lö­sun­gen ist die Ein­fachs­te die Beste! Das hat - glau­be ich - Ein­stein ge­sagt. Na also.
Lisa: Hmmm, … Eric kommt mit sei­nem Fahr­rad zum Schluss doch zum Ste­hen?
Tom: Ja si­cher, ir­gend­wann ist er so lang­sam, dass das Fahr­rad kippt.
Lisa: Dann ist die Kurve im Dia­gramm zum Schluss waag­recht?
Tom: Wor­auf willst du hin­aus?
Lisa: Deine Kurve steigt zum Schluss wie­der an und zudem hat eine Po­tenz­funk­ti­on hö­he­ren Gra­des nie­mals ein Schau­bild, das zum Schluss waag­recht ist. Das schaffst du viel­leicht mit einer Ex­po­nen­ti­al­funk­ti­on, so ähn­lich wie beim be­schränk­ten Wachs­tum. Dein Ge­setz kann des­halb nicht kor­rekt sein!
Tom: Uff, wo hast du denn das ge­lernt?
Lisa: Auch in der Schu­le, wo denn sonst?
Tom: Na ja, ich dach­te viel­leicht hat dein Phy­si­ker­pa­pa …
Okay, dann än­de­re ich die For­mel eben um … oder ich lasse die­sen Teil des Vor­gangs weg. Es ist schließ­lich völ­lig un­er­heb­lich, wie lang Eric zum Schluss da­steht.
Lisa: Lang­sam, lang­sam. Selbst wenn du eine Ex­po­nen­ti­al­funk­ti­on ge­fun­den hast, die eine per­fek­te Aus­gleichs­kur­ve durch deine Mess­punk­te lie­fert, so gilt sie doch nur für die­sen spe­zi­el­len Vor­gang. Rollt ein an­de­rer Fahr­rad­fah­rer oder ein Lei­ter­wa­gen oder ein Ball den Hang hin­un­ter, dann nützt sie dir gar nichts. Jeder Vor­gang hat seine ei­ge­ne ma­the­ma­ti­sche Mo­del­lie­rung, d.h. bei jedem Bei­spiel kannst du wie­der von vorn an­fan­gen mit der Auf­nah­me von Mess­wer­ten und der Er­stel­lung von For­meln. Dein Ge­setz ist nicht ver­all­ge­mei­ner­bar und des­halb ist es auch kein Ge­setz.
Tom: Du bist ja nicht ge­ra­de sehr schmei­chel­haft zu mir. Wel­ches Ge­setz be­schreibt denn dei­ner Mei­nung nach diese Rad­fahrt?
Lisa: Fürs Erste würde ich an­neh­men, dass es sich um eine Be­we­gung mit kon­stan­ter Be­schleu­ni­gung han­delt. Wenn g die Erd­be­schleu­ni­gung und α der Nei­gungs­win­kel des Hangs ist, gilt: a = g⋅sinα und s=½⋅a⋅t 2 . Die Stei­gung der Stre­cke schät­ze ich auf 5 %, damit er­hal­te ich s(t) = 0,245 m/s 2  ⋅ t 2 . Das Schau­bild sieht so aus:

Zeit-Weg-Diagramm: Messwerte und konstante Beschleunigung

Tom: Bist du mit der Über­ein­stim­mung dei­ner Theo­rie mit mei­ner Mes­sung zu­frie­den?
Lisa: Na ja, meine Be­schrei­bung trifft nur für den ers­ten Ab­schnitt der Be­we­gung zu und da liegt die Kurve doch ganz gut! Die Ab­wei­chun­gen sind un­ver­meid­lich, schließ­lich habe ich den Vor­gang nur idea­li­siert be­trach­tet. Den zwei­ten Ab­schnitt muss man se­pa­rat be­han­deln.
Tom: Ha! Du kannst den Vor­gang auch nicht ein­heit­lich be­schrei­ben und musst Ab­wei­chun­gen in Kauf neh­men. Das ist in­ter­es­sant! Die Si­tua­ti­on ist also die:
Ich habe eine Spe­zi­al­for­mel, die die Mess­da­ten per­fekt wie­der­gibt, lei­der aber nicht auf an­de­re Vor­gän­ge an­wend­bar ist. Du hast ein ein­fa­ches Mo­dell, das vie­len Vor­gän­gen zu Grun­de liegt, lei­der aber in sei­ner Rein­form kaum je­mals in der wirk­li­chen Er­fah­rung vor­kommt. Das ist wohl die Kluft zwi­schen Theo­rie und Pra­xis!
Lisa: Um eine bes­se­re Be­schrei­bung zu be­kom­men müs­sen wir die Rei­bung be­rück­sich­ti­gen. Die Masse des Ge­fährts spielt mei­ner Mei­nung nach keine Rolle.
Tom: Das sind vor allem Luft- und Roll­rei­bung. Die sind dafür ver­ant­wort­lich, dass ver­schie­de­ne Fahr­rad­fah­rer un­ter­schied­lich rol­len. Jetzt wird es aber kom­pli­ziert.
Lisa: Ich kann ja zwi­schen­durch mei­nen Vater fra­gen.
Nach­mit­tag
Lisa: Für die Luf­t­rei­bung spielt na­tür­lich die Form des Ge­fährts und die Ge­schwin­dig­keit eine Rolle. Bei klei­nen Ge­schwin­dig­kei­ten ist der Luft­wi­der­stand eher pro­por­tio­nal zur Ge­schwin­dig­keit v, bei hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten kann er aber auch pro­por­tio­nal zu v 2 wer­den.
Tom: Wie sol­len wir denn bei sol­chen Kom­pli­ka­tio­nen noch eine Zeit-Weg Pro­gno­se fa­bri­zie­ren?
Lisa: Erst mal kommt noch die Roll­rei­bung ins Spiel. Die wird even­tu­ell sogar von der Masse be­ein­flusst …
Mein Vater meint aber, wir sol­len uns des­halb keine zu gro­ßen Sor­gen ma­chen. Mit Hilfe von Dif­fe­ren­zi­al­glei­chun­gen könne man noch ei­ni­ges zu Stan­de brin­gen und wenn das Netz von Be­zie­hun­gen sehr kom­pli­ziert wird, gäbe es num­me­ri­sche Ver­fah­ren.
Tom: Und dann hat man die ex­ak­te Lö­sung? Eine Zeit-Weg Funk­ti­on, die den spe­zi­el­len Vor­gang be­schreibt und aus all­ge­mei­nen Prin­zi­pi­en ab­ge­lei­tet ist?
Lisa: Er sagt, wenn man die Be­schrei­bung noch wei­ter ver­bes­sern möch­te, müss­te man auch den Dreh­im­puls der Räder be­rück­sich­ti­gen.
Tom: Lang­sam glau­be ich, dass es immer noch wei­te­re Kom­pli­ka­tio­nen gibt und dass das Ver­fei­nern un­se­rer Be­schrei­bung über­haupt kein Ende nimmt. Was meinst du?
Lisa: … Tja … Be­stimmt gibt es je­mand, der zu die­sem Thema auch ein­mal etwas Sin­ni­ges ge­sagt hat.

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Dia­log Fahr­rad am Hang: Her­un­ter­la­den [doc] [92 KB]

 

Wei­ter mit Hin­wei­se und Lö­sun­gen