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M6 In acht­zig Sofas um die Welt

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

In acht­zig Sofas um die Welt

Glo­ba­li­sie­rung: Der Ber­li­ner Fo­to­graf Malte Jäger ist als Couchsur­fer rund um den Glo­bus ge­reist. Seine Auf­nah­men zei­gen die Gast­ge­ber und ihre Gäste – und mehr noch: die Welt ist ein Dorf, des­sen Be­woh­ner sich näher kom­men kön­nen, wenn sie es wol­len.

Zeig mir deine Couch, und ich sage dir, wer du bist. Malte Jäger, 33, könn­te eine Ty­po­lo­gie der Gast­ge­ber schrei­ben, die frem­de Über­ra­schungs­gäs­te in ihrem Wohn­zim­mer über­nach­ten las­sen. Couchsur­fing nennt sich diese Art zu rei­sen. In der Ge­mein­de der Di­gi­tal Na­ti­ves zieht sie immer grö­ße­re Krei­se. Couchsur­fer hauen sich lie­ber bei Zu­falls­be­kannt­schaf­ten aus dem In­ter­net aufs Ohr, als in Ho­tel­zim­mern ab­zu­stei­gen. Das ist nicht nur we­sent­lich bil­li­ger, man lernt Land und Leute auch bes­ser ken­nen.
Malte Jäger hat es aus­pro­biert. Aus­ge­rüs­tet mit einem Sti­pen­di­um, ist der Ber­li­ner Fo­to­graf ein­mal um die Welt ge­reist, um Ma­te­ri­al für sei­nen ers­ten Fo­to­band zu sam­meln: von New York bis nach Al­ma­ty, von Benin bis nach Sao Paulo. Er hat auf der Couch in der Bude einer Ban­ke­rin im kir­gi­si­schen Bisch­kek, ein­ge­rich­tet in Gel­sen­kir­che­ner Ba­rock, ge­näch­tigt oder seine Iso­mat­te in der Hütte eines in­di­schen Bau­ern auf­ge­rollt. Sein Name war Shri­pad, er hat sei­nen ein­zi­gen Sohn ver­lo­ren und einen ei­ge­nen In­ter­net­an­schluss samt Fern­weh. Die Couchsur­fer, die sich in seine Hütte ver­irr­ten, trös­te­ten ihn dar­über hin­weg.
Malte Jäger hat sich im Him­mel­bett eines afri­ka­ni­schen Un­ter­neh­mers in Mali aus­ge­streckt und ist dem New Yor­ker Fahr­rad­ku­rier Eddy in einer sehr schwü­len Nacht dort­hin ge­folgt, wo man die Ster­ne zäh­len konn­te – auf das Dach einer Apart­ment­an­la­ge. Bei all dem war der Fo­to­graf nicht al­lein. Über das In­ter­net­por­tal www.​cou​chsu​rfin​g.​org hat er sich an­de­re Glo­be­trot­ter ge­sucht – als Be­glei­ter und als Fo­to­mo­del. Sein Plan war eben­so kühn wie am­bi­tio­niert. Er woll­te wis­sen, was pas­siert, wenn ver­schie­de­ne Kul­tu­ren auf­ein­an­der­pral­len: „Und zur Gast­freund­schaft ge­hö­ren immer min­des­tens zwei.“
Malte Jäger hat diese Mo­men­te auf sei­ner Reise mit der Ka­me­ra do­ku­men­tiert, mehr oder min­der dis­kret, das ver­leiht den Bil­dern den Cha­rak­ter sorg­fäl­tig in­sze­nier­ter Schnapp­schüs­se. 99 Pro­zent sei­ner Gast­ge­ber würde er üb­ri­gens auch auf sei­ner Couch in Kreuz­berg über­nach­ten las­sen, wenn sie eines Tages bei ihm vor der Tür stän­den. Herz­lich seien fast alle ge­we­sen, und außer in Bur­ki­na Faso, wo ihm die Fa­mi­lie eines bet­tel­ar­men Stu­den­ten am Rande der Haupt­stadt Oua­gadou­gou das ein­zi­ge Bett in der Hütte über­ließ, habe er auch nir­gend­wo das Ge­fühl ge­habt, in der Frem­de ge­lan­det zu sein. Es stimmt eben doch: „Die Welt“, sagt der Fo­to­graf, „ist ein glo­ba­les Dorf“.

Malte Jäger ist frei­er Fo­to­graf und lebt in Ber­lin. Er stu­dier­te am Lette-Ver­ein in Ber­lin, ar­bei­te­te im Aus­land und ist nun Mit­glied der Agen­tur Laif.

Stutt­gar­ter Zei­tung, 27.11.2010
Antje Hil­de­brandt

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