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Modul 5, Bau­stein 2: 1. Di­dak­ti­sche Hin­wei­se zur Schreib­werk­statt „Rico, Oskar und das Herz­ge­bre­che“

Ar­beits­grund­la­ge:

Kom­pe­tenz­ras­ter als In­stru­ment zur in­di­vi­du­el­len För­de­rung mit gym­na­sia­len Stan­dards NL 13/D, Stutt­gart 2012 und Lern­pro­zes­se sicht­bar ma­chen, Ar­bei­ten mit Kom­pe­tenz­ras­tern in Lern­land­schaf­ten, Stutt­gart 2013 NL20

Die aus­führ­li­che Dar­stel­lung und Kon­textu­ie­rung die­ser Schreib­werk­statt fin­det sich in der oben ge­nann­ten Ver­öf­fent­li­chung des Lan­des­in­sti­tuts für Schul­ent­wick­lung, die noch auf der Grund­la­ge des Bil­dungs­plans 2004 ent­wi­ckelt wurde. Da die kon­kre­ten Auf­ga­ben­vor­schlä­ge sehr ge­lun­gen und mo­ti­vie­rend sind, habe ich sie über­nom­men und teil­wei­se klei­ne­re An­pas­sun­gen hin­sicht­lich der Ter­mi­no­lo­gie ge­macht. Der Be­griff „Lern­job“ wurde so z.B. durch den Be­griff „Lern­auf­ga­be“ er­setzt, auch wenn dies ter­mi­no­lo­gisch etwas un­scharf ist. So­wohl das alte wie auch das neue all­ge­mei­ne Kom­pe­tenz­ras­ter für das Fach Deutsch ist do­ku­men­tiert.

Diese Schreib­werk­statt ist als „in­di­vi­dua­li­sier­tes Trai­ning“ 1 ge­dacht. Ein­ge­bet­tet ist diese Schreib­werk­statt als ein Bau­stein (Bau­stein 6: Ver­tie­fen­de Übun­gen zum an­schau­li­chen Er­zäh­len) in eine Un­ter­richts­se­quenz mit zwei wei­te­ren Schreib­werk­stät­ten 2 . Ge­mein­sa­mer Un­ter­richt, Part­ner­ar­beit und Ein­zel­ar­beit wech­seln sich je nach Bau­stein ab. Das Ganze schließt eine Test­auf­ga­be ab.

Die Auf­ga­ben sind sehr mo­ti­vie­rend ge­stellt, die Ein­bet­tung in den Kon­text „Kom­pe­tenz­ras­ter als In­stru­ment zur in­di­vi­du­el­len För­de­rung mit gym­na­sia­len Stan­dards“ ist je­doch durch­aus kom­plex, was die Or­ga­ni­sa­ti­on im Un­ter­richt an­geht.

Der vor­lie­gen­de Vor­schlag ist des­halb eine sehr „ab­ge­speck­te“ Va­ri­an­te und zu­gleich der Ver­such, die Ar­beit mit Kom­pe­tenz­ras­tern zu­min­dest an­satz­wei­se in den Un­ter­richt zu in­te­grie­ren. Kon­zep­ti­on, Vor­tei­le und Nach­tei­le wer­den an an­de­rer Stel­le aus­ge­führt.

Die Ar­beit mit einem Kom­pe­tenz­ras­ter soll pri­mär dazu die­nen, dass „Lern­pro­zes­se sicht­bar ge­macht wer­den“, aber nicht als ein durch­ge­hen­des Un­ter­richt­s­prin­zip, son­dern eher als eine punk­tu­el­le, auf be­stimm­te Stan­dards be­zo­ge­ne Ver­deut­li­chung für die Schü­ler, womit sie sich ei­gent­lich be­schäf­ti­gen. Die Schü­ler durch­lau­fen also ein klei­nes Trai­nings­pro­gramm, das sich an den „Zel­len“ SCHREI­BEN, 6. Texte pla­nen und ver­fas­sen (LFS = Lern­fort­schritt)
LFS1 Ich kann mit Spra­che ex­pe­ri­men­tie­rend schrei­ben
LFS2 Ich kann Schreib­tech­ni­ken an­wen­den und Texte pla­nen
LFS4 Ich kann pro­duk­tiv zu li­te­ra­ri­schen Tex­ten schrei­ben ori­en­tiert (siehe Zu­satz­ma­te­ria­li­en).

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen die­ses Trai­nings­pro­gramm im Ge­samt­kon­text des­sen, was sie im Deutsch­un­ter­richt ler­nen, ver­or­ten. Sie geben sich ge­gen­sei­tig Rück­mel­dung und schät­zen ihr Ver­mö­gen selbst ein. Ganz ent­schei­dend scheint mir je­doch nicht nur die Selbst­ein­schät­zung der SuS zu sein, son­dern das Ge­spräch mit ihnen über ihre Schrei­ber­fah­run­gen und Lern­fort­schrit­te. Wäh­rend einer mehr­stün­di­gen Schreib­werk­statt las­sen sich sol­che klei­nen in­for­mel­len Be­ra­tungs­ge­sprä­che oder dia­gnos­ti­schen Ge­sprä­che gut ein­bau­en.

„Dia­gnos­ti­sche Ge­sprä­che die­nen dazu, her­aus­zu­fin­den, über wel­che Lern­vor­aus­set­zun­gen, Lern­be­dürf­nis­se und Lern­mög­lich­kei­ten ein­zel­ne Ler­nen­de ver­fü­gen. Dia­gnos­ti­sche Ge­sprä­che wer­den häu­fig zur Er­mitt­lung der Lern­aus­gangs­la­ge in fach­spe­zi­fi­schen Kom­pe­tenz­be­rei­chen ein­ge­setzt und dau­ern in der Regel nicht län­ger als 10 – 15 Mi­nu­ten. .. Der Ler­nen­de ist auf­ge­for­dert, seine Ge­dan­ken, Stra­te­gi­en, Lö­sungs­an­sät­ze etc. Wäh­rend des Be­ar­bei­tens per­ma­nent zu ver­ba­li­sie­ren. Die­ses laute Den­ken er­laubt der Lehr­kraft die Schü­le­rin­nen und Schü­ler se­mi­for­mell zu be­ob­ach­ten, d.h., es kön­nen Aus­sa­gen über fach­li­che und über­fach­li­che Fä­hig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten be­schrie­ben wer­den .“ (NL10, Lern­pro­zes­se sicht­bar ma­chen, S. 24)

Die Schreib­werk­statt kann se­pa­rat durch­ge­führt wer­den, es bie­tet sich je­doch si­cher­lich an, vom Ju­gend­buch aus­zu­ge­hen und sie nach oder auch wäh­rend der Ein­heit diese Schreib­werk­statt ein­zu­bau­en. Denk­bar ist auch eine in­ten­si­ve Be­hand­lung des ers­ten Ban­des „Rico, Oskar und die Tie­fer­schat­ten“ und eine Art freie Le­se­zeit für den zwei­ten (und ev. sogar drit­ten Band) in Kom­bi­na­ti­on mit der Schreib­werk­statt („Rico, Oskar und das Herz­ge­bre­che“ und „Rico, Oskar und der Dieb­stahl­stein“). Viel- und Schnell­le­ser wür­den so auch auf ihre Kos­ten kom­men. Zudem bie­ten die Hör­spiel­fas­sun­gen zu den drei Bän­den eine wei­te­re Mög­lich­keit, dif­fe­ren­ziert und me­di­en­be­wusst zu un­ter­rich­ten.

Fol­gen­de pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen ste­hen bei der Schreib­werk­statt im Vor­der­grund.

Schwer­punkt: Pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen

2.2. Schrei­ben
Texte for­mu­lie­ren

5. ele­men­ta­re for­ma­le An­for­de­run­gen des Schrei­bens er­fül­len (Les­bar­keit der Hand­schrift, Blatt­ein­tei­lung, Recht­schrei­bung, Zei­chen­set­zung, Gram­ma­tik, Syn­tax, an­ge­mes­se­ner Stil, Va­ria­bi­li­tät usw.);
7. nach Mus­tern schrei­ben: Merk­ma­le ver­schie­de­ner Text­sor­ten und die Ori­en­tie­rung an pro­to­ty­pi­schen Tex­ten für die Text­ge­stal­tung nut­zen;

ver­schie­de­ne Schreib­for­men ge­zielt und an­ge­mes­sen nut­zen
krea­tiv und pro­duk­tiv ge­stal­ten

30. sprach­li­che Mit­tel ge­zielt ein­set­zen;
31. an­schau­lich er­zäh­len und nach­er­zäh­len, Er­zähl­tech­ni­ken an­wen­den, auf die Er­zähl­lo­gik ach­ten;
32. nach li­te­ra­ri­schen oder nicht-li­te­ra­ri­schen Vor­la­gen Texte neu, um- oder wei­ter­schrei­ben und ge­stal­tend in­ter­pre­tie­ren;

ex­pres­siv schrei­ben

33. Emo­tio­nen und ei­ge­ne Be­find­lich­kei­ten aus­drü­cken und dabei an­ge­mes­se­ne sprach­li­che Mit­tel nut­zen;

Texte über­ar­bei­ten

36. Text­dis­tanz ein­neh­men, zu ei­ge­nen und frem­den Tex­ten kri­te­ri­en­ori­en­tiert Stel­lung neh­men und Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge er­ar­bei­ten;
37. Stra­te­gi­en zur Über­prü­fung der sprach­li­chen Rich­tig­keit und Recht­schrei­bung an­wen­den (z.B. in­di­vi­du­el­les Feh­ler­pro­fil);
38. Texte in­halt­lich und sprach­lich über­ar­bei­ten und dazu ge­eig­ne­te Me­tho­den und So­zi­al­for­men (z.B. Schreib­werk­statt, Schreib­kon­fe­renz) nut­zen, gän­gi­ge Zei­chen zur Text­kor­rek­tur (z.B. Strei­chung, Er­gän­zung, Än­de­rung) ver­wen­den (auch in (*län­ger­fris­ti­gen*) Schreib­pro­zes­sen); dabei auch elek­tro­ni­sche Me­di­en nut­zen;

 

1.1 Zum Ein­satz von Kom­pe­tenz­ras­tern

  Kom­pe­tenz­ras­ter wur­den ur­sprüng­lich am In­sti­tut Bea­ten­berg, einer schwei­ze­ri­schen Pri­vat­schu­le, die zu den sog. „Qua­li­täts­in­ter­na­ten“ ge­hört, ent­wi­ckelt ( http://​www.​in­sti­tut-​bea­ten­berg.​ch/​wie-​wir-​ler­nen/​in­stru­men­te/​kom​pete​nzra​ster.​html ) . Für jedes Fach liegt ein ver­bind­li­ches Kom­pe­tenz­ras­ter vor, das nicht mit Lern­fort­schrit­ten (LFS) ar­bei­tet, son­dern sich am GER (Ge­mein­sa­mer Eu­ro­päi­scher Re­fe­renz­rah­men) ori­en­tiert und ana­log dazu von A1 - C2 „Zel­len“ auf­weist. In den Spra­chen gibt es sogar noch Fein­un­ter­tei­lun­gen, z.B. in B.1.1 Auch zur Lern- und Selbst­kom­pe­tenz liegt ein Ras­ter vor mit vier Un­ter­schei­dun­gen A, B1, B2, C.

Seit meh­re­ren Jah­ren set­zen die Pu­bli­ka­tio­nen des LS ver­stärkt auf die­ses Mo­dell als Teil einer Lern­land­schaft, in­ner­halb derer ein in­di­vi­dua­li­sier­ter Un­ter­richt er­mög­licht wer­den soll.

Die Kom­pe­tenz­ras­ter ba­sie­ren alle auf dem „Ge­mein­sa­men Eu­ro­päi­schen Re­fe­renz­rah­men für Spra­chen“, des­sen Grund­struk­tur auf­ge­nom­men wurde. Die Ni­veau­be­zeich­nun­gen A1 etc. wur­den je­doch durch die sog. LFS1 – 6 = Lern­fort­schrit­te er­setzt.

Die Kom­pe­tenz­ras­ter sind ein­ge­bet­tet in eine Lern­land­schaft, die aus Kom­pe­tenz­ras­tern, Lern­er­folgs­lis­ten, Lern­jobs und einem Lern­plan be­steht. Diese Ter­mi­no­lo­gie wurde mitt­ler­wei­le ab­ge­löst durch Lern­we­ge­lis­ten , Lern­ma­te­ria­li­en , be­ste­hend aus Lern­schrit­ten (ge­schlos­se­ne Auf­ga­ben), Lern­the­ma (halb­of­fe­ne Auf­ga­ben) und Lern­pro­jekt (of­fe­ne Auf­ga­ben) und Ler­na­gen­da . Diese Ele­men­te zu­sam­men sol­len einen hoch in­di­vi­dua­li­sier­ten Un­ter­richt er­mög­li­chen, ei­ni­ge Aus­ar­bei­tun­gen für das Fach Deutsch lie­gen in Ver­öf­fent­li­chun­gen des Lan­des­in­sti­tuts für Schul­ent­wick­lung vor.

Was ist der Mehr­wert eines Kom­pe­tenz­ras­ters?

Der Zu­ge­winn liegt si­cher­lich in der Trans­pa­renz für Leh­ren­de und Ler­ner. Dar­über hin­aus las­sen sich ver­schie­de­ne wei­te­re Punk­te nen­nen.

Kom­pe­tenz­ras­ter

  • geben einen Über­blick über die Struk­tur des Fa­ches,
  • ver­an­schau­li­chen die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung,
  • sind Aus­gangs­ba­sis für wei­te­re Lern­pla­nung,
  • sind stärke­ori­en­tiert,
  • sind kom­pe­tenz­ori­en­tiert,
  • er­mög­li­chen einen dif­fe­ren­zier­ten Blick und ein dif­fe­ren­zier­tes Selbst­bild,
  • haben Kom­pass­funk­ti­on und sind Ori­en­tie­rungs­hil­fe,
  • tra­gen zur selbst­ver­ant­wort­li­chen Steue­rung des ei­ge­nen Lern­pro­zes­ses bei,
  • do­ku­men­tie­ren den Lern­pro­zess,
  • sind Grund­la­ge für Coa­ching- und Be­ra­tungs­ge­sprä­che mit El­tern.

Es han­delt sich somit um eine per­ma­nen­te ko­gni­ti­ve Be­schäf­ti­gung mit den Lern­pro­zes­sen.

Pro­ble­ma­tisch zeigt sich der Ein­satz im Un­ter­richt, da die Hand­ha­bung doch ei­ni­ger­ma­ßen kom­plex ist und einen recht hohen „Ver­wal­tungs­auf­wand“ in einer Klas­se er­for­dert.

„Die Kon­zen­tra­ti­on der Lern­we­ge­lis­ten auf eine be­stimm­te Kom­pe­tenz und die se­quen­zi­el­le An­ord­nung ent­spricht . nicht immer einem op­ti­ma­len di­dak­ti­schen Kon­zept. Ver­netz­tes, pro­blem­lö­sen­des Den­ken ver­läuft nicht immer li­ne­ar. Kom­pe­tenz ba­siert nicht auf der An­ein­an­der­rei­hung se­pa­rier­ter Fä­hig­kei­ten und Fer­tig­kei­ten. Pro­blem­lö­se­fä­hig­keit bei­spiels­wei­se setzt sehr wohl Kom­pe­ten­zen aus ver­schie­de­nen Kom­pe­tenz­be­rei­chen vor­aus.“ (NL20, 2013, S.26)

Diese Pro­ble­ma­tik wird also durch­aus wahr­ge­nom­men. Trotz­dem scheint die Vor­stel­lung eines li­nea­ren Lern­pro­zes­ses die Grund­la­ge die­ser Kon­zep­ti­on zu sein. Doch ge­ra­de sprach­li­ches und li­te­ra­ri­sches Wis­sen ver­läuft häu­fig eher u-för­mig. Zudem kann man nicht davon aus­ge­hen, dass, wenn ein­mal etwas ge­konnt wird, dies auch immer wie­der an­ge­wandt wird.

Die Ge­fahr einer Frag­men­tie­rung des Deutsch­un­ter­richts und der Iso­lie­rung ein­zel­ner In­hal­te ist wahr­schein­lich nicht von der Hand zu wei­sen. Im Mit­tel­punkt könn­te das Ab­ha­ken von Teil­kom­pe­ten­zen ste­hen, die aber nicht nach­hal­tig er­wor­ben wur­den bzw. immer wie­der neu an­ge­passt und an­ge­wandt wer­den müs­sen. Das führt nicht zu einem ein­sich­ti­gen und er­folg­rei­chen Ler­nen, son­dern eher zu einer „Si­mu­la­ti­on des Ler­nens“, dem Ab­ha­ken von Teil­kom­pe­ten­zen.(Vgl. un­ver­öf­fent­lich­tes Po­si­ti­ons­pa­pier von Ste­fan Schä­fer, akad. Mit­ar­bei­ter, apl. Prof. Dr. Ste­fan Jeuk, Päd. Hoch­schu­le Lud­wigs­burg)

Für die Schreib­werk­statt zu „Rico, Oskar und das Herz­ge­bre­che“ tref­fen die zuvor ge­nann­ten Vor­tei­le in ge­wis­ser Weise si­cher zu, wobei die Or­ga­ni­sa­ti­on die­ser Schreib­werk­statt u.U. eine ge­wis­se Hürde und viel­leicht auch über­or­ga­ni­sier­te Künst­lich­keit dar­stellt. Die Ge­fahr, dass sich die Or­ga­ni­sa­ti­on des Ar­bei­tens und die Me­ta­ko­gni­ti­on über das ei­gent­li­che Ar­bei­ten und Ler­nen stel­len, ist durch­aus zu sehen.

 

Bau­stein 2 Schreib­werk­statt: Her­un­ter­la­den [pdf] [430 KB]