Modul 5: Zusatzmaterialien
Die „kognitive Landkarte“ – eine pragmatische Planungshilfe
Lutz Stäudel hat auf der Grundlage allgemeiner Kompetenzen für den naturwissenschaftlichen Unterricht eine „Analyse-Spinne“ entwickelt. Je nachdem, wo man den Schwerpunkt setzt, ergibt sich eine Art „kognitiver Landkarte“, die zeigt, welche verschiedenen kognitiven Aktivierungen stattfinden sollen. Als Planungsgrundlage kann die „Spinne“ helfen, Einseitigkeiten entgegenzuwirken, unterschiedliche Lernwege und damit eine wirksame Kognitivierung zu strukturieren.
Eine konkretere Planung kann mit Hilfe von fünf allgemeinen Kompetenzen, die fachunabhängig sind, erfolgen. Es ist keine trennscharfe Planungsstruktur, die sog. Eckwerte (Argumentieren, Erkunden, Imaginieren, Ordnen, Urteilen) überschneiden sich teilweise. Dieses Modell soll als pragmatische Planungshilfe dienen, um Einseitigkeiten zu vermeiden.
Kognitive Landkarte
Die Analysespinne (nach Stäudel 2009, S. 8)
Individualisierung und Differenzierung in Aufgabenstellungen nach der AEIOU-Faustregel
A wie Argumentieren |
Tätigkeiten , die logisch-kausales Denken erfordern: Gründe angeben, Thesen aufstellen und verteidigen, Pro- und Contra- Argumente finden Methoden : einfache Sachfragen und Gesprächsformen, Planspiel, Debatte, Podiumsdiskussion, strukturierte Kontroverse Fragen : Warum kann man es so oder anders sehen? Was spricht dafür, was dagegen? |
E wie Erklären |
Tätigkeiten , die experimentelles Denken und Forschen erfordern: staunen, sich wundern, sich fragen, wie ..., probieren, entwerfen, Möglichkeiten durchspielen Methoden : einfache Suchaufgaben, Experimente, Erkundungsaufträge, Reportagen, methodische Formen des Fragens Fragen: Wie funktioniert es? Worum geht es? Wie ist es? |
I wie Imaginieren |
Tätigkeiten , die Denken und Handeln mit Vorstellungen verbinden: Modelle bilden, sich in andere hineindenken, Vergangenes vergegenwärtigen, Bekanntes verfremden, Erfinden, Entwerfen Methoden : Phantasiereise, Perspektivenwechsel, Formen kreativen Schreibens oder Schaffens, Visualisierungsmethoden wie z.B. concept map Fragen : wie wäre es , wenn ...? Wie denken andere? |
O wie Ordnen |
Tätigkeiten , die systematisches Unterscheiden und Zusammenfügen erfordern: begriffe finden, Beispiele sammeln, regeln finden, Zusammenhänge darstellen, Vorstellungen ordnen Methoden : einfache Begriffsreihen und Suchaufgaben, Mindmaps und weitere Visualisierungsmethoden wie z.B. Strukturlegetechnik, Ursachenketten, Zeitleisten und Modelle Fragen: Wo sind Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Welchem Plan folgt es? Wie passt es zu anderem? |
U wie Urteilen |
Tätigkeiten , die der kritischen Vernunft zuzuordnen sind: vergleichen, unterschiedliche Positionen prüfen, interpretieren, in Frage stellen, das eigene Handeln selbstkritisch reflektieren, Beurteilungskriterien finden Methoden : einfache Interpretationsfragen, methodisch angeleitete Stellungnahmen Fragen: Was bedeutet es für mich, für dich, für andere? Wie ist es zu beurteilen? |
Nach: Annemarie von der Groeben/Ingrid Kaiser, Werkstatt Individualisierung, Hamburg 2012 zusammengestellt von Christina Beilharz
Rampenaufgaben
(der Bloomschen Taxonomie folgend)
Denkstufe |
Schlüsselwörter |
Fragen und Aufgaben |
Eigenes Beispiel zu: |
Beurteilen |
wählen, kritisieren, bewerten, verteidigen, interpretieren, widerlegen, einschätzen, ableiten, beweisen, empfehlen |
Was ist deine Meinung zu ...? Was würdest du empfehlen? Schätze die Bedeutung von ... ein! |
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Synthese |
bilden, kombinieren, herstellen, einschätzen, sich vorstellen, konstruieren, eine Theorie aufstellen, adaptieren, testen, Lösungen vorschlagen |
Schlage eine Alternative vor! Erfinde! Sage das Ergebnis voraus! Konstruiere ein Model! |
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Analyse |
analysieren, klassifizieren, kategorisieren, unterscheiden, vereinfachen, schlussfolgern, Vermutungen anstellen |
Wie verhält sich ... zu ...? Warum denkst du, dass ...? Welche Schlussfolgerungen kannst du ziehen? |
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Anwenden |
anwenden, auswählen, bilden, konstruieren, interviewen, entwickeln, organisieren, planen, identifizieren, experimentieren mit, modellieren, lösen |
Wie würdest du ... nutzen? Welche Beispiele kannst du finden, um ...? Was wäre das Ergebnis, wenn ...? |
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Verstehen |
vergleichen, erklären, umschreiben, übersetzen, klassifizieren, gegenüberstellen, illustreren, ableiten |
Stelle ... gegenüber! Wie würdest du ... zusammenfassen? Gib ... mit eigenen Worten wieder! |
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Wissen / Kennen |
Wer, was, wie, warum ...? finden, zeigen, buchstabieren, wiederholen, erzählen, aufzählen, beschriften, zuordnen, markieren |
Was ist ...? Wie passierte ...? Wann war ...? Sage .... auf! Welcher ...? |
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Beispiel für eine „Rampenaufgabe“
Als konkrete Hilfestellung zur Erstellung von differenzierenden Aufgaben können die an der Bloomschen Taxonomie orientierten Schlüsselwörter und Satz – bzw. Frageanfänge eine Hilfe sein.
(Nach: Green, Norm, Green Kathy: Kooperatives Lernen im Klassenzimmer und im Kollegium. Das Trainingsbuch. Fulda 2010, 5. Auflage, S.116ff)
Unterrichtseinheit: „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ – Behandlung eines Jugendbuches Thema: „Verstärkung aus der Klapsmühle“ – Erwachsene können ganz schön unfreundlich sein
Denkstufe |
Beispiel |
Wissen / Kennen |
Beschreibe die Begegnung von Rico und Oskar mit dem Hausbewohner Fitzke. (ab S.73) |
Verstehen |
Kinder werden nicht immer gut behandelt in diesem Buch. Vergleiche Fitzke und Westbühl. |
Anwenden |
Oskar lässt sich nicht beleidigen, und vom unfreundlichen Herr Fitzke schon gar nicht. Als dieser den Jungs die Türe vor der Nase zuhaut, trommelt er gegen die Tür und schreit: „Ich lasse mich nicht unhöflich behandeln, nur weil ich ein Kind bin. Und ich bin keiner aus der Klapsmühle“.
Fitzke hinter seiner Tür hat noch nie erlebt, dass ein Kind ihm so vehement widerspricht. Was könnte in ihm vorgehen? Schreibe Fitzkes Gedanken auf. |
Analyse |
Warum sind Erwachsene wie Herr Fitzke oder der Marrak wohl so schlecht gelaunt und auf Kinder gar nicht gut zu sprechen? Tausche dich mit deinem Partner aus, findet mögliche Gründe. |
Synthese |
Anklage und Verteidigung: Bringe Gründe vor, die für eine Verurteilung des Marrak oder die dagegen sprechen. (Rollenspiel mit Partner, Ankläger und Verteidiger) |
Beurteilen |
Was würdest du als Strafe für den Marrak empfehlen unabhängig von seiner wahrscheinlichen Verurteilung vor Gericht? |
Anforderungen an schulische Lernarrangements und an Lernaufgaben
Stichwort |
Beschreibung |
personalisiert |
... machen es möglich, auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und Vorerfahrungen einen Einstieg zu finden. Begünstigen und unterstützen individuelle Lern- und Bearbeitungsstrategien auf unterschiedlichen Leistungsniveaus und mit unterschiedlich ausgeprägten Interessen. |
repräsentativ |
... repräsentieren fachliche Kernideen (exemplarisch) und eröffnen Zugänge zu bedeutsamen Themen und Aktivitäten |
nachhaltig |
...laden ein zu tiefem Verstehen und Problemlösen (Verarbeitungstiefe) und binden integral entsprechende Strategien und Fertigkeiten ein. Die Nachhaltigkeit bezieht sich auf Lernergebnisse ebenso wie auf Lernverhalten. |
involvierend |
... schaffen individuelle Verbindlichkeiten, evozieren eigenaktives und selbstkompetentes Lernen und lassen Raum für eigene Ideen und Umsetzungsformen bei Lerninhalten und Lernwegen |
interdisziplinär |
... stoßen interdisziplinäres Denken und Arbeiten an und schärfen das Verständnis für Konstruktionen, Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten. |
relevant |
...zielen auf kompetentes Handeln und variablen und individuell relevanten Situationen ab und orientieren sich am „Gebrauchswert“ |
reflexiv |
... erfordern strukturiertes und systematisches Reflektieren, Validieren und Konsolidieren von Prozessen und Ergebnissen mithilfe zweckdienlicher Dokumentationsformen und auf der Grundlage eines Systems formativer Rückmeldungen |
herausfordernd |
... stellen hohe (aber subjektiv gesehen machbare) Anforderungen und stärken bei erfolgreicher Bearbeitung entsprechend das Könnensbewusstsein (Kompetenzerleben) des einzelnen Lernenden |
interaktiv |
... initiieren inhaltlich und situativ bedürfnisgerechte Formen der Kooperation und ermöglichen den Austausch und den konstruktiven Vergleich von Gedanken, Argumenten, Strategien, Ergebnissen. |
zielklar |
... schaffen klare Bezugsnormen und geben den Lernenden im Voraus Gelegenheit zu erkennen, was von ihnen in welcher Form erwartet wird. |
anregend |
... stützen sich auf emotionale und motivationale Faktoren und fördern die Beziehung zwischen den Menschen und zu den Dingen. |
In: Müller, Andreas u.a., Können die wo fertig sind früher gehen?, 2015 hep Verlag Bern, S.23, nach: Reusser, Kurt: Aufgaben – das Substrat der Lerngelegenheiten im Unterricht. In Profil.3/2013
Individuelle Lernprozesse in den Blick nehmen - Gespräche mit Schülerinnen und Schülern führen ( semiformelle Diagnose, Beratung, Rückmeldung, Planung)
In der Veröffentlichung des LS „Lernprozesse sichtbar machen“ (Lernprozesse sichtbar machen Pädagogische Diagnostik als lernbegleitendes Prinzip, Stuttgart 2014 NL-10) finden sich Ausführungen dazu, wie die Pädagogische Diagnostik als lernbegleitendes Prinzip gedacht ist. Das heißt, das Prinzip des Beobachtens, des Beschreibens, des Bewertens sind ein permanenter Prozess, der von uns begleitet wird.
Vieles davon ist nur umsetzbar, wenn auf schulischer Ebene bestimmte strukturelle Voraussetzungen zu finden sind. Eine sog. „Etappenrückmeldung“ (NL-10, S.43) in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathe ist z.B. nur zu leisten, wenn so eine Form der Rückmeldung über das einzelne Fach hinaus an einer Schule etabliert ist.
In einem Fach kann man jedoch über die normalen Rückmeldungen z.B. in Form von Klassenarbeiten, Lernstandserhebungen und Noten hinaus immer Beobachtungen anstellen und darüber Rückmeldungen geben.
Wenn man die oben genannte Veröffentlichungen des LS zu Grunde legt, dann ist vor allem das Handlungsfeld „Beobachten“ in diesem Zusammenhang von Interesse. Unterschieden wird die
- Gelegenheitsbeobachtung
- gezielte Beobachtung
- Dauer- und Langzeitbeobachtung (über mehrere Monate)
- systematische Kurzbeobachtung (20-25 Minuten)
Nicht immer wird sich die Integration solcher systematischer Beobachtungen in den normalen Schulalltag verwirklichen lassen. Eine Möglichkeit besteht darin, längere selbstständige Arbeitsphasen der SuS wie z.B. eine Schreibwerkstatt gezielt zur Beobachtung zu nutzen. Ideal für solche Beobachtungsphasen sind natürlich team-teaching Situationen, in denen eine Person ansprechbar ist für Fragen und Probleme während des Arbeitens und die andere Lehrkraft nur beobachten kann.
Das Handlungsfeld „Beobachten“ wird in dieser Veröffentlichung wie folgt dargestellt:
„Systematisches Beobachten beinhaltet:
- den einzelnen Lernenden während der Bearbeitung der Lernmaterialien zu beobachten
- zu versuchen, die Gedanken und Argumentationen der Lernenden zu verstehen und nachzuvollziehen
- Schwierigkeiten, die die Lernenden haben, mit diesen zu erörtern, so dass ihre Denkweise transparent wird
- durch gezielte Fragen die Denkweise der Lernenden zu sondieren
- die Prüfung der Lernergebnisse, Lernziele
Systematisches Beobachten ermöglicht den Lehrkräften
- festzustellen, welche Lernfortschritte die Lernenden erzielt haben
- den Lernenden eine Rückmeldung über ihre individuellen Lernfortschritte zu geben
- die nächsten Schritte auf dem Lernweg vorzuschlagen
- festzustellen, ob der individuelle Lernweg modifiziert werden sollte
Das systematische Beobachten einzelner Lernender ist entscheidend sowohl für den gegenwärtigen als auch für den zukünftigen Lernerfolg. Um Beobachtungen zielgerichtet und systematisch durchführen zu können, sollten die Beobachtungskriterien grundsätzlich transparent gemacht und kommuniziert werden.“ (NL-10 Lernprozesse sichtbar machen, S.23ff)
An die Beobachtung sollte sich also immer ein Gespräch anschließen, die Bobachtung ist im Grunde die Basis für das Gespräch.
„Diagnostische Gespräche dienen dazu, herauszufinden, über welche Lernvoraussetzungen, Lernbedürfnisse und Lernmöglichkeiten einzelne Lernende verfügen... [Sie] dauern in der Regel nicht länger als 10 – 15 Minuten.“ Man beobachtet die Lernenden, z.B. während sie eine Aufgabe bearbeiten, und hält sie dazu an, ihren Lernprozess zu verbalisieren.
Abgesehen von den Erkenntnissen, die man so über den Kompetenzzuwachs von Schülern bekommen kann, sind solche in den Unterricht integrierten individuellen Gespräche von pädagogischer Seite her oft sehr gewinnbringend und intensivieren die Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden ungemein. Die SuS fühlen sich wahrgenommen und ernst genommen, was sich auf ihr Lernverhalten wieder positiv auswirken kann.
Zwei solcher Beobachtungsbögen, die gar nicht unbedingt den eigentlichen Lernzuwachs im Blick haben und damit auch keine Ich kann .... – Formulierungen aufweisen, sondern eher das gesamte Arbeits- und Lernverhalten, mögen als Beispiel dienen.
Beispiel 1: Rückmeldung und Gespräch
Beispiel 2: Rückmeldung und Gespräch
Deutsch: Schulartübergreifendes Kompetenzraster – Orientierungsstufe 5/6 (BP 2016) Stand Januar 2015
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