Additum 1: Der Germanenkönig Ariovist
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Zu Beginn seiner Statthalterschaft 58 v. Chr. in Gallia Narbonensis wandten sich die Stammesfürsten der keltischen Stämme nach Caesars eigenem Bericht hilfesuchend an ihn, da sich Germanen im Gebiet der Sequaner niedergelassen hätten (Gall.1,31):
(
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,3) Der Haeduer Diviciacus übernahm es, für die Gallier zu sprechen: Es gebe zwei Parteien in ganz Gallien. Die eine werde von den Haeduern angeführt, die andere von den Arvernern. (4) Nachdem beide viele Jahre lang erbittert um die Vorherrschaft gestritten hätten, sei es dahin gekommen, dass die Arverner und die Sequaner germanische Söldner angeworben hätten. Zunächst seien etwa 15 000 über den Rhein gekommen. (5) Als sich jedoch diese wilden und barbarischen Menschen an die Vorzüge des fruchtbaren gallischen Landes, die Lebensweise und den dort herrschenden Reichtum gewöhnt hätten, seien noch mehr Stammesgenossen über den Rhein geholt worden. Gegenwärtig befänden sich daher in Gallien schon etwa 20 000 Germanen. (6) Die Haeduer und die Stämme, die unter ihrem Schutz stünden, seien gezwungen gewesen, ständig mit ihnen zu kämpfen. Sie seien ihnen jedoch unterlegen, hätten große Verluste hinnehmen müssen und Adel, Senat und Reiterei völlig eingebüßt. (7) Da ihre Kraft durch die dauernden Kämpfe und Verluste gebrochen sei, habe man sie zwingen können, die Vornehmsten des Stammes den Sequanern als Geiseln zu stellen, obwohl sie doch auf Grund ihrer Tapferkeit und ihrer freundschaftlichen Verbindung zum römischen Volk vorher in Gallien den größten Einfluss besessen hätten. Zugleich habe sich der Stamm durch einen Eid verpflichten müssen, weder die Geiseln zurückzufordern, noch das römische Volk um Unterstützung anzugehen noch abzulehnen, auf die Dauer unter ihrer Herrschaft und in ihrer Gewalt zu bleiben. (8) Er sei der einzige aus dem ganzen Stamm der Haeduer, den sie nicht dazu hätten bringen können, den Eid zu leisten oder seine Kinder als Geiseln auszuliefern. (9) Daher sei er aus seinem Stammesgebiet geflohen und nach Rom zum Senat gekommen [61 v. Chr.], um Unterstützung zu fordern, da er allein weder durch einen Eid noch durch Geiseln gebunden sei. (10) Den siegreichen Sequanern sei jedoch noch Schlimmeres zugestoßen als den besiegten Haeduern, denn Ariovist, der König der Germanen, habe sich in ihrem Land niedergelassen und ein Drittel des Gebietes besetzt, das fruchtbarste in ganz Gallien. Nun habe er angeordnet, dass die Sequaner noch ein weiteres Drittel aufgäben, weil vor wenigen Monaten 24 000 Haruden zu ihm gekommen seien, für die er Land und Wohnsitze beschaffen müsse.
(11) In wenigen Jahren werde es dahin kommen, dass sie alle aus dem gallischen Gebiet vertrieben würden, während die Germanen alle über den Rhein kämen. Das Land der Germanen sei nämlich mit dem der Gallier überhaupt nicht zu vergleichen, ebenso wenig wie die gallische Lebensweise mit der germanischen.
(12) Nachdem Ariovist jedoch einmal die Gallier in der Schlacht bei Magetobriga [60 v. Chr.] geschlagen habe, regiere er selbstherrlich und grausam, fordere die Kinder des höchsten Adels als Geiseln und strafe und foltere sie auf jede Weise, wenn etwas nicht nach seinem Wink und Willen geschehe. (13) Er sei ein jähzorniger und unberechenbarer Barbar, sie könnten die Art seiner Herrschaft nicht länger ertragen. (14) Wenn die Gallier bei Caesar und dem römischen Volk keine Unterstützung fänden, bliebe ihnen allen nur dasselbe übrig wie den Helvetiern, nämlich auszuwandern, um fern von den Germanen eine neue Heimat und neue Wohnsitze zu finden, und so ihr Glück zu versuchen, wie auch immer ihr Vorhaben ausgehen werde. (15) Es bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass Ariovist, falls man ihm dies verrate, alle Geiseln, die er in seiner Gewalt habe, hinrichten lassen werde. (16) Caesar aber könne durch das große Ansehen, das er selbst und sein Heer genieße, durch den kürzlich von ihm errungenen Sieg und den Ruf des römischen Volkes die Germanen so in Furcht versetzen, dass sie nicht noch eine größere Zahl Menschen über den Rhein brächten. Er sei in der Lage, ganz Gallien vor den Verbrechen Ariovists zu schützen.
ÜBERSETZUNG: MARIELUISE DEISSMANN 1980
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