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Aufgabe

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Inwiefern ist „Agnes“ ein typischer Roman der Postmoderne?


1) Lesen Sie die folgenden Beschreibungen von typischen Merkmalen der Postmoderne und finden Sie für jedes Merkmal ein Beispiel aus Ihrem eigenen Erfahrungsschatz.
2) Untersuchen Sie, inwiefern „Agnes“ ein typischer postmoderner Roman ist. Dazu müssen nicht alle der unten genannten Kriterien erfüllt sein, aber man wird ein Werk nur dann ‚typisch postmodern’ nennen wollen, wenn sich die Besonderheiten des Werkes auf die Ideen und Formen der Postmoderne zurückführen lassen.

Selbstreflexivität (auch: Selbstreferenzialität) : Kunst handelt von Kunst, d.h. Bücher handeln von Büchern / vom Schreiben / von der Literatur; Filme handeln von Filmen usw. Dies kann offensichtlich geschehen (die Hauptfigur des Films ist ein Drehbuchautor, die Figuren in Scream reden von den Gesetzen des Horrorfilms usw.), dies kann aber auch verdeckt vor sich gehen (der Historienfilm zeigt die Vergangenheit aus mehreren Perspektiven und zeigt dadurch, dass Geschichte eine Konstruktion der Nachwelt darstellt).

Auflösung des Individuums: Das Individuum ist keine Einheit, sondern es zerfällt in zahlreiche Aspekte seiner Persönlichkeit, die sich oft nicht miteinander vereinbaren lassen. An die Stelle des Ich tritt mehr und mehr das Bild, das sich andere von einer Person machen (z.B. Medien und Öffentlichkeit von einem Prominenten). Virtuelle Identitäten im Internet haben diese Entwicklung in den letzten Jahren enorm beschleunigt. Popstars pflegen solche multiplen Identitäten schon länger (David Bowie, Lady Gaga).

Vernunftkritik: Der menschliche Verstand wird kritisch hinterfragt: Was als ‚vernünftig’ gilt, ist oft durch Tradition, Ideologie etc. vorgeprägt. Die Welt lässt sich nicht wirklich einteilen, ordnen, verstehen – alle solche Versuche sind bestenfalls Hilfskonstruktionen, deren Bedeutung man nicht überschätzen darf.

Sprachkritik: Die Sprache wird der Vielfalt und der Komplexität der Welt nicht gerecht, z.B. ist sie niemals eindeutig; sie führt ein Eigenleben, das sich dem Zugriff des Sprechers entzieht. D.h. Sprache wirkt sich oft anders aus als vom Sprecher beabsichtigt. Hierzu gehört auch, dass viele Wendungen ‚verbraucht’ oder abgegriffen wirken, was es dem Sprecher erschwert, sich authentisch auszudrücken: Vom eigenen Empfinden führt kein befriedigender Weg mehr zu seinem sprachlichen Ausdruck, was die Kommunikation, gerade von Emotionen, erschwert.

Multiperspektivität (s. Selbstreflexivität): Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven dargestellt, die sich zumindest teilweise widersprechen. Dadurch bleibt oft unklar, was ‚eigentlich’ geschehen ist – und letztlich wird die Annahme hinterfragt, ob sich überhaupt erzählen lässt, was ‚eigentlich’ geschieht, oder ob überhaupt etwas ‚eigentlich’ geschieht, wenn es von allen Beteiligten unterschiedlich wahrgenommen wird.

Offenheit: Das postmoderne Leben ist durch eine Vielzahl an Möglichkeiten charakterisiert (‚anything goes’). Dies betrifft sogar ganze Lebensentwürfe, so dass auch Werte und Einstellungen relativiert werden. Kritiker werfen der Postmoderne daher Beliebigkeit vor.

Vielstimmigkeit: Gattungen und Textsorten, Sprachstile, Dialekte treten nebeneinander auf: Was in traditionellen Werken als Bruch – und damit als Schwäche – empfunden würde, ist hier ein absichtliches Spiel mit Erwartungen und Konventionen.

Spiel: Viele postmoderne Menschen – nicht nur Künstler – gehen kreativ und spielerisch mit der Offenheit, Mehrdeutigkeit und dem Eindeutigkeitsverlust von Sprache um. Zitate, Anspielungen, Phrasenschweine beim FußballStammtisch oder Spiele wie ‚BullshitBingo’ begegnen uns im Alltag. Künstler nutzen diesen spielerischen Zugang zur besonders fantasievollen Gestaltung ihrer Werke und arrangieren ein Spiel für den Leser.

Mehrdeutigkeit: Einzelne Sätze, aber auch ganze Werke sind mehrdeutig und nicht abschließend entschlüsselbar. Jede Vorstellung eines Zentrums (z. B. eines Sinnzentrums) wird abgelehnt. An die Stelle dieses Zentrums/Kerns tritt ein Netzwerk mit unendlich vielen Bezugsmöglichkeiten.

Intertextualität: Jeder Text geht auf zahlreiche andere Texte zurück, die man in ihm sozusagen durchschimmern sieht. Dies ist manchmal ganz einfach, wenn z. B. ein Werk / ein Künstler ausdrücklich genannt wird (z.B. Figuren laufen in einem Spielfilm an einem Filmplakat vorbei – so etwas ist nie Zufall!). Manchmal muss man aber auch versteckte Parallelen erkennen und Zitate entschlüsseln können, was nur gelingt, wenn man das Referenzwerk kennt. Solche Verfahren sind in Popmusik, Computerspielen, Filmen und TV-Serien genauso üblich wie in der zeitgenössischen Kunst und Literatur.

Entgrenzung von Realität und Fiktion: Da die Wahrnehmung von Erlebtem so unterschiedlich ist (s. Multiperspektivität), sich diese zudem nur schwer ohne Missverständnisse mitteilen lässt (s. Sprachkritik) und die Medien- und Konsumgesellschaft durch Inszenierung von Wirklichkeit (selbst in den Nachrichten) und durch Werbung die Existenz einer verbindlichen ‚Wirklichkeit’ weiter in Frage stellen, lässt sich zwischen Realität und Fiktion oft nicht mehr unterscheiden. Beispielhaft hierfür ist, schon im Namen, die „Doku-Soap“. Wahrheit erscheint häufig – nicht nur, aber eben auch im Internet – als gemacht. In Kunst und Literatur wird dieser Zustand besonders fantasievoll ausgebeutet und gestaltet (s. Spiel).