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Dia­lek­ti­sche Er­ör­te­rung und Essay: „Ab­trei­bung“?

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

06 Trai­nings­auf­ga­be

68. Dia­lek­tisch Er­ör­tern (Wie­der­ho­lungs­schlei­fe Stan­dards 10)

Was spricht für, was gegen Ab­trei­bung?

T 1

Schwan­ger­schafts­un­ter­bre­chung ist heut­zu­ta­ge eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Grund­sätz­lich be­trach­tet: Wo kämen wir hin ohne Schwangerschaftsunter­brechungen? Fort­schritt in Me­di­zin und Tech­nik nö­ti­gen ge­ra­de den ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ten Men­schen zu neuen Maß­nah­men. Ver­drei­fa­chung der Mensch­heit in einem Jahr­hun­dert. Frü­her keine Hy­gie­ne. Zeu­gen und ge­bä­ren und im ers­ten Jahr ster­ben las­sen, wie es der Natur ge­fällt, das ist pri­mi­ti­ver, aber nicht ethi­scher. […] Hei­lig­keit des Le­bens! Die na­tür­li­che Über­pro­duk­ti­on (wenn wir drauf­los­ge­bä­ren wie die Tiere) wird zur Ka­ta­stro­phe; nicht Er­hal­tung der Art, son­dern Ver­nich­tung der Art. […] Ein Blick auf die Sta­tis­tik: Rück­gang der Tu­ber­ku­lo­se bei­spiels­wei­se, Er­folg der Pro­phy­la­xe, Rück­gang von 30% auf 8%. Der liebe Gott! Er mach­te es mit Seu­chen; wir haben ihm die Seu­chen aus der Hand ge­nom­men. Folge davon: wir müs­sen ihm auch die Fort­pflan­zung aus der Hand neh­men. Kein Anlaß zu Ge­wis­sens­bis­sen, im Ge­gen­teil: Würde des Men­schen, ver­nünf­tig zu han­deln und selbst zu ent­schei­den. Wenn nicht, so er­set­zen wir die Seu­chen durch Krieg. Schluß mit Ro­man­tik. Wer die Schwan­ger­schafts­un­ter­bre­chung grund­sätz­lich ab­lehnt, ist ro­man­tisch und un­ver­ant­wort­lich. […] Es sind immer die Mo­ra­lis­ten, die das meis­te Un­heil an­rich­ten. Schwan­ger­schafts­un­ter­bre­chung: eine Kon­se­quenz der Kul­tur, nur der Dschun­gel ge­bärt und ver­west, wie die Natur will. Der Mensch plant. […] Wir leben tech­nisch, der Mensch als Be­herr­scher der Natur, der Mensch als In­ge­nieur, und wer da­ge­gen redet, der soll auch keine Brü­cke be­nut­zen, die nicht die Natur ge­baut hat. […] Dann auch keine Glüh­bir­ne, kei­nen Motor, keine Atom-En­er­gie, keine Re­chen­ma­schi­ne, keine Nar­ko­se – dann los in den Dschun­gel!      

(S. 105-107)

T 2

aus: Kon­gre­ga­ti­on für Glau­bens­leh­re, Er­klä­rung über den Schwan­ger­schafts­ab­bruch

Qua­es­tio de ab­or­tu pro­cura­to
vom 18. No­vem­ber 1974

III. Im Lich­te der Ver­nunft

8. Die Ach­tung vor dem mensch­li­chen Leben drängt sich nicht den Chris­ten al­lein auf; es ge­nügt die Ver­nunft, sie zu for­dern, indem man von der Ana­ly­se aus­geht, was eine Per­son ist und sein  muss. Aus­ge­stat­tet mit einer ver­nunft­be­gab­ten Natur ist der Mensch ein per­sön­li­ches Sub­jekt, das fähig ist, über sich selbst nach­zu­den­ken, über seine Hand­lun­gen zu ent­schei­den und dem­nach über sein ei­ge­nes Ge­schick: er ist frei. Er ist folg­lich Herr über sich selbst oder viel­mehr, weil er sich in der Zeit ent­fal­tet, hat er die Mög­lich­keit, es zu wer­den, und hier liegt seine Auf­ga­be. Un­mit­tel­bar von Gott er­schaf­fen, ist seine Seele geis­tig, also un­sterb­lich. Er ist auch offen für Gott; nur in ihm fin­det er seine Er­fül­lung. Er lebt aber in der Ge­mein­schaft mit sei­nes­glei­chen, er lebt von der zwi­schen­mensch­li­chen Ver­bin­dung mit ihnen und im un­ab­ding­ba­ren so­zia­len Mi­lieu. Ge­gen­über der Ge­sell­schaft und den an­de­ren Men­schen ist jede mensch­li­che Per­son Herr über sich selbst, über ihr Leben, über ihre ver­schie­de­nen Güter, und zwar von Rechts wegen. Daher wird von allen ihr ge­gen­über eine stren­ge Ge­rech­tig­keit ver­langt.

9. Das zeit­li­che Leben je­doch, das in die­ser Welt ge­lebt wird, ist nicht gleich­zu­set­zen mit der Per­son. Denn sie be­sitzt eine ei­ge­ne Ebene hö­he­ren Le­bens, das nicht enden kann. Das kör­per­li­che Leben ist ein fun­da­men­ta­les Gut, hier auf Erden Vor­aus­set­zung aller an­de­ren Güter. Es gibt aber hö­he­re Werte, für die es ge­recht­fer­tigt oder selbst not­wen­dig sein kann, sich der Ge­fahr aus­zu­set­zen, das zeit­li­che Leben zu ver­lie­ren. In der mensch­li­chen Ge­sell­schaft ist das Ge­mein­wohl für jede Per­son ein Ziel, dem sie die­nen  muss und dem sie ihre per­sön­li­chen In­ter­es­sen un­ter­zu­ord­nen hat. Aber es ist nicht ihr letz­ter Zweck, und unter die­sem Ge­sichts­punkt ist es die Ge­sell­schaft, die im Dienst der Per­son steht, weil diese nur in Gott ihre Be­stim­mung ver­wirk­li­chen wird. End­gül­tig kann sie nur Gott un­ter­ge­ord­net sein. Man wird nie­mals einen Men­schen wie ein ein­fa­ches Mit­tel be­han­deln dür­fen, des­sen man sich be­dient, um ein hö­he­res Ziel zu er­rei­chen.

10. Es ist Auf­ga­be der Sit­ten­leh­re, die Ge­wis­sen zu un­ter­rich­ten über die Rech­te und die wech­sel­sei­ti­gen Pflich­ten der Per­son und der Ge­sell­schaft, und dem Recht kommt es zu, die Leis­tun­gen fest­zu­le­gen und zu or­ga­ni­sie­ren. Es gibt nun viele Rech­te, die die Ge­sell­schaft nicht zu ge­wäh­ren hat, weil sie ihr über­ge­ord­net sind. Aber es ist ihre Auf­ga­be, sie zu schüt­zen und gel­tend zu ma­chen. Es sind gro­ßen­teils jene Rech­te, die man heute „Men­schen­rech­te“ nennt, und un­se­re Epo­che rühmt sich, sie for­mu­liert zu haben.

11. Das erste Recht einer mensch­li­chen Per­son ist das Recht auf Leben. Sie hat an­de­re Güter und ei­ni­ge wert­vol­le­re, aber die­ses ist grund­le­gend, weil Vor­aus­set­zung für alle an­de­ren. So  muss es mehr als alle an­de­ren ge­schützt wer­den. Es steht nicht der Ge­sell­schaft zu, es steht nicht der staat­li­chen Au­to­ri­tät zu, wel­cher Art sie auch immer sei, die­ses Recht ei­ni­gen zu­zu­er­ken­nen und an­de­ren nicht. Jede Dis­kri­mi­nie­rung ist wi­der­recht­lich, ob sie sich nun auf die Rasse, das Ge­schlecht, die Farbe oder die Re­li­gi­on grün­det. Nicht die An­er­ken­nung durch einen an­de­ren be­wirkt die­ses Recht, es be­stand vor­her; es for­dert An­er­ken­nung, und es ist ein­deu­ti­ges Un­recht, diese zu ver­wei­gern.

12. Eine Dis­kri­mi­nie­rung, die sich auf die ver­schie­de­nen Le­bens­al­ter stützt, ist eben­so wenig ge­recht­fer­tigt wie jede an­de­re. Das Recht auf Leben bleibt ganz einem Greis, auch wenn er noch so ge­brech­lich ist. Ein un­heil­bar Kran­ker hat die­ses Recht nicht ver­lo­ren. Es be­steht nicht we­ni­ger zu Recht bei einem klei­nen Kind, das so­eben ge­bo­ren ist, als bei einem rei­fen Men­schen. In der Tat, die Ach­tung vor dem mensch­li­chen Leben ist eine Pflicht, so­bald der Le­bens­pro­zess be­ginnt. So­bald das Ei be­fruch­tet ist, hat ein neues Leben ein­ge­setzt, das nicht jenes des Va­ters noch der Mut­ter ist, son­dern das eines neuen mensch­li­chen We­sens, das sich für sich selbst ent­wi­ckelt. Es wird nie­mals mensch­lich wer­den, wenn es nicht ein sol­ches von jenem Zeit­punkt an ist.

13. Zu die­ser Evi­denz, die schon immer be­stand (ganz un­ab­hän­gig von den Dis­kus­sio­nen über den Zeit­punkt der Be­see­lung), lie­fert die mo­der­ne ge­ne­ti­sche Wis­sen­schaft wert­vol­le Be­stä­ti­gun­gen. Sie hat ge­zeigt, dass vom ers­ten Au­gen­blick an das Pro­gramm fest­steht, was die­ses Le­be­we­sen sein wird: ein Mensch, die­ser in­di­vi­du­el­le Mensch mit sei­nen cha­rak­te­ris­ti­schen und schon be­stimm­ten Ei­gen­schaf­ten. Seit der Be­fruch­tung hat das Aben­teu­er eines mensch­li­chen Le­bens be­gon­nen, für das jede der gro­ßen An­la­gen Zeit braucht, eine hin­rei­chend lange Zeit, um ihren Platz ein­zu­neh­men und um ak­ti­ons­fä­hig zu wer­den. Zu­min­dest kann man sagen, dass die heu­ti­ge Wis­sen­schaft auf ihrem höchs­ten Ent­wick­lungs­stand den Ver­tei­di­gern der Ab­trei­bung kei­ner­lei we­sent­li­che Stüt­ze bie­tet. […] In ethi­scher Hin­sicht aber steht fest: Selbst wenn ein Zwei­fel be­ste­hen soll­te über die Tat­sa­che, dass die Frucht der Emp­fäng­nis schon eine mensch­li­che Per­son sei, so be­deu­tet es je­doch ob­jek­tiv eine schwe­re Sünde, das Ri­si­ko einer Tö­tung ein­zu­ge­hen. „Der ist schon ein Mensch, der es sein wird.“

IV. Ant­wort auf ei­ni­ge Ein­wän­de

14. Das gött­li­che Ge­setz und die na­tür­li­che Ver­nunft schlie­ßen also jedes Recht aus, einen un­schul­di­gen Men­schen zu töten.

Wenn je­doch die vor­ge­brach­ten Grün­de, um einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch zu recht­fer­ti­gen, immer schlecht und wert­los wären, wäre das Pro­blem nicht so dra­ma­tisch. Seine Ge­wich­tig­keit kommt daher, dass in be­stimm­ten Fäl­len, viel­leicht ziem­lich zahl­rei­chen, die Ver­wei­ge­rung des Schwan­ger­schafts­ab­bru­ches wich­ti­ge Güter ver­letzt, die man nor­ma­ler­wei­se schätzt und die selbst zu­wei­len vor­ran­gig er­schei­nen kön­nen. Wir ver­ken­nen diese gro­ßen Schwie­rig­kei­ten nicht. Es kann viel­leicht eine schwer­wie­gen­de Frage der Ge­sund­heit sein, zu­wei­len von Leben und Tod der Mut­ter. Es kann die Last sein, die ein wei­te­res Kind be­deu­tet, vor allem, wenn gute Grün­de be­fürch­ten las­sen, dass es ein anor­ma­les oder zu­rück­ge­blie­be­nes Kind wird. Es kann das Ge­wicht sein, das je nach Um­welt Rück­sich­ten auf Ehre und Un­eh­re, auf so­zia­len Ab­stieg usw. haben.

Wir er­klä­ren nur, dass nie­mals einer die­ser Grün­de ob­jek­tiv das Recht geben kann, über das Leben, selbst das be­gin­nen­de, eines an­de­ren zu ver­fü­gen. Und was kom­men­des Un­glück des Kin­des be­trifft, so darf sich nie­mand, auch nicht der Vater oder die Mut­ter, an seine Stel­le set­zen, selbst wenn es noch ein Em­bryo ist, um in sei­nem Namen den Tod dem Leben vor­zu­zie­hen. Es selbst wird auch im rei­fen Alter nie­mals das Recht haben, den Selbst­mord zu wäh­len. Wenn schon das Kind im Hin­blick auf sein Alter von sich aus keine Ent­schei­dung tref­fen kann, so kön­nen noch viel we­ni­ger seine El­tern für es den Tod wäh­len. Das Leben ist ein allzu fun­da­men­ta­les Gut, als dass man es so mit selbst schwe­ren Nach­tei­len gleich­set­zen könn­te.

zi­tiert nach: s.u.  

(C) Text mit freund­li­cher Ge­neh­mi­gung des Va­ti­kans
  http://​www.​va­ti­can.​va/​ro­man_​curia/​con​greg​atio​ns/​cfaith/​do­cu­ments/​rc_​con_​cfait­h_​doc_​19741118_​de­cla­ra­ti­on-​ab­or­ti­on_​ge.​html (letz­ter Auf­ruf 08.03. 2012)

Auf­ga­ben:

  1. Kür­zen Sie (am Com­pu­ter) den Text in der rech­ten Spal­te auf die Länge des Text­aus­zu­ges aus „Homo faber“ so, dass die Kern­aus­sa­ge er­hal­ten bleibt.
    Mar­kie­ren Sie in bei­den Spal­ten die ge­gen­sätz­li­chen Po­si­tio­nen
  1. Schrei­ben Sie aus der Sicht von Faber eine Ent­geg­nung auf ein zen­tra­les Ar­gu­ment der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on – oder um­ge­kehrt.
  1. Neh­men Sie selbst aus­ge­hend von den bei­den Po­si­tio­nen per­sön­lich Stel­lung zum Thema..

06 Trai­nings­auf­ga­be

69 Übung für Essay

  1. Er­stel­len Sie aus den bei­den Tex­ten je einen Ab­stract.
  2. Re­cher­chie­ren Sie für ein Dos­sier zum Thema 2 wei­te­re mar­kan­te Texte für und wider Ab­trei­bung und kür­zen Sie diese auf die Länge von T1.

  Klau­sur

 

Dia­lek­ti­sche Er­ör­te­rung: „Ab­trei­bung“?: Her­un­ter­la­den [doc] [47 KB]