Kriterium
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„Dantons Tod“
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„Homo faber“
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„Agnes“
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In welchen Zusammen-hängen kommt der Tod
vor?
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Tod als Zeichen und Instrument der Schreckensherrschaft
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belastet Dantons Gewissen (vgl. II.5)
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Erzählung Marions (vgl. I.5)
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Hinrichtung Dantons und seiner Anhänger
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Diskussionen: erst Lebensüberdruss (vgl. z.B. II.1), dann Verzweiflung
angesichts des bevorstehenden Todes (vgl. III.7, IV.3, IV.5)
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Aufopferung Julies (IV.6) und Luciles (IV.9)
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Verblüffende „Bildkorrespondenz“ (Olaf Hildebrand) der
Todesereignisse in I.5 und IV.6
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Danton und seine Anhänger fühlen sich als historische Figuren versteinert
(„Wir stanken bei Lebzeiten schon hinlänglich“, IV.5)
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Tod als Metapher in der poetologischen Polemik gegen den Klassizismus:
Camilles Klage über „hölzerne[ ] Kopien“, Dantons Gedanken
an Davids Zeichnungen von Gemordeten; Pygmalion-Motiv (vgl. jew. II.3)
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Faber erfährt die Natur als sterbend, verwesend, z.B. durch Geier
(vgl. S. 53, 68)
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der tote Joachim
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Sabeths Tod und Walters Schuld
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Walters Tod
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Aufarbeitung / Bewältigung dieser Todeserfahrungen im „Bericht“
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Faber scheitert mit dem Versuch, den Tod durch Filmen zu überwinden
oder wenigstens zu dokumentieren
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Metaphorik: Fäulnis, Verwesung
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Der zweite Ausgang der Erzählung (S. 150-152)
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Agnes’ vermutlicher Suizid (S. 9, S. 153)
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Pygmalion-Motiv: Autor erschafft seine Figur und kann ihr das Leben
nehmen
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Selbstmordgedanken des Erzählers (S. 9)
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die tote Frau und das Gespräch über den Tod, den Agnes fürchtet (S.
23)
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intertextuelle Anspielungen auf Todes-Texte, z.B. Gedicht von Robert
Frost (S. 24), Kokoschka-Stück „Mörder, Hoffnung der Frauen“
(S. 39)
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verlassene Siedlung und Friedhof im Nationalpark (vgl. Kap. 15 und
16)
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Agnes erzählt von totem Mädchen in Zeltlager, vgl. S. 32f.
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das verlorene Kind (S. 111): „es ist in mir gestorben“
(S. 131)
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Traum des Erzählers, in dem Agnes flüstert: „Du bist tot.“
(S. 81)
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Funktion des Todes in der Gesamt-/Handlungs-struktur
des Werkes
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Erwähnung im Titel lenkt Aufmerksamkeit vom ‚Was?’ auf
das ‚Wie?’
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„Das ganze Drama ist fünfter Akt.“ (H. Mayer)
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löst philosophische, religiöse Reflexionen und Gespräche aus
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Faber schreibt zwischen zwei Toden, dem Sabeths und seinem eigenen
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Auseinandersetzung mit der Schuld an Sabeths Tod prägt den gesamten
Roman
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Ich-Erzählung wohl ausgelöst durch Agnes’ Verschwinden (vgl.
Rahmung durch Kap. 1 und 36)
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Tod als Leitmotiv des Romans
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Umgang der Hauptfigur mit dem Tod
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s.o.: erst Lebensüberdruss (z.B. II.1: „Ich habe es satt“),
dann Angst und Verzweiflung angesichts des bevorstehenden Todes (vgl.
III.7, IV.3, IV.5)
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zunächst: Verdrängung und Versuch, durch Technik und Rationalität
das Natürliche (und damit den Tod) zu leugnen; idealtypisch durch Statistik
zur „Mortalität bei Schlangenbiß“, S. 130
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später: euphorische Bejahung des Lebens, geht einher mit echter Auseinandersetzung
mit Sabeths Tod, der eigenen Schuld und dem erwarteten Tod
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Durch Filmen will sich Faber zunächst (auch) den Tod vom Leib halten;
später stellt er fest, dass dies nicht geht.
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Ich-Erzähler schreibt Agnes’ Tod in seiner Geschichte vor: lenkt
Agnes, führt sie wie eine Figur: verantwortungsloser Umgang mit der
zweiten, tödlichen Version (S. 139, 150)
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Schuldgefühle wg. Agnes’ Suizid erkennbar (z.B. Kap. 1, 36),
aber ohne ausdrückliches Eingeständnis
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Rückkehr zu den Erinnerungen an Agnes, z.B. Ansehen des Films (Kap.
1, 36)
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Kein emotional intelligenter Zugang des Erzählers zum Tod (vgl. Gespräch
in Kap. 4)
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Umgang anderer Figuren mit dem Tod
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Robespierre / St. Just glauben an die gesellschaftlich heilsame Kraft
der Hinrichtungen (vgl. z.B. I.6)
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Julie / Lucile folgen ihren Gatten in den Tod: „Es ist so hübsch
Abschied nehmen“ (Julie, IV.6); Luciles existenzielle Verzweiflung:
„ich will [...] schreien“ (IV.8)
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Tod des Jünglings ist für Marion „der einzige Bruch in meinem
Wesen“ (I.5), d.h. der einzige Moment der Verunsicherung in ihrem
unbedingten Sensualismus
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Marcel als Gegenfigur, der die Kreatürlichkeit des Menschen auch im
Tod akzeptiert: „Tu sais que la mort es femme! [...] et que la
terre est femme!“ (S. 69)
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Hanna als Gegenfigur, die Faber vorwirft, als typischer Techniker
die Welt und den Tod zu leugnen (vgl. S. 169f.)
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Agnes hat Angst vor dem Tod, „einfach, weil dann alles zu Ende
ist“ (S. 24)
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Dennoch hält Agnes das Erfrieren für einen „schöne[n] Tod“
(S. 78) – der Erzähler greift dies in seinem zweiten Ende der
Geschichte auf (vgl. S. 152)
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Agnes liefert sich selbst aus, indem sie sich dem Erzähler als Figur
seiner Geschichte zur Verfügung stellt (z.B. S. 63f.)
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Agnes lehnt es ab, auf einem Friedhof zu filmen (vgl. S. 77)
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Agnes’ Belastung durch das verlorene Kind: „Ein Kind ist
in mir gestorben [...]. Es ist in mir gewachsen, und es ist in mir gestorben.
Weißt du, was das heißt?“ (S. 131)
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Auswirkungen
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Nihilismus, Fatalismus (z.B. IV.3, IV.5) als Ergebnis des eigenen
Schicksals
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Verdrängung („sie werden’s nicht wagen“, II.4)
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Sabeths Tod und die anschließende Konfrontation mit Hanna sind Schlüsselerlebnisse
für Faber auf seinem Weg zur Veränderung / Öffnung / Einsicht
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Am Ende: Hinwendung zum Leben und Bewusstsein des Todes, was zur Aufwertung
des Augenblicks führt: „Ewigkeit im Augenblick. Ewig sein: gewesen
sein.“ (S. 199)
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Erzähler arbeitet sich an der Erinnerung an Agnes ab: Dieser Prozess
und jener der Einsicht in seine Schuld sind aber noch nicht abgeschlossen
(vgl. z.B. Kap. 1, 36)
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