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Station 4 C: Figuren vergleichen und die Figurenkonstellation erschließen

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

„Dantons Tod“ – Dialoganalyse 3 – Station 4:
Figuren vergleichen und die Figurenkonstellation erschließen

C → C*

Erster Akt, fünfte Szene (Ausschnitt)



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Ein Zimmer - Danton. Marion.
Marion . Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen.
Danton . Du könntest deine Lippen besser gebrauchen.
Marion . Nein, laß mich einmal so. - Meine Mutter war eine kluge Frau; sie sagte
mir immer, die Keuschheit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute ins Haus kamen
und von manchen Dingen zu sprechen anfingen, hieß sie mich aus dem Zimmer
gehn; frug ich, was die Leute gewollt hätten, so sagte sie mir, ich solle mich
schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen, so mußt' ich fast immer einige Seiten
überschlagen. Aber die Bibel las ich nach Belieben, da war alles heilig; aber es war
etwas darin, was ich nicht begriff. Ich mochte auch niemand fragen, ich brütete über
mir selbst. Da kam der Frühling; es ging überall etwas um mich vor, woran ich keinen
Teil hatte. Ich geriet in eine eigne Atmosphäre, sie erstickte mich fast.
Ich betrachtete meine Glieder; es war mir manchmal, als wäre ich doppelt
und verschmölze dann wieder in eins. Ein junger Mensch kam zu der Zeit ins Haus; er
war hübsch und sprach oft tolles Zeug; ich wußte nicht recht, was er wollte, aber ich
mußte lachen. Meine Mutter hieß ihn öfters kommen, das war uns beiden recht.
Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht ebensogut zwischen zwei Bettüchern
beieinander liegen, als auf zwei Stühlen nebeneinander sitzen durften. Ich fand dabei
mehr Vergnügen als bei seiner Unterhaltung und sah nicht ab, warum man mir das
geringere gewähren und das größere entziehen wollte. Wir taten's heimlich.
Das ging so fort. Aber ich wurde wie ein Meer, was alles verschlang und sich tiefer
und tiefer wühlte. Es war für mich nur ein Gegensatz da, alle Männer verschmolzen
in einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann da drüber hinaus? Endlich merkt'
er's. Er kam eines Morgens und küßte mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme
schnürten sich um meinen Hals, ich war in unsäglicher Angst. Da ließ er mich los und
lachte und sagte: er hätte fast einen dummen Streich gemacht; ich solle mein Kleid
nur behalten und es brauchen, es würde sich schon von selbst abtragen, er wolle mir
den Spaß nicht vor der Zeit verderben, es wäre doch das einzige, was ich hätte.
Dann ging er; ich wußte wieder nicht, was er wollte. Den Abend saß ich am Fenster;
ich bin sehr reizbar und hänge mit allem um mich nur durch eine Empfindung
zusammen; ich versank in die Wellen der Abendröte. Da kam ein Haufe die Straße
herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den Fenstern. Ich sah
hinunter: sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der Mond schien auf seine bleiche
Stirn, seine Locken waren feucht, er hatte sich ersäuft. Ich mußte weinen. - Das war
der einzige Bruch in meinem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage,
sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren
Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal nach. Ich
begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine Veränderung. Ich bin immer
nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine
Mutter ist vor Gram gestorben; die Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm.
Es läuft auf eins hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern,
Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am meisten
genießt, betet am meisten.
Danton . Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht
ganz umschließen?
Marion . Danton, deine Lippen haben Augen.
Danton . Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden, um
mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.

(C) Text "Dantons Tod" Text mit freundlicher Genehmigung der Zenodot Verlagsgesellschaft mbH
  http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCchner,+Georg/Dramen/Dantons+Tod

Interpretieren Sie (stichwortartig) den vorgelegten Ausschnitt aus I.5.

Entwerfen Sie eine Skizze zur Figurenkonstellation, durch die die Rolle der Frauen im Drama deutlich wird, und fassen Sie anschließend thesenartig das Konzept der Frauenfiguren zusammen .

Der Operator „interpretieren“ verlangt eine sowohl erklärende als auch wertende Untersuchung von Textinhalt und Textform und ihrer Wechselbeziehung.

Achten Sie bei Ihrer Skizze darauf, dass das Wesentliche des zu erarbeitenden Aspektes deutlich wird.

Der Operator „thesenartig zusammenfassen“ verlangt eine komprimierte Wiedergabe Ihrer Beobachtungen in wenigen Sätzen.


Fortbildungsmaterial zum standardbasierten und kompetenzorientierten Unterricht im Fach Deutsch (Kursstufe)

  Lösungsvorschläge

 

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