M 13 Übungsaufsatz
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Textgrundlage: Büchner, „Dantons Tod“, II.5
Aufgabenstellung:
- Interpretieren Sie die Szene im Kontext der vorangegangenen Handlung.
- Untersuchen Sie in einer vergleichenden Betrachtung, wie Danton, Faber und der Ich-Erzähler in „Agnes“ mit ihrer Schuld umgehen.
Fünfte Szene
Ein Zimmer
Es ist Nacht.
Danton
(
am Fenster
). Will denn das nie aufhören? Wird das Licht
nie ausglühn und der Schall nie modern? Will's denn nie still und dunkel werden,
dass wir uns die garstigen Sünden einander nicht mehr anhören und ansehen?
September! –
Julie
(
ruft von innen
). Danton! Danton!
Danton
. He?
Julie
(
tritt ein
). Was rufst du?
Danton
. Rief ich?
Julie
. Du sprachst von garstigen Sünden, und dann stöhntest du: September!
Danton
. Ich, ich? Nein, ich sprach nicht; das dacht' ich kaum, das waren
nur ganz leise, heimliche Gedanken.
Julie
. Du zitterst, Danton!
Danton
. Und soll ich nicht zittern, wenn so die Wände plaudern? Wenn
mein Leib so zerteilt ist, dass meine Gedanken unstet, umirrend mit den Lippen
der Steine reden? Das ist seltsam.
Julie
. Georg, mein Georg!
Danton
. Ja, Julie, das ist sehr seltsam. Ich möchte nicht mehr denken,
wenn das gleich so spricht. Es gibt Gedanken, Julie, für die es keine Ohren
geben sollte. Das ist nicht gut, dass sie bei der Geburt gleich schreien wie
Kinder; das ist nicht gut.
Julie
. Gott erhalte dir deine Sinne! – Georg, Georg, erkennst du mich?
Danton
. Ei warum nicht! Du bist ein Mensch und dann eine Frau und endlich
meine Frau, und die Erde hat fünf Weltteile, Europa, Asien, Afrika, Amerika,
Australien, und zwei mal zwei macht vier. Ich bin bei Sinnen, siehst du. – Schrie's
nicht September? Sagtest du nicht so was?
Julie
. Ja, Danton, durch alle Zimmer hört ich's.
Danton
. Wie ich ans Fenster kam – (
er sieht hinaus
:) die Stadt
ist ruhig, alle Lichter aus...
Julie
. Ein Kind schreit in der Nähe.
Danton
. Wie ich ans Fenster kam – durch alle Gassen schrie und zetert'
es: September!
Julie
. Du träumtest, Danton. Faß dich!
Danton
. Träumtest? Ja, ich träumte; doch das war anders, ich will dir
es gleich sagen – mein armer Kopf ist schwach – gleich! So, jetzt hab ich's:
Unter mir keuchte die Erdkugel in ihrem Schwung; ich hatte sie wie ein wildes
Ross gepackt, mit riesigen Gliedern wühlt' ich in ihren Mähnen und presst' ich
ihre Rippen, das Haupt abwärts gewandt, die Haare flatternd über dem Abgrund;
so ward ich geschleift. Da schrie ich in der Angst, und ich erwachte. Ich trat
ans Fenster – und da hört' ich's, Julie.
Was das Wort nur will? Warum gerade das? Was hab ich damit zu schaffen? Was
streckt es nach mir die blutigen Hände? Ich hab es nicht geschlagen. – O hilf
mir, Julie, mein Sinn ist stumpf! War's nicht im September, Julie?
Julie
. Die Könige waren nur noch vierzig Stunden von Paris...
Danton
. Die Festungen gefallen, die Aristokraten in der Stadt...
Julie
. Die Republik war verloren.
Danton
. Ja, verloren. Wir konnten den Feind nicht im Rücken lassen, wir
wären Narren gewesen: zwei Feinde auf einem Brett; wir oder sie, der Stärkere
stößt den Schwächeren hinunter – ist das nicht billig?
Julie
. Ja, ja.
Danton
. Wir schlugen sie – das war kein Mord, das war Krieg nach innen.
Julie
. Du hast das Vaterland gerettet.
Danton
. Ja, das hab ich; das war Notwehr, wir mussten. Der Mann am Kreuze
hat sich's bequem gemacht: es muss ja Ärgernis kommen, doch wehe dem, durch
welchen Ärgernis kommt! Es muss; das war dies Muss. Wer will der Hand fluchen,
auf die der Fluch des Muss gefallen? Wer hat das Muss gesprochen, wer? Was
ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten
Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst! die Schwerter, mit denen
Geister kämpfen – man sieht nur die Hände nicht, wie im Märchen. – Jetzt bin
ich ruhig.
Julie
. Ganz ruhig, lieb Herz?
Danton
. Ja, Julie; komm, zu Bette!
Georg Büchner: Dantons Tod. Quelle: http://www.zeno.org - Zenodot Verlagsgesellschaft
mbH
http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCchner,+Georg/Dramen/Dantons+Tod/
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