Literaturverfilmung
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Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.
Mythologie und mythologische Anspielungen in
Schlöndorff: Homo faber
Frischs Roman und dessen Verfilmung arbeiten mit Motiven aus der antiken Mythologie. Beide benutzen assoziative Verknüpfungen, z.B. das Schlangenmotiv zum Eurydike-Orpheus-Mythos, das Erntemotiv zum Demeter-Hades-Persephone-Mythos. Es handelt sich um Eros-Thanatos-Motive (Tod und Erotik), denen Faber in den Museen bereits begegnet ist; sie eröffnen ihm eine neue Weltsicht – er kommt zur Ruhe, hat Zeit zum Schauen, er öffnet sich neuen Seiten des Seins. (Hier nimmt der Film übrigens Aspekte des Romans vorweg, die in Habana angesiedelt sind!)
Aber weder der Film noch das Buch haben einen klaren und eindeutigen Verweischarakter.
(vgl. etwa: Kranzbühler: Mythenmontage im Homo faber, Seite 215) Die Figuren
des Romans lassen sich auf mehrere mythologische Gestalten beziehen, Elisabeth
kann als Hermes, Aphrodite, Kore oder Antigone gesehen werden – aber immer nur
in einigen wenigen Aspekten, Belege finden sich zahlreich in der Sekundärliteratur.
Daher muss vor einer vereinfachten Gleichsetzung gewarnt werden.
Schlöndorff hat am offensichtlichsten das Motiv des „Sehens“ als „Erkennen“
aufgegriffen, die Brille Fabers und dessen Umgang mit den Augen bietet ihm hierzu
einen bildhaften Zugang. Zudem spielt Sabeth mit ihm mehrfach das Symbol der
„Blindheit“ durch, das an Ödipus erinnern kann. Hierzu dient als Beleg die Fahrt
nach Avignon, in der sie ihm die Augen zuhält und den Wagen lenkt, ähnlich wie
Antigone den blinden Vater aus der Stadt führt. (58.00)
Faber: Es sind meine Augen, die nachlassen
Sabeth: Ich kann für dich sehen – komm schon. Du nimmst Gas und Bremse!
Sabeth beschreibt die Straße, auf der sie fahren, Faber schaut weg und küsst
Sabeth den Hals.
Der Verweischarakter der „realen“ Dinge ist für Schüler/innen schwer zu erkennen, so sind etwa die Schlange bzw. die dreschenden Frauen (vgl. "Schnitter Tod" im Deutschen) im Film nicht in erster Linie Konkreta, sondern sinnhaftes Bild bzw. Symbol. Die "Realität" gewinnt "Verweischarakter". Der Zuschauer (!) muss sich wie Faber eine bildhafte Sinnhaftigkeit im Sein erarbeiten und gewinnt damit wie Faber einen neuen Blick auf Welt und Sein. Der "Faber-Macher" mit seinem verkürzten Blick gewinnt eine neue "Per-spektive" ((perspicere=lat. "durchblicken"). Daher sollte mit der Arbeit an „offensichtlichen“ Parallelen begonnen werden, etwa dem Motiv des „Sehens“ und „Nicht-Sehens“.
Die Auseinandersetzung mit mythologischen Motiven beginnt mit einem Dialog
zwischen Faber und Hanna. Zunächst können hier filmische Elemente benannt werden,
vor allem der
Einsatz der Musik, das Mittel der Montage und ganz entscheidend der Zusammenhang
zwischen gesprochenem Text und den Bildern – Text und Bilder ergänzen sich in
ihrer Aussage, indem sie in Teilen gänzlich anderes erzählen. Der Dialog ist
zusammengesetzt aus Einzelstücken des Originaltextes, die (dominante) bildmetaphorische
Ebene wird von Fabers Blickrichtung bestimmt wird – beide Ebenen fallen zusammen,
als Hanna Sabeth mit einem mythologischen Wesen vergleicht. Von hier aus werden
Details des Films im Nachhinein entschlüsselbar, daher beginnt die Analyse der
mythologischen Anspielungen mit der Analyse dieses Dialogs.
HANNA und WALTER – Dialog- und Szenenanalys
Teil 1
W: Und wie lange – seit wann lebst du schon
in Athen?
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H: (Off) Elsbeth ist hier zur Schule gegangen
Hanna betritt den Raum –
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Sie räumt geschäftig einen Stuhl frei – Faber steht weiter vor dem Bücherregal. Dann durchquert er den Raum nach der anderen Seite – zu einem Schreibtisch |
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W: Und du bist tatsächlich Archäologin geworden? |
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H: Du siehst ja – Scherbenarbeit. Ich kleistere die Vergangenheit zusammen |
Teil 2
Hanna geht zum Schreibtisch, nimmt Faber
das Bild aus der Hand:
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H: Die Haare – sehr schön herausgearbeitet Faber berührt Hanna an der Schulter – während diese weiter das Bild beschreibt, wendet er seinen Blick in Richtung Bücherschrank mit dem Kinderbild Sabeths. |
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H: Wahrscheinlich eine Aphrodite oder Nereide |
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W: Äh- was ist eine Nereide? H (sehr lebendig) Eine Nereide ist ein Seenymphe, ein mythologisches Wesen, das im Meer lebt, eine Art Meerjungfrau. Faber wendet den Blick wieder zum Bücherschrank |
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H: Siehst du das Kleid? Also ob es nass wäre. |
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H: Es ist typisch für diese Art von….
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Kompetenzbeschreibung:
Ausgeklammert bleibt zunächst die Frage nach der Musik in den ersten Sekunden
der Sequenz, als die Personen schweigen.
Dialog |
Handlung / Bildregie |
Deutung / Zusammenhang |
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Level A |
Die Voraussetzungen für den Dialog werden benannt (nur Faber weiß zu diesem Zeitpunkt um die Geschehnisse, Hanna ist ahnungslos), Hanna größerer Redeanteil wird erkannt, Faber als Fragender. Die Informationen des Textes werden verstanden. |
Grundlegende Verhaltensweisen von Faber und Hanna werden wiedergegeben (Gang vom Bücherschrank zum Schreibtisch, Wechsel der Blicke von Hanna zu Sabeth), |
Die unterschiedliche Zuordnung von Text und Bild werden nicht kommentiert, Fabers Blicke zu Sabeths Bild werden erklärt (Faber in Gedanken etc) |
Level B |
Die Dialogführung wird aus den Voraussetzungen erklärt , die Symbolik der Redeweise wird im Ansatz erkannt, der Zusammenhang Symbolik- Handlung wird erkannt. Ebenso ist klar, dass nur Faber die Symbolik versteht |
Fabers Kopfdrehungen und der Wechsel zwischen Sabeth und Hanna wird benannt und erklärt, die mehrfache Einblendung des Bildes von Sabeth wird benannt |
Die SuS erkennen, dass Text und Bild auf unterschiedliche Weise verschränkt sind - so kommentiert Hannas Interpretation des Abgusses das Jugendbild von Sabeth, zu dem Faber schaut. |
Level C |
Es wird klar, dass die Personen keinen Bezug zueinander finden – Faber ist in Gedanken in der Vergangenheit (die nicht erlebte Kindheit seiner Tochter) – er rekonstruiert Sabeths Leben - Hanna ist begeisterte Archäologin, aus den Reden über die Vergangenheit schafft sie aber eine Faber bedrängende Aktualität – sie kommentiert unbewusst, was er denkt und schließt so Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Hannas Worte meinen für sie und für ihn ganz Unterschiedliches. Die Identifikation der Seenymphe mit Sabeth wird klar – Verführung und Schicksal in einer Person. |
Die Raumgestaltung wird durch Fabers Gang durch den Raum (Bild 2 und 5) deutlich, er geht von Sabeths Vergangenheit zu Hannas Gegenwart, mehrfach thematisiert die Kamera Fabers Situation zwischen Hanna und Sabeth. sein Inneres wird an seinen Handlungen erkannt und begrifflich klar benannt (zerrissen, bedrückt, unsicher in der Gestik gegenüber Hanna) |
Die SuS erkennen, wie die Bildregie bewusst
Aussagen schafft (bspw. letztes Bild – Hanna hält die Figur zwischen sich
und Faber ,aber genau VOR das Bild von Sabeth, ihr Blick geht zu ihm,
sein Blick zum Schrank mit dem Bild Sabeths – die Linien kreuzen sich)
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Arbeitsaufträge Teil 1: Aufbau der Szene
Material 1: Überblicksbild – es zeigt den Aufbau der Szene, diese ist 1:56
min lang, also etwa 120 Sekunden. Die Zeitleiste rechnet für ein Bild etwa drei
Sekunden Film
Material 2: Überblicksbild, ein Bild entspricht recht genau einer Sekunde Film.
Material 3. Detaillierter Sequenzplan der Szene
Material 4: Tonspur des Dialogs
Diese Übung ist auch möglich als Einarbeitung in die Szene, da hier die Konzentration
ausschließlich auf den Stimmen liegt, die Emotionen transportieren. Diese sollen
möglichst treffend benannt werden. Der Reiz liegt darin, die ganz andere Wirkung
in Zusammenhang mit den Bildern zu erfahren
Zu Material
1
und Material
2
:
a) Unterteilen Sie die Szene in einzelne sinntragende Abschnitte, entnehmen
Sie aus den Übersichtsbildern die Zeiteinheiten. Beurteilen Sie dann den Aufbau
der Szene – welche Aussageabsicht erkennen Sie?
b) Untersuchen Sie Fabers Verhalten in den ersten 30 Sekunden der Szene genauer
– hier ist nur Musik zu hören, es wird nicht gesprochen. Beurteilen Sie die
Aussageabsicht.
c) Fabers erste Frage erfolgt, als er in das Regal zu dem Bild greift. Hier
beginnt also der Dialog. Achten Sie genauer auf die Stellung der Personen zueinander
– welche Aussageabsicht können Sie erkennen?
d) Beurteilen Sie den Einsatz und die Wirkung der Einstellungsgröße in Zusammenhang
mit Handlung und Dialog.
e) Hanna trägt eine Sonnenbrille bis fast an das Ende der Szene – versuchen
Sie eine Deutung.
f) Niveau C: Aufgabenstellung bei Material 3
g)
„Dann ihre Wohnung“ (Seite
132ff
) - „Ich wusste nicht,
was denken.“
Die literarische Vorlage gibt sehr viele Hinweise, wie sich Faber in Hannas
Wohnung fühlt. Exzerpieren Sie entsprechende Textstellen und suchen Sie passende
Begriffe für das, was in Faber vorgeht. Vergleichen Sie dann Text und Film –
benennen Sie die Schwerpunkte, die die beiden Medien setzen.
h) Niveau C: Ergänzung Detailanalyse Bildersprache:
Sie haben sich oben schon mit der Aussage des letzten Bildes der Szene auseinander
gesetzt. Schauen Sie dieses Bild genauer an – stellen Sie es in den Kontext
der Szene. Ist die Position des Fensterrahmens Zufall oder Absicht?
Material 1
Zeit 18 36 54 72 90 108 |
Material 2:
|
10
20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 |
Material 3: Sequenzplan (Quelle auf Seite 9 unten)
Untersuchen Sie, was der detaillierte Sequenzplan an zusätzlichen Informationen liefert und beziehen Sie diese in Ihre Interpretation der Filmszene mit ein.
Quelle:
Matiaske, Marci-Boehncke, Kirchner: Film und Literatur 4:
Analysen, Materialien, Unterrichtsvorschläge, Diesterweg-Verlag
Der Sequenzplan ist dort als Material M 9 aufgeführt.
Material 4: Analyse der Tonspur
Aufgaben Level B:
Diese Tonspur (Datei dialoghanna_faber_ton.wav) gibt den Dialog zwischen Faber und Hanna optisch wieder, wobei die ersten 30 Sekunden Musik sind.
Vorarbeit: Hören Sie den Dialog und notieren Sie über den entsprechenden Ausprägungen
auf der Tonspur die Buchstaben F und H für Faber und Hanna.
Weisen Sie den Stimmen Emotionen zu: interessiert, engagiert, abweisend, ……
Beurteilen Sie die Rolle der Musik.
Welche Ergebnisse über den Dialog können Sie nun bereits formulieren?
Beurteilen Sie den Anteil der Pausen im Dialog.
Literaturhinweis:
Die Analyse wurde angeregt durch:
Matiaske, Marci-Boehncke, Kirchner: Film und Literatur 4:
Analysen, Materialien, Unterrichtsvorschläge, Diesterweg-Verlag
Der Sequenzplan ist der gleichen Quelle entnommen, dort als Material M 9.
Mythologie und mythologische Anspielungen im Film
Arbeitsaufträge zu den Materialien 1) bis 4)
1) Material 2 (Quellenanalyse)
Sichern Sie sich anhand des Textes aus Hesiods Theogonie den Zusammenhang zwischen
Aphrodite und Erinnye. Recherchieren Sie die mythologische Bedeutung der Erinnyen.
2) Material 3 (Originaltext)
Faber entdeckt den Kopf der schlafenden Erinnye – erläutern Sie den im Text
erkennbaren Zusammenhang zwischen Venus (Göttin der Liebe) und Erinnye, also
zwischen Liebe und Tod. Stellen Sie den Zusammenhang zu Faber und Sabeth her.
3) Material 4 (Filmsequenz)
Schlöndorff hat diese Passage in den Film übernommen. Erstellen Sie eine detaillierte
Liste der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Text.
Werten Sie die Bildregie und deren Aussagekraft – erstellen Sie dann eine Kritik
der Filmszene aus der Sicht des kundigen Lesers.
4) Niveau C:Faber lehnt den Baedeker als Informationsquelle ab. Charakterisieren
Sie sein Erleben von Kunst anhand dieser Skulptur.
Benutzen Sie dazu den Aufsatz von Juliane Köster. (julianekoester_Museo Nazionale.pdf)
5) Material 4
Achten Sie genau auf Fabers Verhalten im Film - stellen Sie den Zusammenhang
zu Faber im Louvre her. Zeigen Sie Gemeinsamkeiten zwischen den Szenen auf –
welche Aussageabsicht – auch im Zusammenhang mit dem Buch – erkennen Sie
6) Material 4
Die Montage der Bilder leitet abrupt über zu Faber und Sabeth im Hotelbett –
erläutern Sie die Aussagekraft dieser Montage und vergleichen Sie mit dem Buch.
7) Niveau C Material 4
Erläutern Sie die Aussagekraft der Bilder 3) und 7) im Kontext des Films
8) Niveau C Fassen Sie in einem Aufsatz die Zusammenhänge der mythologischen
Anspielungen im Film zusammen.
Vergleichen Sie mit dem Buch.
9)Ergänzung: Vergleichen Sie den Exkurs zum Demeter – Kore – Motiv in der Datei
„einführung.doc“
Mythologie und mythologische Anspielungen in
Schlöndorff: Homo faber:
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[doc] [99KB]