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(5) Er­mög­li­chung eines ei­gen­stän­di­gen und in­di­vi­du­el­len Ler­nens

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

 

Kom­pe­tenz­ori­en­tier­tes Ler­nen ist ak­ti­ves, ei­gen­stän­di­ges, in­di­vi­du­el­les und le­bens­be­zo­ge­nes Ler­nen. Nur so kön­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ei­ge­ne men­ta­le Mo­del­le (Sche­ma­ta) auf­bau­en und dif­fe­ren­zie­ren, die in ver­schie­de­nen Lern- und Le­bens­si­tua­tio­nen zur Anwen­dung kom­men kön­nen.

Eine be­son­de­re Rolle spie­len dabei Lern­for­men, die mehr Nach­hal­tig­keit ver­spre­chen, sowie kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Lern­auf­ga­ben.

Er­kenn­bar mehr Nach­hal­tig­keit ver­spre­chen For­men ko­ope­ra­ti­ven Ler­nens , die sich an dem Grund­mo­dell „Think-Pair-Share“ aus­rich­ten. Ent­schei­dend ist dabei, dass die Ler­nen­den ein­mal für sich selbst etwas er­ar­bei­ten, indem sie z.B. (1) eine Auf­ga­be lösen, In­for­ma­tio­nen einem Text ent­neh­men, einen Ver­gleich an­stel­len (Think), dann dies einem an­de­ren erläu­tern, die Er­geb­nis­se mit den ei­ge­nen ver­glei­chen und so die ei­ge­nen wei­ter­ent­wi­ckeln (Pair). Erst da­nach geht es in die Ge­samt­grup­pe und das ei­ge­ne Lern­er­geb­nis wird vor­ge­stellt, ver­glichen, dis­ku­tiert, dif­fe­ren­ziert (Share). 1

Kom­pe­tenz­ori­en­tier­te Lern­auf­ga­ben sind Auf­ga­ben, deren Be­ar­bei­tung zum Auf­bau, zur Si­che­rung und zur Dif­fe­ren­zie­rung von Kom­pe­ten­zen und damit zum nach­hal­ti­gen Ler­nen bei­tra­gen. Sie sind von Dia­gno­se- und Prüf­auf­ga­ben zu un­ter­schei­den.
Dazu ge­hö­ren „ver­ständ­nis­in­ten­si­ve Lern­auf­ga­ben 2 . Zu die­sen zäh­len die sog. „ETA“, die „Er­wei­ter­ten Text­auf­ga­ben“ wie sie in den EPA zu fin­den sind. Sie ope­rie­ren im Wesent­lichen mit einem Drei­schritt: Re­or­ga­ni­sie­ren, Ver­net­zen und An­wen­den (durch Trans­fer, die For­mu­lie­rung von Kon­se­quen­zen in einem vor­ge­ge­be­nen Fall oder in einer Gestaltungsauf­gabe wie z.B. dem Ent­wurf einer Pre­digt zu einem Bild). Da­hin­ter steht die Auf­fas­sung, dass Ler­nen­de einen Sach­ver­halt bes­ser ler­nen, wenn sie ihn nicht nur ana­ly­sie­ren, son­dern ihn auch mit an­de­ren Wis­sens­be­stän­den ver­bin­den und ihn schließ­lich auf eine neue Si­tua­ti­on an­wen­den.

  • An­dre­as Feindt und Petra Witt­mann 3 haben ver­sucht, in Be­ar­bei­tung von Kurs­buch ele­men­tar 7/8 kompetenz­orientierte Lern­auf­ga­ben zu ent­wi­ckeln. In Auf­nah­me einer An­re­gung im Schul­buch ent­wer­fen sie zu der Za­chä­us-Ge­schich­te die fol­gen­de Szene: „Am nächs­ten Tag sitzt Za­chä­us mit sei­ner Fa­mi­lie (Frau, Schwieger­eltern, Söhne, Töch­ter) beim Früh­stück. Er er­klärt, was er mit sei­nem Geld ma­chen will. Die an­de­ren schau­en ihn an. So ken­nen sie Za­chä­us nicht. Da er­zählt ihnen Za­chä­us seine Ge­schich­te mit Jesus. Spielt das Ge­spräch und be­rich­tet im An­schluss, warum ihr das so und nicht an­ders ge­spielt habt.“
    Sie er­gän­zen diese Auf­ga­be mit einer zwei­ten: „Stell dir vor, am nächs­ten Tag trifft Za­chä­us auf die Ehebreche­rin und sie kom­men ins Ge­spräch über Jesus. Über­legt, wie die Un­ter­hal­tung ver­lau­fen könn­te. Spielt das Ge­spräch und be­rich­tet im An­schluss, warum ihr es so und nicht an­ders ge­spielt habt.“
    Diese Auf­ga­be ist offen und kom­plex, sie ak­ti­viert das ei­ge­ne Wis­sen, ver­netzt ver­schie­de­ne Kom­pe­ten­zen (er­zäh­len, spie­len), ak­ti­viert Me­ta­ko­gni­ti­on (be­grün­den), er­öff­net ver­schie­de­ne Lö­sungs­mög­lich­kei­ten, ver­netzt Wis­sen und för­dert das Nach­den­ken.
    Be­son­ders at­trak­tiv finde ich die darin ein­ge­schlos­se­ne Ver­net­zung ver­schie­de­nen Wis­sens. Za­chä­us und die Ehe­bre­che­rin wer­den zu­ein­an­der in Bezug ge­setzt. Ich spre­che von „cross­over“ Auf­ga­ben, die die Ver­net­zung von ko­gni­ti­ven Sche­ma­ta for­dern und die Nach­hal­tig­keit ver­stär­ken.4

Da­ne­ben gibt es „ selbst­dif­fe­ren­zie­ren­de Lern­auf­ga­ben 5 . Sie bie­ten zu einem Text, einem Bild o.ä. ganz un­ter­schied­li­che Auf­ga­ben an, unter denen Ler­nen­de wäh­len kön­nen. Die Auf­gabenformen sind be­kannt: einen Dia­log zu in­sze­nie­ren, eine Szene spie­len, mit an­de­rem ver­glei­chen, aus einer an­de­ren Per­spek­ti­ve be­trach­ten, Be­grif­fe de­fi­nie­ren, Pro und Con­tra dis­ku­tie­ren, einen Spick­zet­tel an­le­gen, Lern­kar­ten ent­wer­fen usw. Man kann Schü­le­rin­nen und Schü­ler auch sagen: Wählt euch vier Auf­ga­ben aus.

  • Hilf­reich für die Ent­wick­lung sol­cher Auf­ga­ben sind „ko­gni­ti­ve Land­kar­ten“ wie sie An­ne­ma­rie von der Gro­eben und In­grid Kai­ser vor­schla­gen.6 Sie emp­feh­len bei der Suche nach un­ter­schied­li­chen Lern­auf­ga­ben zu einem ge­ge­be­nen Thema die Such- Ka­te­go­rie­ren Ar­gu­men­tie­ren, Er­kun­den, Ima­gi­nie­ren, Ur­tei­len und Ord­nen zu ver­wen­den. Also z.B.: Dür­fen Chris­ten einem krie­ge­ri­schen Ein­satz der Bun­des wehr zu­stim­men? (Argumentie­ren), Wie haben sich Chris­ten in ver­schie­de­nen Zei­ten ent­schie­den? (Er­kun­den), Wie sähe die Welt aus, wenn es keine Ar­me­en mehr gäbe(Ima­gi­nie­ren), Ist es zu ver­tre­ten, dass es in der Bun­des­wehr Seel­sor­ger gibt, die von der Kir­che ab­ge­stellt und vom Staat be­zahlt wer­den? (Ur­tei­len) Wie löst das Kon­zept Theo­rie des gerech­ten Krie­ges das Pro­blem (Ord­nen).

Da­ne­ben gibt es „ of­fe­ne Lern­auf­ga­ben “, die ein pro­jekt­ar­ti­ges Ler­nen nahe legen und dazu auf­for­dern sich sel­ber eine Er­ar­bei­tungs­stra­te­gie zu­recht zu legen. „Er­stellt eine Zeit­schrift zu vier ethi­schen An­sät­ze der Ge­gen­wart.“ „Ent­werft eine kirch­li­che Stel­lung zum Thema Mob­bing in der Schu­le.“ Zu den of­fe­nen Lern­auf­ga­ben kann man auch „pro­blem­ori­en­tier­te Auf­ga­ben“ im Ge­fol­ge Wa­ge­scheins zäh­len.7 „Sind Glo­ba­li­sie­rungs­geg­ner Chao­ten?“8

Immer mehr set­zen sich kom­bi­nier­te Lern­for­men durch. Heinz Klip­pert emp­fiehlt eine Lern­spirale mit einem Wech­sel­spiel von Ein­zel­ar­beit, Part­ner­ar­beit, Grup­pen­ar­beit und Ple­num, von dif­fe­ren­zier­ten Auf­ga­ben und In­struk­tio­nen.9 An­ne­ma­rie von der Gro­eben, die vorma­lige Lei­te­rin der La­bor­schu­le in Bie­le­feld, und In­grid Kai­ser emp­feh­len einen Un­ter­richt mit Rampe, Fä­cher, Blü­ten und Ge­rüst.10 Der Un­ter­richt geht aus einer ge­mein­sa­men Rampe, die ei­ner­seits ge­mein­sa­me Grund­la­gen legt, an­de­rer­seits mo­ti­viert. Im Fä­cher er­hal­ten die Ler­nen­den un­ter­schied­li­che Lern­auf­ga­ben, unter denen sie wäh­len kön­nen. Dabei wird da­rauf ge­ach­tet, dass un­ter­schied­li­che In­tel­li­genz­for­men zum Zuge kom­men kön­nen. Bei der Blüte zeich­nen sich die Lern­auf­ga­ben durch an­stei­gen­de Schwierigkeits­grade aus. Ge­rüs­te geben Hin­wei­se auf me­tho­di­sche Rea­li­sa­tio­nen. „Ihr könnt das Leben von Ka­tha­ri­na Bora als Ehe­frau Mar­tin Lu­thers auch zur Dar­stel­lung brin­gen, indem ihr einen Tag in ihrem Leben be­schreibt.“

Kom­pakt for­mu­liert, kann man sagen: Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ten Lern­auf­ga­ben

  • sind her­aus­for­dernd, kom­plex und offen
  • er­lau­ben ver­schie­de­ne Lö­sungs­we­ge
  • las­sen Raum, um ei­ge­nes Wis­sen, ei­ge­ne Er­fah­run­gen und Fer­tig­kei­ten ein­zu­brin­gen
  • neh­men ver­schie­de­ne Kom­pe­ten­zen in An­spruch
  • sind le­bens­welt- und an­wen­dungs­ori­en­tiert.11



Eva­lua­ti­on


Vor­trag Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Re­li­gi­ons­un­ter­richt Kurz­fas­sung:
Her­un­ter­la­den [pdf] [175 KB]

Vor­trag Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Re­li­gi­ons­un­ter­richt:
Her­un­ter­la­den [pdf] [200 KB]

Vor­trag Kom­pe­tenz­ori­en­tier­ter Re­li­gi­ons­un­ter­richt Prä­sen­ta­ti­on:
Her­un­ter­la­den [pptx] [101 KB]


1   Vgl. Fried­rich Jah­res­heft XXVI 2008 „In­di­vi­du­el­les Ler­nen-ko­ope­ra­tiv ar­bei­ten“ und ent­wurf 4/2010 Va­ri­an­ten von Think-Pair-Share sind Me­tho­den wie pla­ce­mat, Lern­spi­ra­le, Part­ner­check, Lern­tem­po­du­ett, Grup­pen­ral­ley und an­de­re.
2   Der Be­griff ist dem Be­griff des ver­ständ­nis­in­ten­si­ven Ler­nens von  An­ne­ma­rie von der Gro­eben/In­grid Kai­ser, Her­aus­for­dern und Lern­we­ge an­bie­ten (2), in: PÄD­AGO­GIK 3/11, 45 nach­emp­fun­den.
3   Auf­ga­be­werk­statt RU ent­wurf 4/2010, 28-31.
4   Diese Ein­sich­ten er­lau­ben eine Dif­fe­ren­zie­rung von Auf­ga­ben­ty­pen: Dia­gno­se­auf­ga­ben zie­len auf eine bes­se­re Kennt­nis der Lern­stän­de der Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Es geht um eine Er­he­bung der Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten und Ein­stel­lun­gen, aber auch Stra­te­gi­en und Be­grün­dungs­for­men, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler zur Ver­fü­gung haben und an­wen­den kön­nen. Prü­fungs­auf­ga­ben die­nen der Fest­stel­lung des Ni­veaus, auf dem die Kom­pe­ten­zen er­wor­ben sind. Lern­auf­ga­ben ak­ti­vie­ren und för­dern Kom­pe­ten­zen.
5   Die­ser Be­griff fin­det sich in An­ne­ma­rie von der Gro­eben/ In­grid Kai­ser, Er­schlie­ßen, An­wen­den, Ver­tie­fen. Auf­ga­ben­dif­fe­ren­zie­rung (2) in: PÄD­AGO­GIK 5/11,44.
6   An­ne­ma­rie von der Gro­eben/In­grid Kai­ser, Her­aus­for­dern und Lern­we­ge an­bie­ten (1). Mög­lich­kei­ten ko­gni­ti­ver Ak­ti­vie­rung in: PÄD­AGO­GIK 2/11,42- 46.
7   Eine ty­pi­sche Auf­ga­ben von Wa­ge­schein lau­tet: Wie weit ist der Mond von der Sonne ent­fernt?
8   Es könn­te sein, dass sie eine Welt vor Augen haben, die dem Reich Got­tes gleicht!
9   PÄD­AGO­GIK 5/10, 39.
10   An­ne­ma­rie von der Gro­eben, In­grid Kai­ser, Rampe, Fä­cher, Blüte, Ge­rüst. Auf­ga­ben­dif­fe­ren­zie­rung (1), PÄD­AGO­GIK 4/11, 40-45.
11   Vgl. Obst Kom­pe­tenz­ori­en­tier­tes Leh­ren und Ler­nen im Re­li­gi­ons­un­ter­richt, 184-194.