Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

M1 Christ­li­che Ethik: Diet­rich Bon­hoef­fer über die Wahr­heit

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

 

Ein Bei­spiel: Ein Kind wird von sei­nem Leh­rer vor der Klas­se ge­fragt, ob es wahr sei, dass sein Vater oft be­trun­ken nach Hause komme? Es ist wahr, aber das Kind ver­neint es. Es ist durch die Frage des Leh­rers in eine Si­tua­ti­on ge­bracht, der es noch nicht ge­wach­sen ist. Es emp­fin­det nur, dass hier ein un­be­rech­tig­ter Ein­bruch in die Ord­nung der Fa­mi­lie er­folgt, den es ab­weh­ren muss. Was in der Fa­mi­lie vor­geht, ge­hört nicht vor die Ohren der Schul­klas­se. Die Fa­mi­lie hat ihr ei­ge­nes Ge­heim­nis, das sie zu wah­ren hat. Der Leh­rer hat die Wirk­lich­keit die­ser Ord­nung miss­ach­tet. Das Kind müss­te nun in sei­ner Ant­wort einen Weg fin­den, auf dem die Ord­nung der Fa­mi­lie und der Schu­le in glei­cher Weise ge­wahrt blie­be. Es kann das noch nicht, es fehlt ihm die Er­fah­rung, die Er­kennt­nis und die Fä­hig­keit des rech­ten Aus­drucks. Indem es die Frage des Leh­rers ein­fach ver­neint, wird die Ant­wort zwar un­wahr, aber sie gibt doch zu­gleich der Wahr­heit Aus­druck, dass die Fa­mi­lie eine Ord­nung sui ge­ne­ris [= ei­ge­ner Art] ist, in die der Leh­rer nicht be­rech­tigt war, ein­zu­drin­gen. Man kann nun zwar die Ant­wort des Kin­des eine Lüge nen­nen; trotz­dem ent­hält diese Lüge mehr Wahr­heit, d.h. sie ist der Wirk­lich­keit ge­mä­ßer, als wenn das Kind die Schwä­che sei­nes Va­ters vor der Schul­klas­se preis­ge­ge­ben hätte. Dem Maße sei­ner Er­kennt­nis nach hat das Kind rich­tig ge­han­delt. Die Schuld als Lüge fällt al­lein auf den Leh­rer zu­rück.

Quel­le: Diet­rich Bon­hoef­fer: Ethik, zu­sam­men­ge­stellt und her­aus­ge­ge­ben von Eber­hard Be­th­ge, Chr. Kai­ser Ver­lag, Mün­chen 81975 (1949). S.390.


Ar­beits­auf­trag:

  1. Stel­le dar, unter wel­chen Be­din­gun­gen eine Aus­sa­ge nach Bon­hoef­fer wahr ist.

  2. Würde man eine Um­fra­ge zu den Zehn Ge­bo­ten ma­chen, so tauch­te häu­fig das Gebot „Du sollst nicht lügen“ unter den Zehn Ge­bo­ten auf. Dort (2. Mose 20,16) steht aber: „Du sollst kein falsch Zeug­nis reden gegen Dei­nen Nächs­ten.“ Ur­sprüng­lich be­zieht sich das Gebot auf die Zeu­gen­aus­sa­ge vor Ge­richt.

    Prüfe, wie sich die bei­den Aus­sa­gen auf das Fall­bei­spiel an­wen­den las­sen.

  3. Ent­werft in Grup­pen­ar­beit eine Szene, in der eine Lüge der Wahr­heit im Sinne Bon­hoef­fers näher käme, als die Wahr­heit zu sagen. Spielt diese Szene vor.


M2 Vor­schlag für einen Ta­fel­an­schrieb


Um­set­zungs­bei­spiel Dop­pel­stun­de: Her­un­ter­la­den [pdf] [120 KB]