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Dem un­zu­ver­läs­si­gen Er­zäh­ler auf die Schli­che kom­men

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

04 Er­ar­bei­tungs­auf­ga­ben

45 Dem un­zu­ver­läs­si­gen Er­zäh­ler auf die Schli­che kom­men 1

Text S. 24f

Ich habe mich schon oft ge­fragt, was die Leute ei­gent­lich mei­nen, wenn sie von Er­leb­nis reden. Ich bin Tech­ni­ker und ge­wohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Ich sehe alles, wovon sie reden, sehr genau; ich bin ja nicht blind. Ich sehe den Mond über der Wüste von Ta­mau­lip­as - kla­rer als je, mag sein, aber eine er­re­chen­ba­re Masse, die um un­se­ren Pla­ne­ten kreist, eine Sache der Gra­vi­ta­ti­on, in­ter­es­sant, aber wieso ein Er­leb­nis? Ich sehe die ge­zack­ten Fel­sen, schwarz vor dem Schein des Mon­des; sie sehen aus, mag sein, wie die ge­zack­ten Rü­cken von ur­welt­li­chen Tie­ren, aber ich weiß: Es sind Fel­sen, Ge­stein, wahr­schein­lich vul­ka­nisch, das müßte man nach­se­hen und fest­stel­len. Wozu soll ich mich fürch­ten? Es gibt keine ur­welt­li­chen Tiere mehr. Wozu soll­te ich sie mir ein­bil­den? Ich sehe auch keine ver­stei­ner­ten Engel, es tut mir leid; auch keine Dä­mo­nen, ich sehe, was ich sehe: die üb­li­chen For­men der Ero­si­on, dazu mei­nen lan­gen Schat­ten auf dem Sand, aber keine Ge­spens­ter. Wozu wei­bisch wer­den? Ich sehe auch keine Sint­flut, son­dern Sand, vom Mond be­schie­nen, vom Wind ge­wellt wie Was­ser, was mich nicht über­rascht; ich finde es nicht fan­tas­tisch, son­dern er­klär­lich. Ich weiß nicht, wie ver­damm­te See­len aus­se­hen; viel­leicht wie schwar­ze Aga­ven in der nächt­li­chen Wüste. Was ich sehe, das sind Aga­ven, eine Pflan­ze, die ein ein­zi­ges Mal blüht und dann ab­stirbt. Fer­ner weiß ich, dass ich nicht (wenn es im Au­gen­blick auch so aus­sieht) der erste oder letz­te Mensch auf der Erde bin; und ich kann mich von der blo­ßen Vor­stel­lung, der letz­te Mensch zu sein, nicht er­schüt­tern las­sen, denn es ist nicht so. Wozu hys­te­risch sein? Ge­bir­ge sind Ge­bir­ge, auch wenn sie in ge­wis­ser Be­leuch­tung, mag sein, wie ir­gend etwas an­de­res aus­se­hen, es ist aber die Si­er­ra Madre Ori­en­tal, und wir ste­hen nicht in einem To­ten­reich, son­dern in der Wüste von Ta­mau­lip­as, Me­xi­co, un­ge­fähr sech­zig Mei­len von der nächs­ten Stra­ße ent­fernt, was pein­lich ist, aber wieso ein Er­leb­nis? Ein Flug­zeug ist für mich ein Flug­zeug, ich sehe kei­nen aus­ge­stor­be­nen Vogel dabei, son­dern eine Super-Con­stel­la­ti­on mit Motor-De­fekt, nichts wei­ter, und da kann der Mond sie be­schei­nen, wie er will. Warum soll ich er­le­ben, was gar nicht ist? Ich kann mich auch nicht ent­schlie­ßen, etwas wie die Ewig­keit zu hören; ich höre gar nichts, aus­ge­nom­men das Rie­seln von Sand nach jedem Schritt. Ich schlot­te­re, aber ich weiß: in sie­ben bis acht Stun­den kommt wie­der die Sonne. Ende der Welt, wieso? Ich kann mir kei­nen Un­sinn ein­bil­den, bloß um etwas zu er­le­ben. Ich sehe den Sand-Ho­ri­zont, weiß­lich in der grü­nen Nacht, schät­zungs­wei­se zwan­zig Mei­len von hier, und ich sehe nicht ein, wieso dort, Rich­tung Tam­pi­co, das Jen­seits be­gin­nen soll. Ich kenne Tam­pi­co. Ich wei­ge­re mich, Angst zu haben aus blo­ßer Fan­ta­sie, be­zie­hungs­wei­se fan­tas­tisch zu wer­den aus blo­ßer Angst, ge­ra­de­zu mys­tisch. […]

Auf­ga­ben in den 3 Ni­veau­stu­fe A, B, C

A/B Fügen Sie Kern­zi­ta­te in die fol­gen­de Ta­bel­le ein:

Zeile

was die Leute ei­gent­lich mei­nen

Ich bin Tech­ni­ker und ge­wohnt, die Dinge zu sehen wie sie sind .

Zeile

1

Er­leb­nis

sehe sehr genau

3

 

 

Mond  = er­re­chen­ba­re Masse

4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Prü­fen Sie die er­zähl­te Be­ge­ben­heit

  • Kennt der Prot­ago­nist die „Leute“?
  • Hat er mit Ihnen ge­spro­chen?
  • Er­zählt einer der not­ge­lan­de­ten Mit­pas­sa­gie­re, wie er die Wüste „er­lebt“?
  • Wer bil­det sich etwas ein?
  • Wer be­fürch­tet etwas?
  • Be­ach­ten Sie Fa­bers rhe­to­ri­sche Fra­gen.

For­mu­lie­ren Sie ein Fazit Ihrer Be­ob­ach­tun­gen. Ihr Text könn­te so be­gin­nen / wei­ter gehen:

Nach der Not­lan­dung in der Wüste von Tauma­lip­as re­flek­tiert der Prot­ago­nist Wal­ter Faber die Wahr­neh­mung der Sze­ne­rie. Dabei stellt er zu­nächst der Wahr­neh­mung „der Leute“ seine ei­ge­ne Sicht als Tech­ni­ker ge­gen­über. So kon­fron­tiert er zum Bei­spiel .....

Bei ge­nau­er Be­trach­tung der kom­mu­ni­ka­ti­ven Um­stän­de die­ser Re­fle­xi­on wird deut­lich, dass Faber .....

1 Wag­ner, Se­bas­ti­an: „Bis die Rech­nung auf­ging …“ Er­zäh­le­ri­sche Selbst­in­sze­nie­rung und Selbstof­fen­ba­rung in Max Frisch Homo faber , in PD 227 (Mai 2011)

  C Fa­bers Worte und Taten

 

Dem un­zu­ver­läs­si­gen Er­zäh­ler auf die Schli­che kom­men: Her­un­ter­la­den [doc] [52 KB]