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1. Analyse: Moral, Ethik und normen- — kritische Urteilsbildung


1.1 Moral und Ethik: Begriffsanalyse


Vorstellungen davon, was konkret als gut oder schlecht (bzw. böse) zu betrachten und wie in bestimmten Situationen jeweils zu handeln sei, konstituieren Moral . Dieser Begriff bezeich­net zunächst einmal die Menge an Normen oder Prinzipien, die ein Individuum beziehungs­weise eine Gruppe von Menschen für sich als bindend erachten.

Ethik ist die theoretische Beschäftigung mit Moral. Ihr Gegenstand ist die kritische Sichtung, Reflexion und Begründung von bestehenden Moral­vorstellungen und der Entwurf von normativen Lösungen für neue moralische Problem­stellungen.

Ethik bzw. ethisch unterscheidet sich somit als Metaebene von Moral bzw. moralisch . Beide Ebenen sind für das aufbauende moralische Lernen und ethische Reflektieren im Rahmen einer normenkritischen Urteilsbildung konstitutiv und insofern für den Religions­unterricht relevant.


1.2 Normenkritische Urteilsbildung: Kompetenzanalyse


Der Bildungsplan von 2004 formuliert für den Standardzeitraum 9/10 folgende zwei, auf­einander aufbauende Standards:

  • SuS können zentrale ethische 1 Aussagen der Bibel (Dekalog; wichtige Abschnitte der Bergpredigt, zum Beispiel die Goldene Regel; Doppelgebot der Liebe) in eine normenkritische Urteilsbildung einbeziehen.
  • SuS kennen daraus sich ergebende Herausforderungen für die eigene Lebens­führung und die Mitgestaltung der Gesellschaft.

Dieses „Kompetenzpaket“ ist kompakt formuliert, so dass hier zur Klärung zunächst in (1) eine Ausdifferenzierung bezüglich moralischer und ethischer Kompetenzen erfolgt, um dann in (2) eine Analyse der normenkritischen Urteilsbildungskompetenz vorzunehmen:

(1) Die Kompetenz verlangt in Anlehnung an die Kompetenzdefinition von Weinert und Klieme 2

  • die „kognitive Fähigkeit“, moralische Probleme auch als moralische Probleme (und nicht z.B. als ökonomische oder juridische) erkennen zu können,
  • die „Fertigkeit“, nach dem Erkennen eines moralischen Problems Handlungsoptionen als Lösungsstrategien entwickeln zu können und diese im ethischen Diskurs reflektieren und bewerten zu können,
  • die „motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft“, bei einem Problem die für eine Gesellschaft moralisch akzeptable Lösung auch tatsächlich umsetzen zu wollen, und zwar auch dann, wenn die Lösung einem selbst Nachteile einbringt.

(2) Normenkritische Urteilsbildungskompetenz ist eine komplexe Fähigkeit, die sich in der Lösung eines konkreten moralischen Problems zeigt. Sie ist aus folgenden Fähigkeiten zusammengesetzt:

  1. SuS können die Situation als moralisches Problem oder Herausforderung erkennen.
  2. SuS können die Situation hinsichtlich der beteiligten Personen, der Umstände etc. analysieren.
  3. SuS können mögliche Handlungsoptionen und deren Folgen gedanklich entwickeln sowie argumentativ gegeneinander abwägen.
  4. SuS können Handlungsoptionen unter Berücksichtigung zentraler moralischer Aussagen der Bibel (d.h. biblisch-ethischer Normen) kritisch prüfen.
  5. SuS können auf der Grundlage ihrer Überlegungen entscheiden und ggf. handeln.


2. Entwicklungspsychologische und neurophysiologische Grundbedingungen


Aufbauendes Lernen in der Sekundarstufe I: Ethische Kompetenz
Moralisches und ethisches Reflektieren: Herunterladen [pdf] [441 KB]



1   Gemäß der gängigen, in Abschnitt 1.1 erläuterten Terminologie, müsste es „moralische“ Aussagen heißen.
2   Klieme et al., Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise, Bonn/Berlin 2007, S. 72.