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Ein­füh­rung und Li­te­ra­tur

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Kom­pe­tenz­för­de­rung Schritt für Schritt: My­thos

Vor­über­le­gun­gen

„Ju­gend­li­che brau­chen My­then“ – In Ab­wand­lung die­ses 1975 er­schie­ne­nen Buch­ti­tels von Bruno Bet­tel­heim 1 lässt sich die be­son­de­re Eig­nung des My­thos für die Al­ters­stu­fe, in der un­se­re Schü­ler (fort­an S) Grie­chisch ler­nen, auf den Punkt brin­gen.

Laut Bet­tel­heim sind Selbst­wert­ge­fühl und Selbst­be­wusst­sein des Kin­des auf vie­len Ebe­nen be­droht: Nar­ziss­ti­sche Ent­täu­schun­gen, das ödi­pa­le Di­lem­ma, Ge­schwis­ter­ri­va­li­tä­ten oder auch Ver­lust­ängs­te ver­sucht das Kind auf der Ebene des Be­wusst­seins zu ver­ste­hen, um das be­wäl­ti­gen zu kön­nen, was sich im Un­be­wuss­ten ab­spielt: „Die­ses Ver­ständ­nis und diese Fä­hig­keit er­ringt es [je­doch] nicht durch ra­tio­na­les Er­fas­sen sei­nes Un­be­wuss­ten, son­dern nur, indem es mit ihm ver­traut wird: indem es als Re­ak­ti­on auf un­be­wuss­te Span­nun­gen über ent­spre­chen­de Ele­men­te aus Ge­schich­ten nach­grü­belt, sie neu zu­sam­men­setzt und dar­über phan­ta­siert.“ 2 Mär­chen stel­len ge­wis­ser­ma­ßen ein Deu­tungs­re­per­toire für die Wi­der­fahr­nis­se der Welt be­reit und er­mög­li­chen zu­gleich die ge­fahr­lo­se Ob­jek­ti­vie­rung un­er­füll­ter (und teils be­ängs­ti­gen­der) Wün­sche und Trie­be 3 .

Ähn­li­ches lässt sich auch für den My­thos be­haup­ten, al­ler­dings gibt es hier ei­ni­ge Verschie­bungen: Zu­nächst ist der My­thos nicht zeit­los wie das Mär­chen. Er lebt von der Span­nung zwi­schen zeit­los gül­ti­gen Kon­flik­ten und der Ver­or­tung und Bin­dung an be­stimm­te Orte, nam­haf­te Hel­den, deren Ge­schlech­ter und an Ri­tua­le. So sind es auf der einen Seite die exis­ten­ti­el­len Kon­flik­te und Ab­grün­de von Schuld und Ver­stri­ckung, die S des grie­chi­schen An­fangs­un­ter­richts fas­zi­nie­ren.

Der An­satz von Wel­lers­hoff , li­te­ra­ri­sche Texte als „Si­mu­la­ti­ons­raum“ für den Leser zu ver­ste­hen, in dem die­ser „die Gren­zen sei­ner prak­ti­schen Er­fah­run­gen und Rou­ti­nen über­schreitet, ohne ein wirk­li­ches Ri­si­ko dabei ein­zu­ge­hen“ 4 lässt sich m. E. auf den My­thos über­tra­gen. Ge­ra­de für her­an­wach­sen­de S liegt der Reiz des My­thos darin, in die­sem Be­reich Kon­flik­te und Fra­gen, wie sie ver­schärft in der Pu­ber­tät auf­tre­ten, im wahrs­ten Sinne des Wor­tes durch­spie­len zu kön­nen.

He­ra­kles etwa ist nicht nur der strah­len­de immer gute Mär­chen­held, wel­cher die Mensch­heit von Un­tie­ren und Bes­ti­en be­freit, er kann ‚sich‘ auch mal ‚gehen las­sen‘: Als ju­gend­li­cher Schü­ler etwa er­schlägt er sei­nen Leh­rer Linos, weil die­ser sein Mu­sik­spiel zu kri­ti­sie­ren wagt. In sol­chen Hel­den – zwi­schen Su­per­man und pu­ber­tie­ren­dem Wü­te­rich – kön­nen S sich wie­der­ent­de­cken und ge­fahr­los in Ge­schich­ten ver­schie­de­ne Rol­len durch­spie­len.

Zu­gleich stellt sich den pu­ber­tie­ren­den S bren­nend die Frage nach Sinn und Ge­rech­tig­keit des Ge­sche­hens in der Welt. – Auch hier geben die Grie­chen ex­em­pla­ri­sche Ant­wor­ten im My­thos, in dem die Göt­ter das Han­deln der Men­schen be­ein­flus­sen.

Und auch der auf­kom­men­de Wunsch nach Part­ner­schaft und Se­xua­li­tät fin­det unterschiedli­che Echos im My­thos – vom ent­halt­sa­men Hip­po­ly­tos, den Aphro­di­tes Rache er­eilt, bis zum om­ni­po­ten­ten Göt­ter­va­ter Zeus.

Aber so ver­traut vie­les er­scheint, so be­frem­dend wir­ken auch man­che As­pek­te in ein und dem­sel­ben My­thos: Vie­les ist ins Mons­trö­se ge­stei­gert, was die S immer wie­der zu Fra­gen ver­an­lasst wie: „Haben die Grie­chen wirk­lich an die Mord­se­rie im Haus der Atri­den ge­glaubt?“ „Haben sie ernst­haft an­ge­nom­men, dass ein Pferd flie­gen kann?“ Ähn­li­che Fra­gen wur­den schon in der An­ti­ke ge­stellt und kom­men der er­wa­chen­den Kri­tik­fä­hig­keit und dem Wil­len zum kri­ti­schen Hin­ter­fra­gen in der Pu­ber­tät ent­ge­gen.

 


Bruno Bet­tel­heim 2011: Kin­der brau­chen Mär­chen, Mün­chen (dtv 35028).

2 A.a.O. 13; Her­vor­he­bung Sän­ger.

A.a.O. 69.

Die­ter Wel­lers­hoff 1969: Li­te­ra­tur und Ver­än­de­rung. Ver­su­che zu einer Me­ta­kri­tik der Li­te­ra­tur, Köln / Ber­lin (po­cket 1), 22.

 

My­thos Ein­füh­rung: Her­un­ter­la­den [doc][45 KB]

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My­thos Prä­sen­ta­ti­on: Her­un­ter­la­den [ppt][1,2 MB]

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wei­ter mit Fra­ge­stel­lun­gen