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Additum

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.


Im 18. Jahrhundert wurde ein ähnliches Problem wie im „Kriton“ diskutiert. Kant war der Auffassung, dass man unter keinen Umständen lügen dürfe. Das Wahrheitsgebot sei unantastbar, denn sonst gebe es keine Verlässlichkeit zwischen den Menschen. Dagegen hat der französische Philosoph Benjamin Constant (1767-1830) Einspruch erhoben. Kant hat diese Kritik in seinem Aufsatz „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ (1797) zitiert und sich mit ihr auseinander gesetzt.

  1. Arbeiten Sie heraus, inwiefern Kants Auffassung mit der von Sokrates vergleichbar ist!
  2. Ist die Aufweichung der eindeutigen Meinung, die Kant (bzw. Sokrates) vertritt, aus Ihrer Sicht ein Gewinn oder ein Verlust?

Immanuel Kant, Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen

Kant gibt zunächst die Meinung von Constant wieder:

»Der sittliche Grundsatz: es sei eine Pflicht, die Wahrheit zu sagen, würde, wenn man ihn unbedingt und vereinzelt nähme, jede Gesellschaft zur Unmöglichkeit machen. Den Beweis davon haben wir in den sehr unmittelbaren Folgerungen, die ein deutscher Philosoph [gemeint ist Kant] aus diesem Grundsatze gezogen hat, der so weit geht zu behaupten: daß die Lüge gegen einen Mörder, der uns fragte, ob unser von ihm verfolgter Freund sich nicht in unser Haus geflüchtet, ein Verbrechen sein würde.«

Der französische Philosoph [gemeint ist Constant] widerlegt [...] diesen Grundsatz auf folgende Art. »Es ist eine Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Der Begriff von Pflicht ist unzertrennbar von dem Begriff des Rechts. Eine Pflicht ist, was bei einem Wesen den Rechten eines anderen entspricht. Da, wo es keine Rechte gibt, gibt es keine Pflichten. Die Wahrheit zu sagen, ist also eine Pflicht; aber nur gegen denjenigen, welcher ein Recht auf die Wahrheit hat. Kein Mensch aber hat Recht auf eine Wahrheit, die anderen schadet.« [...]

Hierauf entgegnet Kant:

Wahrhaftigkeit in Aussagen, die man nicht umgehen kann, ist formale Pflicht des Menschen gegen jeden, es mag ihm oder einem andern daraus auch noch so großer Nachteil erwachsen; und, ob ich zwar dem, welcher mich ungerechterweise zur Aussage nötigt, nicht Unrecht tue, wenn ich sie verfälsche, so tue ich doch durch eine solche Verfälschung, die darum auch (obzwar nicht im Sinn des Juristen) Lüge genannt werden kann, im wesentlichsten Stücke der Pflicht überhaupt Unrecht: d.i. ich mache, so viel an mir ist, daß Aussagen (Deklarationen) überhaupt keinen Glauben finden, mithin auch alle Rechte, die auf Verträgen gegründet werden, wegfallen und ihre Kraft einbüßen; welches ein Unrecht ist, das der Menschheit überhaupt zugefügt wird.

 


Unterrichtsmodelle zur Förderungen der personalen Kompetenzen bei der Interpretationsarbeit: Herunterladen [doc][623 KB]

 

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