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Re­zep­ti­on der Rhe­to­rik­pro­ble­ma­tik

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Der Typus des Red­ners bei Ci­ce­ro

Ci­ce­ro hat zu Be­ginn eines sei­ner rhe­to­ri­schen Lehr­bü­cher (De in­ven­tio­ne – Über die Fin­dung des Stoffs) eine Theo­rie über die Kul­tur­ent­ste­hung ge­stellt. Der Mensch habe den un­zi­vi­li­sier­ten Na­tur­zu­stand durch die Er­fin­dung der Rhe­to­rik über­wun­den …

Ci­ce­ro, de in­ven­tio­ne I, 2

 

Nam fuit quod­dam tem­pus , cum in agris ho­mi­nes pas­sim bes­tiar­um modo va­ga­ban­tur et sibi victu fero vitam pro­pa­ga­bant nec ra­tio­ne animi quic­quam , sed ple­raque vi­ri­bus cor­po­ris ad­mi­nis­tra­bant , non­dum di­ui­nae re­li­gio­nis , non hu­ma­ni of­fi­cii ratio cole­ba­tur , nemo nup­ti­as vi­de­rat le­gi­ti­mas , non cer­tos quis­quam as­pe­x­e­rat li­be­ros , non , ius ae­qua­bi­le quid uti­li­ta­tis ha­be­ret , ac­ce­pe­rat . Ita prop­ter er­ro­rem atque in­sci­en­ti­am caeca ac te­me­ra­ria do­mi­na­trix animi cu­pi­di­tas ad se ex­ple­ndam vi­ri­bus cor­po­ris abu­te­ba­tur , per­ni­cio­sis­si­mis sa­tel­li­ti­bus . Quo tem­po­re qui­dam ma­gnus vi­de­li­cet vir et sa­pi­ens co­gno­vit , quae ma­te­ria esset et quan­ta ad ma­xi­mas res op­por­tu­ni­tas in ani­mis in­es­set ho­mi­num , si quis eam pos­set eli­ce­re et pra­eci­pi­en­do me­lio­rem red­de­re ; qui dis­per­sos ho­mi­nes in agros et in tec­tis sil­vestri­bus ab­di­tos ra­tio­ne qua­dam con­pu­lit unum in locum et con­gre­ga­vit et eos in unam quam­que rem in­du­cens uti­lem atque ho­ne­stam primo prop­ter in­so­len­ti­am re­cla­man­tes , de­inde prop­ter ra­tio­nem atque ora­tio­nem stu­dio­si­us au­di­en­tes ex feris et in­ma­ni­bus mites red­di­dit et man­sue­tos .

Denn es gab eine be­stimm­te Zeit, als die Men­schen über­all auf den Fel­dern wie wilde Tiere um­her­streif­ten und ihr Leben mit einer wil­den Le­bens­wei­se und nicht mit der Ver­nunft des Geis­tes fris­te­ten, son­dern die meis­ten Her­aus­for­de­run­gen mit kör­per­li­cher Kraft be­wäl­tig­ten; die Lehre von der Göt­ter­ver­eh­rung und der Pflicht des Men­schen hatte noch keine Gel­tung,  noch nie­mand hatte ge­setz­mä­ßi­ge Hoch­zei­ten ken­nen ge­lernt, kei­ner hatte die Kin­der als ei­ge­ne an­ge­se­hen und kei­ner hatte be­grif­fen, wel­chen Nut­zen das glei­che Recht hat. So miss­brauch­te wegen Irr­tum und Un­kennt­nis die Be­gier­de, eine blin­de und un­über­leg­te Herr­sche­rin des Men­schen, die Kräf­te des Kör­pers, höchst ver­derb­li­che Hilfs­kräf­te, zur ei­ge­nen Be­frie­di­gung. Zu die­ser Zeit er­kann­te ein be­deu­ten­der, na­tür­lich und wei­ser Mann, wel­ches Po­ten­ti­al und wel­che Mög­lich­keit zu den größ­ten Er­run­gen­schaf­ten in den Men­schen lie­gen, falls je­mand diese her­vor­lo­cken und sie durch Leh­ren ver­bes­sern könn­te; die­ser hat die auf den Fel­dern zer­streu­ten und im Schutz des Wal­des ver­bor­ge­nen Men­schen an einem ein­zi­gen Ort zu­sam­men­ge­trie­ben und ver­ei­nigt, indem er sie in eine jede nütz­li­che und eh­ren­haf­te Sache ein­führ­te, ob­wohl sie erst wegen sei­nes un­ge­wöhn­li­chen Auf­tre­tens ihm wi­der­spra­chen, dar­auf aber mach­te er sie, die wegen sei­ner Ver­nunft und sei­ner Rede eif­ri­ger auf ihn hör­ten, aus Wil­den und Un­zi­vi­li­sier­ten zu sanft­mü­ti­gen und fried­li­chen Men­schen. (Über­set­zung: Uwe Neu­mann)

 

Auf­ga­ben:

  1. Zei­gen Sie mit la­tei­ni­schen Zi­ta­ten die Merk­ma­le des mensch­li­chen Na­tur­zu­stands und die Leis­tung der Rhe­to­rik!
  2. Un­ter­stützt diese Dar­stel­lung Ci­ce­ros eher die Auf­fas­sung des Gor­gi­as oder die des So­kra­tes über die Rhe­to­rik?
  3. An wel­chen Stel­len könn­te man kri­ti­sche Ein­wän­de gegen diese Rhe­to­rik­kon­zep­ti­on Ci­ce­ros for­mu­lie­ren?
  4. Stel­len Sie sich vor, Gor­gi­as könn­te mit Ci­ce­ro über die Rhe­to­rik dis­ku­tie­ren. Ge­stal­ten Sie die­sen Dia­log!

 


Lern­stands­dia­gno­sen und Bin­nen­dif­fe­ren­zie­rung in der Kurs­stu­fen-Lek­tü­re:
Her­un­ter­la­den [doc][1,2 MB]

 

wei­ter mit Lern­stands­dia­gno­se am Ende der Ein­heit