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Anforderungssituationen

Infobox

Diese Seite ist Teil einer Materialiensammlung zum Bildungsplan 2004: Grundlagen der Kompetenzorientierung. Bitte beachten Sie, dass der Bildungsplan fortgeschrieben wurde.

Wie wird ein Schüler/ eine Schülerin kompetent? Wie erreicht er/sie die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es ihm /ihr ermöglichen, mit den Anforderungen, die das Leben an ihn/ sie stellt, umzugehen? Wie müssen Lernprozesse aussehen, die diese Kompetenzen entwickeln? Wie können Schülerinnen und Schüler zeigen, dass sie die im Bildungsplan ausgewiesenen Bildungsstandards auch wirklich erreichen, über die dort beschriebenen Kompetenzen verfügen? [124]

In der Klieme-Expertise heißt es: „ Kompetenz kann nur leistungsbezogen erfasst und gemessen werden. Kompetenz stellt die Verbindung zwischen Wissen und Können (…) her und ist als Befähigung zur Bewältigung von Situationen bzw. von Aufgaben zu sehen. Jede Illustration oder Operationalisierung einer Kompetenz muss sich daher auf konkrete Anforderungssituationen beziehen. [125] und an anderer Stelle: „ Die Verknüpfung von Wissen und Können darf also nicht auf Situationen „jenseits der Schule“ verschoben werden. Vielmehr ist bereits beim Wissenserwerb die Vielfalt möglicher Anwendungssituationen mit zu bedenken. [126]
Was kann dies aber für die Unterrichtspraxis heißen? Wie lässt sich Unterricht von diesen „konkreten Anforderungssituationen“ her denken und gestalten?

In ihrem Buch Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen im Religionsunterricht entwirft Gabriele Obst einen idealtypischen kompetenzorientierten Unterrichtsverlauf. Den Ausgangspunkt bildet eine „Anforderungssituation“, die Lenhard folgendermaßen definiert: „ …alltägliche oder herausgehobene Konstellationen, Fälle, Lagen und Momente, in denen der Einzelne sich zu konkreten Herausforderungen verhalten oder in denen er selbst handeln muss. [127] Dies ist damit in der Regel eine Situation aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler bzw. aus dem aktuellen Tagesgeschehen.

Zunächst wird dann bei der Planung einer Unterrichtssequenz die Bedeutung dieser Anforderungssituation für die Lebens- und Lerngeschichte der Schülerinnen und Schüler analysiert, und ihre Vorkenntnisse und ihre Vorerfahrungen werden erhoben. In einem weiteren Schritt ermittelt die Lehrkraft die fachlichen, methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler zur Bewältigung dieser Anforderungssituation benötigen, und plant Lernprozesse, die zum Erwerb dieser Kompetenzen führen können. Den Abschluss bildet die Lernerfolgskontrolle, die – nach Möglichkeit – auch kompetenzorientiert ist, d.h. die Schülerinnen und Schüler wieder mit einer konkreten Problemstellung konfrontiert, für die sie aufgrund der erworbenen Kompetenzen Lösungsansätze aufzeigen können. [128]

Als idealtypisches Beispiel für eine Anforderungssituation nennt Gabriele Obst den Streit um die Mohammedkarikaturen. Der Lernprozess nimmt seinen Ausgangspunkt an dem Konflikt des Jahres 2006, der von den Schülerinnen und Schülern in seinem Verlauf und vor allem in den zugrundeliegenden Ursachen aufgearbeitet und schließlich erläutert werden soll.

Das Modell von Gabriele Obst illustriert in deutlicher und klarer Form, wie die theoretischen Ansätze z.B. der Klieme-Expertise im konkreten Unterricht umgesetzt werden können. Die Anforderungssituationen erfordern nicht isoliertes Wissen sondern ein Bündel von Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen, z.B. der Fachkompetenz, der methodischen und der sozialen Kompetenz. [129] Damit werden hiermit äußerst komplexe Lernprozesse in Gang gesetzt.
Vor allem aber aufgrund seiner Lebensrelevanz für die Schülerinnen und Schüler ist dieser Ansatz zunächst äußerst überzeugend. Der Religionsunterricht behandelt Themen, die aus ihrer Lebenswelt stammen und leistet damit einen erkennbaren Beitrag zu ihrer „Lebensführungskompetenz“, hat also eine hohe Relevanz für ihr alltägliches Leben. Die konkrete Anforderungssituation als Ausgangspunkt eines – von den Schülerinnen und Schüler selbst organisierten und eigenverantwortlich durchgeführten – Lernprozesses ist zudem außerordentlich motivierend, weil die Schülerinnen und Schüler für sie selbst relevante Fragestellungen erarbeiten. Der Religionsunterricht hat damit etwas mit dem Leben der heutigen Kinder und Jugendlichen zu tun und wird so dem Bildungsauftrag der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen und auf ihre Verantwortung in Staat und Gesellschaft vorzubereiten, in hohem Maße gerecht. [130]


[124] Zur Problematik der Performanz: Vgl. Georg Gnandt: Impulse zu einem (auch) kompetenzorientierten Religionsunterricht, S. 8. Download unter:
http://www.erzbistum-koeln.de/export/sites/erzbistum/schule-hochschule/religionspaedagogik/steinfeld/vortraege/2010/gnandt/GNANDT_Kompetenzorientierter_RU.pdf
[125] Klieme-Expertise, S. 73.
[126] Klieme-Expertise, S. 79.
[127] Lenhard: Was heißt: kompetenzorientiert unterrichten? Download unter:
http://www.rpi-loccum.de/lenhard.html , S. 13.
[128] Vgl. Obst, Kompetenzorientiertes Lernen und Lehren im Religionsunterricht, S. 137.
[129] Vgl. Rupp, Vortrag in Stuttgart, 17.9.2010.
[130] Vgl. Beispielsequenz bei: Lenhard: Was heißt: kompetenzorientiert unterrichten. Download unter:
http://www.rpi-loccum.de/lenhard.html , S. 15 ff.

 

Was ist kompetenzorientierter Religionsunterricht?: Herunterladen [pdf] [650 KB]