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Sach­text

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

M6.4 Wie ist ei­gent­lich die Bibel ent­stan­den und wie der Koran?

Bis das Alte Tes­ta­ment in der heu­ti­gen Form vor­lag, dau­er­te es über 1000 Jahre. Am An­fang wurde in Is­ra­el münd­li­che Über­lie­fe­rung wei­ter­ge­ben: die Ur­sprungs­ge­schich­ten des Jah­we­g­lau­bens, die Ge­schich­te des Vol­kes Is­ra­el, Pro­phe­ten­wor­te, Ge­set­ze, Ge­be­te und Lehr­tex­te. Die Ver­schrift­li­chung und Zu­sam­men­fas­sung in Bü­chern be­gann im 8. Jh. v.​Chr. Je­ru­sa­lem und der Tem­pel wur­den zum Zen­trum für die Samm­lung der Hand­schrif­ten. Bis zur Aus­bil­dung des Ka­nons, d.h. der Fest­le­gung, wel­che Schrif­ten zu den grund­le­gen­den hei­li­gen Schrif­ten der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft ge­hö­ren, dau­er­te es noch lange. In­ner­halb des AT, im Buch Jesus Si­rach, das um 130 v.​Chr. ge­schrie­ben wurde, fin­det sich schon die Ein­tei­lung in drei Grup­pen von Schrif­ten, die sich spä­ter durch­setz­te: „Durch das Ge­setz, die Pro­phe­ten und die üb­ri­gen Schrif­ten ist uns viel Herr­li­ches ge­schenkt wor­den.“ (so am An­fang des Vor­wor­tes). Eine ver­bind­li­che Fest­le­gung der ka­no­ni­schen Bü­cher­samm­lung für alle jü­di­schen Ge­mein­den gab es frü­hes­tens im 2. Jh. n.​Chr. Die Juden be­nen­nen ihre Bibel mit Tanak, einem Kunst­wort, das aus den ers­ten Buch­sta­ben für die Be­zeich­nun­gen der ge­nann­ten Grup­pen ge­bil­det wurde: Tora (Ge­setz), Nebiim (Pro­phe­ten) und Ketu­bim (Schrif­ten). Der Tanak ent­hält nach der üb­li­chen Zähl­wei­se 39 Bü­cher.

Das Chris­ten­tum, das im Ju­den­tum wur­zelt, über­nimmt das AT; zur christ­li­chen Bibel kommt das NT dazu. Das Wort „Bibel“ (grie­chisch: bi­b­lia ) be­deu­tet ur­sprüng­lich „die Bü­cher“, seit dem 12. Jh. n.​Chr. „das Buch“. Bei der Auf­fas­sung vom AT gibt es Dif­fe­ren­zen zwi­schen ka­tho­li­schen und evan­ge­li­schen Chris­ten. Die ka­tho­li­sche Kir­che über­nahm am An­fang nicht nur den Tanak, also die auf He­brä­isch ge­schrie­be­nen Bü­cher, son­dern auch wei­te­re sie­ben jü­di­sche Bü­cher, die nicht in he­bräi­scher, son­dern in grie­chi­scher Spra­che ab­ge­fasst waren (Tobit, Judit, 1 und 2 Mak­ka­bä­er, Weis­heit Sa­lo­mos, Jesus Si­rach und Ba­ruch). Man nennt diese Bü­cher deu­te­ro­ka­no­nisch (wört­lich: zwei­ter Kanon ). Die Kir­chen der Re­for­ma­ti­on über­nah­men nur den Tanak. Die Drei­tei­lung des Tanak wurde im christ­li­chen Alten Tes­ta­ment zu einer Vier­tei­lung: Tora – Ge­schichts­bü­cher – Weis­heits­bü­cher – Pro­phe­ten. Diese Ein­tei­lung zeigt auch, dass die Bibel eher eine ganze Bi­blio­thek dar­stellt mit Bü­chern aus ver­schie­de­nen Zei­ten und mit ver­schie­de­nen Text­ar­ten (Gat­tun­gen).

Auch das Neue Tes­ta­ment, in Grie­chisch ge­schrie­ben, ist aus der münd­li­chen Ver­kün­di­gung her­aus er­wach­sen. Am An­fang stand die Ver­kün­di­gung Jesu, nach Tod und Auf­er­ste­hung Jesu gaben seine Apos­tel das Evan­ge­li­um, die frohe Bot­schaft, wei­ter. Erste Schrif­ten waren die Brie­fe der Apos­tel, be­son­ders des Pau­lus (Mitte des 1. Jh. n. Chr.), der an die Chris­ten­ge­mein­den, die er ge­grün­det hatte, schrieb und ihnen auf dem Brief­weg Hil­fen und Rat in ihren Fra­gen und Sor­gen gab. Dann kamen die Schrif­ten über Jesus Chris­tus, seine Worte und Taten, sei­nen Tod und seine Auf­er­ste­hung (Evan­ge­li­en) und die Auf­zeich­nun­gen über die Ent­ste­hung der ers­ten Ge­mein­den und die frühe Aus­brei­tung des Chris­ten­tum (Apos­tel­ge­schich­te) dazu (70–90 n. Chr.). Am Schluss der christ­li­chen Bibel, gegen Ende des 1. Jh. n. Chr. ent­stan­den, steht die Ge­hei­me Of­fen­ba­rung, eine Schrift über die End­zeit­er­eig­nis­se (Apo­ka­lyp­se). Im Gan­zen zeigt sich also, dass viele Schift­stel­ler über eine lange Zeit hin an der Ent­ste­hung der Bibel mit­ge­wirkt haben.

An­ders ist dies beim Koran (wört­lich: das Vor­zu­tra­gen­de, zu Re­zi­tie­ren­de ). Er ent­hält aus­schließ­lich Worte Mu­ham­mads aus Of­fen­ba­run­gen im Zeit­raum zwi­schen 610 (erste Of­fen­ba­rung) und 632 n.​Chr. (To­des­jahr Mu­ham­mads). Mu­ham­mad schrieb wie Jesus nicht selbst. Sein „Se­kre­tär“ Zaid ibn Tabit hat Texte auf­ge­schrie­ben. Die­ser wirk­te auch mit, als unter dem drit­ten Ka­li­fen Oth­man (664 – 656 n.​Chr.) die Of­fen­ba­rungs­tex­te von einer Kom­mis­si­on ge­sam­melt und der Koran fest­ge­legt wur­den.

Der Koran hat im Ver­gleich zur Bibel einen viel ge­rin­ge­ren Um­fang (un­ge­fähr der Um­fang des Neuen Tes­ta­ments). Er ist in 114 Suren ein­ge­teilt (ara­bisch: su’r = Ab­schnitt, Teil ). Jede Sure be­ginnt mit der An­ru­fung des Na­mens Got­tes, der so ge­nann­ten Bas­ma­la. Die Suren sind von un­ter­schied­li­cher Länge, die längs­ten Suren ste­hen am An­fang, die kür­zes­ten am Schluss. Ähn­lich wie in der Bibel gibt es eine Ein­tei­lung in Verse. Die For­scher ver­su­chen die Suren nach ihrer Ent­ste­hungs­zeit zu un­ter­schei­den: mek­ka­ni­sche Suren (vor 622) und me­di­ni­sche Suren (ab 622). Die Spra­che ist Ara­bisch, wie es in Mekka ge­spro­chen wurde. Die ein­zel­nen Suren tra­gen auch einen Namen, z.B. Die Kuh (2.), Die Um­kehr (9.), Josef (12.), Die Nach­t­rei­se (17.) Maria (19.) usw. Meis­tens steht der Name in Bezug zum In­halt der Sure.

In wel­chem Sinn ver­ste­hen Chris­ten die Bibel und Mus­li­me den Koran als „Wort Got­tes“?

Im Ver­gleich zur Bibel ent­stand der Koran also in sehr kur­zer Zeit. Das hängt auch mit dem un­ter­schied­li­chen Ver­ständ­nis von „Of­fen­ba­rung“ und von „Wort Got­tes“ zu­sam­men. Für Juden und Chris­ten of­fen­bart sich Gott in der Ge­schich­te, er er­wählt und lei­tet sein Volk Is­ra­el, er zeigt sich in sei­ner Schöp­fung. Für Chris­ten hat diese Ge­schich­te Got­tes mit sei­nem Volk in Jesus Chris­tus ihren Hö­he­punkt: In ihm kommt Gott den Men­schen ganz nahe, er wird selbst Mensch. Die hei­li­gen Schrif­ten ent­stan­den erst als Re­ak­ti­on auf die Er­fah­run­gen mit Gott. Die Schrift­stel­ler, in denen der Geist Got­tes wirkt, wol­len die Of­fen­ba­rung Got­tes „fest­hal­ten“ und wei­ter­ge­ben.

Wie­der ver­hält es sich mit dem Koran an­ders. Der Koran selbst ist die Of­fen­ba­rung, das di­rek­te, im Him­mel fest­ge­leg­te Wort Got­tes, das Mu­ham­mad über­ge­ben wor­den ist. Wäh­rend für Chris­ten Gott in Jesus den Men­schen nahe kommt und ihnen hilft, ver­mit­telt im Glau­ben der Mus­li­me Mu­ham­mad die Schrift, die ihnen den Weg zeigt. Für Chris­ten ist Jesus selbst das „Wort Got­tes“ (Joh 1,1ff.) und „der Weg“ (Joh 14,6).

Der Koran ver­steht sich als „reine“ Of­fen­ba­rung des Wor­tes Got­tes, an der auch Juden und Chris­ten An­teil haben (sie wer­den im Koran als „Leute der Schrift“ be­zeich­net), die von ihnen aber nicht rich­tig be­wahrt wor­den sei. Mu­ham­mad ist des­halb das „Sie­gel der Pro­phe­ten“, d.h. dass er die Of­fen­ba­rung end­gül­tig und un­über­biet­bar emp­fan­gen hat. Eine Reihe von bi­bli­schen Per­so­nen (Abra­ham, Josef, Mose, Jona, Jesus u.a.) und Tex­ten (Exo­du­ser­zäh­lung, Ge­bo­te u.a.) spie­len im Koran eine Rolle, je­doch meist so, dass sie auf die Haupt­ele­men­te der Bot­schaft Mu­ham­mads, den Glau­ben an den einen Gott und an das Ge­richt und die Auf­er­ste­hung be­zo­gen sind.

(Der Text ist in An­leh­nung an Joa­chim Gnil­ka, Bibel und Koran. Was sie ver­bin­det, was sie trennt, ver­fasst, E.S.)

 

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