Zur Haupt­na­vi­ga­ti­on sprin­gen [Alt]+[0] Zum Sei­ten­in­halt sprin­gen [Alt]+[1]

In­ter­pre­ta­ti­ons­klau­sur II

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Der His­to­ri­ker Ta­ci­tus (ca. 58 - 120 n. Chr.) be­schreibt in sei­ner Bio­gra­phie sei­nes Schwie­ger­va­ters Agri­co­la, wie die­ser sein Amt als Statt­hal­ter in Bri­tan­ni­en aus­füll­te:

Agri­co­la non igna­rus in­stan­dum famae ac, prout prima ces­sis­sent, ter­ro­rem ce­te­ris fore, Monam in­su­lam, cuius pos­ses­sio­ne re­vo­ca­tum Pau­li­num re­bel­lio­ne to­ti­us Bri­tan­niae supra me­mo­ra­vi, re­di­ge­re in po­testa­tem animo in­ten­dit. Sed, ut in su­bi­tis con­siliis, naves de­erant: ratio et con­stan­tia ducis trans­ve­xit. De­po­si­tis om­ni­bus sar­ci­nis lec­tis­si­mos au­xi­l­i­a­ri­um, qui­bus nota vada et pa­tri­us nandi usus, quo simul seque et arma et equos reg­unt, ita re­pen­te in­mi­sit, ut ob­stu­pe­fac­ti hos­tes, qui clas­sem, qui navis, qui mare ex­pec­tabant, nihil ar­du­um aut in­vic­tum credi­der­int sic ad bel­lum ve­ni­en­ti­bus. Ita pe­ti­ta pace ac de­di­ta in­su­la clarus ac ma­gnus ha­be­ri Agri­co­la, quip­pe cui in­gre­dien­ti pro­vin­ci­am, quod tem­pus alii per os­ten­ta­tio­nem et of­fi­cio­rum am­bitum tran­sig­unt, labor et pe­ri­cu­lum pla­cuis­set.

Ce­ter­um ani­mo­rum pro­vin­ciae pru­dens, si­mul­que doc­tus per alie­na ex­pe­ri­men­ta parum pro­fi­ci armis, si ini­uriae se­que­ren­tur, cau­sas bell­o­rum sta­tuit ex­ci­de­re. A se su­is­que orsus pri­mum domum suam co­er­cuit, quod ple­ris­que haud minus ar­du­um est quam pro­vin­ci­am re­ge­re. Nihil per li­ber­tos ser­vos­que pu­bli­cae rei, non stu­diis pri­va­tis nec ex com­men­da­tio­ne aut pre­ci­bus cen­tu­rio­nem mi­li­tes­ve ad­sci­re, sed op­ti­mum quem­que fi­dis­si­mum puta­re. Omnia scire, non omnia ex­se­qui. Par­vis pec­ca­tis ve­ni­am, ma­gnis se­ve­ri­ta­tem com­mo­da­re; nec poena sem­per, sed sa­epi­us pa­e­ni­ten­tia con­ten­tus esse; of­fi­ciis et ad­mi­nis­tra­tio­ni­bus po­ti­us non pec­ca­turos pra­epo­ne­re, quam dam­na­re cum pec­cas­sent. Fru­men­ti et tri­bu­to­rum ex­ac­tio­nem ae­qua­li­ta­te mu­ner­um mol­li­re, cir­cum­ci­sis, quae in qua­e­s­tum re­per­ta, ipso tri­bu­to gra­vi­us to­le­ra­ban­tur. Nam­que per lu­di­bri­um ad­si­de­re clau­sis hor­reis et emere ultro fru­men­ta ac luere pre­tio co­ge­ban­tur. Di­vor­tia iti­ner­um et lon­gin­qui­tas re­gi­o­num in­di­ce­ba­tur, ut ci­vi­ta­tes pro­xi­mis hi­ber­nis in re­mo­ta et avia de­fer­rent, donec quod om­ni­bus in promp­tu erat pau­cis lu­cro­sum fie­ret. Haec primo sta­tim anno com­pri­men­do eg­re­gi­am famam paci cir­c­um­de­dit, quae vel in­cu­ria vel in­to­le­ran­tia prio­rum haud minus quam bel­lum ti­me­ba­tur.

Sed ubi aes­tas ad­ve­nit, contrac­to ex­er­ci­tu mul­tus in ag­mi­ne, lau­da­re mo­de­s­ti­am, di­siec­tos co­er­ce­re; loca cas­tris ipse cape­re, ae­s­tua­ria ac sil­vas ipse prae­temp­ta­re; et nihil in­te­rim apud hos­tis quie­tum pati, quo minus su­bi­tis ex­cur­si­bus po­pu­la­re­tur; atque ubi satis ter­ru­erat, par­cen­do rur­sus in­vi­ta­men­ta pacis os­ten­ta­re. Qui­bus rebus mul­tae ci­vi­ta­tes, quae in illum diem ex aequo egerant, datis ob­si­di­bus iram po­sue­re et pra­e­si­diis ca­s­tel­lis­que cir­c­um­da­tae, et tanta ra­tio­ne cu­raque, ut nulla ante Bri­tan­niae nova pars [pa­ri­ter] in­la­ces­si­ta tran­sie­rit.

Se­quens hiems salub­er­ri­mis con­siliis ab­sump­ta. Nam­que ut ho­mi­nes dis­per­si ac rudes eoque in bella fa­ci­les quie­ti et otio per vo­lupta­tes ad­su­e­sce­rent, hor­ta­ri pri­va­tim, adi­uva­re pu­bli­ce, ut tem­p­la fora domos ex­true­rent, lau­dan­do promptos, cas­ti­gan­do seg­nis: ita ho­no­ris ae­mu­la­tio pro ne­ces­si­ta­te erat. Iam vero prin­ci­pum fi­li­os li­be­ra­li­bus ar­ti­bus eru­dire, et in­ge­nia Bri­tan­n­o­rum stu­diis Gall­o­rum an­te­fer­re, ut qui modo lin­gu­am Ro­ma­nam ab­nue­bant, elo­quen­ti­am con­cu­p­is­ce­rent. Inde etiam ha­bi­tus nos­tri honor et fre­quens toga; pau­la­tim­que dis­ces­sum ad de­le­nimen­ta vi­ti­o­rum, por­ti­cus et ba­li­nea et con­vi­vio­rum ele­gan­ti­am. Idque apud im­pe­ri­tos hu­ma­ni­tas vo­ca­ba­tur, cum pars ser­vi­tu­tis esset.


Weil Agri­co­la ganz genau wuss­te, dass man vom Ruhm nicht ab­las­sen dürfe und dass - wie der An­fang glück­te - auch den wei­te­ren Un­ter­neh­mun­gen Schre­cken fol­gen werde, be­schloss er, die Insel Mona, von deren In­be­sitz­nah­me Pau­li­nus, wie ich oben er­wähnt habe, durch den Auf­stand ganz Bri­tan­ni­ens zu­rück­ge­ru­fen wor­den war, in seine Ge­walt zu brin­gen. Doch, wie <so oft> bei plötz­li­chen Ent­schlüs­sen: Die Schif­fe fehl­ten. Die Über­le­gung und die Be­harr­lich­keit des Feld­herrn je­doch führ­ten hin­über: Nach­dem alles Ge­päck ab­ge­legt wor­den war, schick­te er be­son­ders aus­ge­wähl­te Sol­da­ten der Hilfs­trup­pen, denen die Un­tie­fen ver­traut waren und eine Art zu schwim­men von Zu­hau­se ge­wohnt waren, mit der sie sich, die Waf­fen und die Pfer­de zu­gleich be­herr­schen, so plötz­lich hin­über, dass die er­staun­ten Fein­de, die nach einer Flot­te, nach Schif­fen und Meer Aus­schau hiel­ten, glaub­ten, dass für Sol­da­ten, die so zum Krieg gin­gen, nichts zu schwie­rig oder un­über­wind­lich sei. Als so um Frie­den ge­be­ten und die Insel über­ge­ben war, galt Agri­co­la als be­rühmt und be­deu­tend, weil er sich schon beim Be­tre­ten der Pro­vinz - eine Zeit, die an­de­re mit Macht­de­mons­tra­ti­on und Hul­di­gungs­stre­ben ver­geu­den - für An­stren­gung und Ge­fahr ent­schie­den hatte.

Im Üb­ri­gen be­schloss Agri­co­la - denn er kann­te die Stim­mung in der Pro­vinz und war auch durch die Er­fah­run­gen an­de­rer be­lehrt, dass mit Waf­fen wenig er­reicht wer­den kann, wenn Un­ge­rech­tig­kei­ten fol­gen - diese Kriegs­grün­de zu be­sei­ti­gen. Bei sich und den Sei­nen be­gin­nend, hielt zu­erst sein Haus in Schran­ken, was für die meis­ten ge­nau­so schwie­rig ist wie eine Pro­vinz zu lei­ten. Keine staat­li­che Auf­ga­be ließ er durch Frei­ge­las­se­ne und Skla­ven er­le­di­gen, nicht aus per­sön­li­cher Nei­gung und nicht auf Emp­feh­lung oder Bit­ten an­de­rer nahm er einen Cen­tu­rio oder Sol­da­ten zu sich, son­dern er hielt ge­ra­de die Bes­ten auch für die Zu­ver­läs­sigs­ten. Alles wuss­te er, aber nicht alles be­straf­te er. Bei ge­rin­gen Ver­ge­hen ließ er Nach­sicht wal­ten, bei schwe­ren Ver­ge­hen Stren­ge; nicht immer war er mit einer Stra­fe zu­frie­den, son­dern öfter schon mit Reue. Mit Amts­pflich­ten und Ver­wal­tungs­stel­len be­trau­te er lie­ber Män­ner, die sich nicht ver­ge­hen wür­den, als dass er sie ver­ur­teil­te, wenn sie sich ver­gan­gen hat­ten. Die Ein­trei­bung von Ge­trei­de und Steu­ern mil­der­te er durch eine ge­rech­te Ver­tei­lung der Las­ten, wobei er alles be­schnitt, was sich [die Römer] zur ei­ge­nen Be­rei­che­rung aus­ge­dacht hat­ten und was [von den Bri­tan­ni­ern] schwe­rer als die Steu­er selbst er­tra­gen wurde. Denn aus Will­kür wur­den die Bri­tan­nier ge­zwun­gen, vor den ver­schlos­se­nen Ge­trei­de­spei­chern zu sit­zen, ih­rer­seits Ge­trei­de zu kau­fen und dafür einen hohen Preis zu be­zah­len; auch wur­den ihnen Um­we­ge und ent­fern­te Be­zir­ke vor­ge­schrie­ben, so dass die Stäm­me das Ge­trei­de in weit ent­le­ge­ne und un­weg­sa­me Ge­bie­te lie­fern muss­ten, wobei rö­mi­sche Win­ter­la­ger ganz in der Nähe lagen, bis das, was für alle leicht er­reich­bar war, nur für we­ni­ge Ge­winn ab­warf. Da­durch dass Agri­co­la diese Ma­chen­schaf­ten so­fort im ers­ten Jahr un­ter­band, gab er dem Frie­den, der wegen der Nach­läs­sig­keit oder Maß­lo­sig­keit sei­ner Vor­gän­ger ge­nau­so ge­fürch­tet wurde wie Krieg, einen guten Ruf.

Aber so­bald der Som­mer her­an­kam, zog er das Heer zu­sam­men, war viel mit auf dem Marsch, lobte Ge­hor­sam, hielt die Ver­ein­zel­ten zu­sam­men. Die Plät­ze für das Lager be­stimm­te er selbst; Ge­wäs­ser und Wäl­der er­kun­de­te er selbst im Vor­aus. Un­ter­des­sen ließ er den Fein­den keine Ruhe, um durch plötz­li­che Streif­zü­ge Ver­wüs­tun­gen an­zu­rich­ten; und wenn er genug Schre­cken ver­brei­tet hatte, zeig­te er ihnen wie­der­um die Lo­ckun­gen des Frie­dens, indem er sie schon­te. Da­durch leg­ten viele Stäm­me, die bis zu jener Zeit un­ab­hän­gig ge­lebt hat­ten, ihre Er­bit­te­rung ab und stell­ten Gei­seln. Sie wur­den von Stütz­punk­ten und Kas­tel­len um­ge­ben, und zwar mit so gro­ßer vor­aus­schau­en­der Sorg­falt, dass nie zuvor ein neu er­ober­ter Teil Bri­tan­ni­ens so un­an­ge­foch­ten <in rö­mi­schen Be­sitz> über­ging. Der fol­gen­de Win­ter wurde für sehr heil­sa­me Pläne ver­wen­det. Denn um die ver­streut und ein­fach le­ben­den und des­halb leicht zum Krie­ge nei­gen­den Men­schen durch An­nehm­lich­kei­ten an Ruhe und Frie­den zu ge­wöh­nen, er­mun­ter­te er sie per­sön­lich und un­ter­stütz­te sie mit öf­fent­li­chen Mit­teln, Tem­pel, Foren und Häu­ser zu bauen, wobei er die Be­reit­wil­li­gen lobte, die Trä­gen ta­del­te; so trat wett­ei­fern­des Be­mü­hen um An­er­ken­nung an die Stel­le des Zwan­ges. Aber schon ließ er die Söhne der Vor­neh­men in den artes li­be­ra­les [im röm. Bil­dungs­wis­sen] un­ter­rich­ten und er zog die na­tür­li­che Be­ga­bung der Bri­tan­nier dem Eifer der Gal­li­er vor, so dass die­je­ni­gen, die ge­ra­de noch die rö­mi­sche Spra­che ab­ge­lehnt hat­ten, die Re­de­kunst an­streb­ten. Von da an fand auch unser Äu­ße­res An­er­ken­nung, und häu­fig trug man die Toga. Und all­mäh­lich gab man sich den Rei­zen der Las­ter hin: Säu­len­hal­len, Bä­dern und er­le­se­nen Ge­la­gen. Und dies wurde bei den Un­er­fah­re­nen "Bil­dung" ge­nannt, wäh­rend es doch ein Teil der Knecht­schaft war.

Auf­ga­ben:

1.

Der Text ist in vier Ab­schnit­te ge­glie­dert. Geben Sie jedem Ab­schnitt eine Über­schrift.

(8 P.)

2.

Stel­len Sie (mit la­tei­ni­schen Text­be­le­gen!) stich­wort­ar­tig zu­sam­men, wie Ta­ci­tus in die­ser Text­pas­sa­ge sei­nen Schwie­ger­va­ter Agri­co­la cha­rak­te­ri­siert. [10 deut­sche Cha­rak­te­ris­ti­ka, je­weils mit lat. Text­be­leg]

(10 P.)

3.

zu Zeile 33-38 (Se­quens ... con­cu­p­is­ce­rent):

a. No­tie­ren Sie, in wel­chen Le­bens­be­rei­chen die Ro­ma­ni­sie­rung der Bri­tan­nier er­folgt. [lat. Zi­ta­te will­kom­men, aber nicht not­wen­dig]

(5 P.)

b. Nen­nen Sie vier Stil­mit­tel (je­weils mit prä­zi­sem la­tei­ni­schen Zitat) und be­schrei­ben Sie je­weils die Wir­kung die­ses rhe­to­ri­schen Mit­tels.

(8 P.)

4.

Der His­to­ri­ker Ta­ci­tus übt in sei­nen Wer­ken immer wie­der, teils ver­steckt, teils offen, Kri­tik an der rö­mi­schen Herr­schaft. Ar­bei­ten Sie aus dem la­tei­ni­schen (!) Text sol­che Kri­tik­punk­te her­aus. [Dar­stel­lung von 7 Kri­tik­punk­ten, je­weils mit lat. Zitat]

(14 P.)

bonam for­t­u­nam!

 

In­ter­pre­ta­ti­ons­klau­sur II: Her­un­ter­la­den [doc] [40 KB]