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M.​An­na­eus Lu­ca­nus

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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

M.​An­na­eus Lu­ca­nus

Aus­zug aus dem 9. Buch des Bel­lum Ci­vi­le:
Cato Uti­cen­sis stellt die stoi­sche Lehre vor

Li­te­ra­tur­an­ga­ben sind in der Ein­füh­rung auf­ge­führt.

Auf sei­nem Marsch durch Afri­ka ist Cato mit sei­nen Sol­da­ten zum Hei­lig­tum des Zeus Ammon ge­langt. Be­reits Alex­an­der der Große hatte die­ses Hei­lig­tum be­sucht.

An­mer­kun­gen zur Text­ge­stalt sind in Klam­mern mit klei­nen Buch­sta­ben in Fett­druck [ (a) ] ge­kenn­zeich­net; die Er­läu­te­rung fin­det sich un­ter­halb des Tex­tes. Aus ur­he­ber­recht­li­chen Grün­den wurde die im In­ter­net frei zu­gäng­li­che Ver­si­on der Latin Li­bra­ry ver­wen­det ( http://​www.​the​lati​nlib​rary.​com/​lucan/​lu­can9.​shtml ). Die­ser Text wurde auf Feh­ler durch­ge­se­hen. Im In­ter­net steht eine wis­sen­schaft­li­che Edi­ti­on auf der Web­site des Pa­ckard Hu­man­ties In­sti­tu­te be­reit ( http://​latin.​pack­hum.​org/​loc/​917/​1/​0#​8 ; ed. A.​E.​Hous­man 1927), die hier nicht re­pro­du­ziert wer­den kann.

 

Er­zäh­ler­be­richt

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stabant ante fores po­pu­li, quos mi­se­rat Eos
cor­ni­ge­ri­que Iouis mo­ni­tu noua fata pe­te­bant;
sed Latio ces­se­re duci, co­mi­tes­que Ca­to­nem
orant ex­plo­ret Li­by­cum me­mo­ra­ta per orbem
nu­mi­na, de fama tam longi iu­di­cet aevi.
ma­xi­mus hor­ta­tor scrutan­di uoce de­o­rum

Es stan­den vor den Toren die Völ­ker, die Eos ge­schickt hatte, und sie woll­ten das künf­ti­ge Ge­schick aus der Wei­sung des hörn­er­tra­gen­den Iup­pi­ter er­fah­ren. Aber sie mach­ten dem Heer­füh­rer aus La­ti­um Platz, und seine Be­glei­ter baten Cato, er möge doch die Gott­heit be­fra­gen, die über den ly­bi­schen Land­strich hin­weg be­kannt ist, und sein Ur­teil fäl­len über die­sen alt­ehr­wür­di­gen Ruhm der Gott­heit.

Die Rede des La­bi­e­nus

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eu­en­tus La­bi­e­nus erat. 'sors ob­tu­lit' in­quit
'et for­tu­na uiae tam magni nu­mi­nis ora
con­si­li­um­que dei: tanto duce pos­su­mus uti
per Syr­tes, bel­lis­que datos co­gnos­ce­re casus.
nam cui credi­de­rim su­pe­r­os ar­ca­na da­turos
dic­turos­que magis, quam sanc­to, uera, Ca­to­ni?
certe uita tibi sem­per de­rec­ta su­pernas
ad leges, se­que­ris­que deum. datur, ecce, lo­quen­di
cum Ioue li­ber­tas: in­qui­re in fata ne­fan­di
Cae­sa­ris et pa­triae uen­turos ex­cu­te mores.
iure suo po­pu­lis uti le­gum­que li­ce­bit,
an bel­lum ci­ui­le perit? tua pec­to­ra sacra
uoce reple; durae sal­tem uir­tu­tis ama­tor
quae­re, quid est uir­tus, et posce ex­em­plar ho­nes­ti.'

(550) Der eif­rigs­te Be­für­wor­ter einer sol­chen Be­fra­gung, die die Zu­kunft aus der Stim­me des Got­tes in Er­fah­rung brin­gen soll­te, war La­bi­e­nus. "Der Zu­fall und das Ge­schick des Weges boten uns die Stim­me einer der­art gro­ßen Gott­heit und den Rat des Got­tes an: Wir kön­nen einen so gro­ßen Füh­rer durch die Syr­ten ge­brau­chen, und wir kön­nen die Zu­fäl­le er­ken­nen, denen die Krie­ge un­ter­wor­fen sind. Denn wem soll­ten mei­ner Au­f­as­sung nach die Himm­li­schen die Ge­heim­nis­se an­ver­trau­en und die Wahr­heit mit­tei­len, als dem hei­li­gen Cato? (556) Si­cher­lich war dein Leben immer auf die hö­he­ren Ge­set­ze ge­rich­tet, und du folgst dem Gott. Siehe, es gibt nun die Mög­lich­keit, mit dem Gott zu spre­chen: Er­fra­ge das Schick­sal des ver­hass­ten Cae­sar und suche die künf­ti­ge Ver­fas­sung der Hei­mat in Er­fah­rung zu brin­gen. Wird es er­laubt sein, dass das Volk das ei­ge­ne Recht und die ei­ge­nen Ge­set­ze ver­wen­det, oder ver­geht der Bür­ger­krieg um­sonst? Fülle dein Herz mit der hei­li­gen Stim­me; frage du, der Lieb­ha­ber der un­er­bitt­li­chen Tu­gend, we­nigs­tens, was die Tu­gend ist, und for­de­re eine Lehre vom Wesen des Eh­ren­haf­ten."

Catos Ant­wort


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ille deo ple­nus ta­ci­ta quem mente ge­rebat
ef­fu­dit di­gnas ady­tis e pec­to­re uoces.
'quid quae­ri, La­bie­ne, iubes? an liber in armis
oc­cu­buis­se uelim po­ti­us quam regna ui­de­re?
an sit uita nihil sed longa an dif­fe­rat aetas? (a)
an no­ceat uis nulla bono for­t­u­naque per­dat
op­po­si­ta uir­tu­te minas, lau­dan­daque uelle 
sit satis et num­quam suc­ces­su crescat ho­ne­s­tum?
sci­mus, et hoc nobis non al­ti­us in­se­ret Ham­mon.
haere­mus cunc­ti su­peris, tem­plo­que ta­cen­te
nil fa­ci­mus non spon­te dei; nec uo­ci­bus ullis
numen eget, di­xit­que semel nas­cen­ti­bus auc­tor
quid­quid scire licet. ste­ri­les­ne ele­git ha­re­nas
ut ca­ne­ret pau­cis, mer­sit­que hoc pu­lue­re uerum,
est­que dei sedes nisi terra et pon­tus et aer
et cae­l­um et uir­tus? su­pe­r­os quid quae­ri­mus ultra?
Iup­pi­ter est quod­cum­que uides, quod­cum­que moue­ris.
sor­ti­le­gis ege­ant dubii sem­per­que fu­tu­ris
ca­si­bus an­ci­pi­tes: me non ora­cu­la cer­tum
sed mors certa facit. pau­i­do fortique ca­den­dum est:
hoc satis est di­xis­se Iouem.' sic ille pro­f­a­tus
se­rua­ta­que fide tem­p­li dis­ce­dit ab aris
non ex­plo­ra­tum po­pu­lis Ham­mo­na re­lin­quens.

Jener aber (=Cato), voll von dem Gott, den er im schweig­sa­men Her­zen trug, goss diese Worte, die dem Hei­lig­tum wür­dig waren, aus sei­ner Brust: "Was be­fiehlst du, was soll ich fra­gen? Ob ich lie­ber frei in Waf­fen dar­nie­der­lie­gen möch­te oder die Kö­nigs­herrr­schaft sehen? Ob das Leben nichts sei, oder aber, ob die Länge des Le­bens einen Un­ter­schied macht? Ob die Ge­walt dem Guten Scha­den zu­fü­gen kann und ob das Schick­sal seine Dro­hun­gen um­sonst aus­spricht, wenn die Tu­gend sich ihm ent­ge­gen­stellt? Ob es aus­reicht, das Lo­bens­wer­te zu wol­len, und ob das Eh­ren­haf­te nie­mals durch den Er­folg etwas hin­zu­ge­winnt? (572) Wir wis­sen das, und Ham­mon wird es uns nicht tie­fer ein­pflan­zen. Wir alle hän­gen von den himm­li­schen Göt­tern ab, und wir tun nichts gegen den Wil­len der Göt­ter, auch wenn der Tem­pel schweigt. Die Gott­heit be­nö­tigt keine Stim­men, und der Schöp­fer hat ein für al­le­mal, als wir ge­bo­ren wur­den, ge­sagt, was zu wis­sen er­laubt ist. (576) Hat er die un­frucht­ba­re Wüste aus­ge­wählt, um für we­ni­ge zu sin­gen, und hat er die Wahr­heit hier in die­sem Sand ver­gra­ben, und gibt es einen an­de­ren Wohn­sitz des Got­tes als Erde und Meer und Luft, Him­mel und die Tu­gend? Was su­chen wir die himm­li­schen Göt­ter jen­seits? Iup­pi­ter ist alles, was du siehst, alles, was du be­wegst. Die Ora­kel­le­ser sind auf die Zwei­feln­den an­ge­wie­sen und auf die Leute, die un­si­cher dar­über sind, was die Zu­kunft bringt: Mich ma­chen nicht die Ora­kel si­cher, son­dern der si­che­re Tod. Der Ängst­li­che wie der Tap­fe­re müs­sen fal­len: Das ge­sagt zu haben, reicht dem Gott völ­lig aus." Nach­dem er so ge­spro­chen hatte und sein Gott­ver­trau­en be­wahrt hatte, ging er weg von den Al­tä­ren des Tem­pels und ließ den Ham­mon, den er nicht be­fragt hatte, für die Völ­ker zu­rück.

Der Kom­men­tar des Er­zäh­lers




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ipse manu sua pila gerit, pra­ece­dit an­he­li
mi­li­tis ora pedes, mons­trat to­lera­re la­bo­res,
non iubet, et nulla ue­hi­tur ce­ruice su­pi­nus
car­pen­to­que se­dens; somni par­cis­si­mus ipse est;
ul­ti­mus haus­tor aquae quam, tan­dem fonte re­per­to,
in­di­ga co­ga­tur la­ti­cis po­ta­re (b) iuuen­tus,
stat dum lixa bibat. si ueris magna pa­ra­tur
fama bonis et si suc­ces­su nuda re­mo­to
in­spi­ci­tur uir­tus, quid­quid lau­da­mus in ullo
maio­rum, for­tu­na fuit. quis Marte se­cun­do,
quis tan­tum me­ruit po­pu­l­o­rum san­gui­ne nomen?
hunc ego per Syr­tes Li­bya­e­que ex­tre­ma tri­um­phum
du­ce­re ma­lue­rim, quam ter Ca­pi­to­lia curru
scan­de­re Pom­pei, quam fran­ge­re colla Iugurthae.
ecce par­ens uerus pa­triae, dig­nis­si­mus aris,
Roma, tuis, per quem num­quam iura­re pu­de­bit
et quem, si ste­te­ris um­quam ce­ruice so­lu­ta,
nunc, olim, fac­tu­ra deum es. ...

Selbst, mit ei­ge­ner Hand, trägt er den Wurf­spieß, geht zu Fuß vor dem An­ge­sicht der keu­chen­den Sol­da­ten vor­aus, zeigt, dass die Stra­pa­zen zu tra­gen sind, be­fiehlt es nicht nur, und lässt sich nicht oben auf der Sänf­te tra­gen oder im Wagen fah­ren. Er selbst be­kommt am we­nigs­ten Schlaf; als letz­ter trinkt er, wenn end­lich eine Quel­le ge­fun­den wurde, wäh­rend er die Ju­gend, die nach einem Trop­fen dürs­tet, zu trin­ken nö­tigt; er steht und war­tet, bis der Tross ge­trun­ken hat. (593) Wenn dem wah­ren Gut ein gro­ßer Ruhm be­rei­tet ist und wenn die Tu­gend al­lein, un­ab­hän­gig vom Er­folg, in Be­tracht steht, dann war alles, was wir bei ir­gend einem von den Vor­fah­ren loben, nur das Ge­schick. Wer ver­dien­te sich durch Kriegs­glück, wer durch das Blut der Völ­ker einen so gro­ßen Namen? Ich woll­te lie­ber die­sen Tri­umph durch die Syr­ten und die ent­le­ge­nen Ge­gen­den Ly­bi­ens be­glei­ten als drei­mal im Wagen des Pom­pei­us das Ca­pi­tol zu be­stei­gen oder als den Na­cken des Iugur­tha zu bre­chen. (601) Siehe, der wahre Vater des Va­ter­lands, wür­dig, Rom, dei­ner Al­tä­re, bei dem zu schwö­ren nie­mand sich scheu­en soll­te und den du, wenn du ein­mal mit frei­em Na­cken auf­ge­stan­den bist, der­einst zum Gott ma­chen wirst.

 

An­mer­kung zum Text

a: Vers 568: +an sit uita nihil sed longa an dif­fe­rat aetas+; 'Ver­sus non­dum emen­da­tus' in der An­mer­kung Eh­lers

b: Vers 592: la­ti­cis <s>pec­ta­re Hous­man

 

In­ter­pre­ta­ti­ons­skiz­ze (Schwer­punkt: Rede des Cato)

Im Er­zäh­ler­be­richt wird die Si­tua­ti­on vor den Tem­pel­toren skiz­ziert: Eine Menge drängt sich vor dem Tem­pel, be­gie­rig auf das Ora­kel, und die Be­glei­ter wün­schen sich, dass ihr An­füh­rer auch die Wei­sung des Got­tes ein­holt. Zwei Reden klä­ren die Frage, ob es an­ge­mes­sen ist, dass Cato die­ses Ora­kel ein­holt. Zu­erst spricht sich La­bi­e­nus dafür aus. Der Gott könne den Re­pu­bli­ka­nern seine Füh­rung an­bie­ten ('tanto duce', 552); Cato sei be­son­ders dafür prä­des­ti­niert, die Ge­heim­nis­se ('ar­ca­na', 554) zu er­fah­ren, da er ein tu­gend­haf­tes Leben führ­te und dem Gott daher an­ge­nehm sein muss. Be­son­ders wich­tig sei es, den Aus­gang des Bür­ger­kriegs zu er­fah­ren. La­bi­e­nus spricht sein Ge­gen­über mit Ver­b­for­men der 2. Ps. Sg. (In­di­ka­tiv und Im­pe­ra­tiv) immer wie­der di­rekt an: 
Ca­to­ni 555; tibi, 556; in­qui­re, 558; ex­cu­te, 559; tua pec­to­ra ... reple 561 f.; ama­tor ... quae­re ... posce 562 f.

Cato lehnt hin­ge­gen das An­sin­nen ab. Das Thema ist in der ein­lei­ten­den Frage ge­nannt: 'quid quari, La­bie­ne, iubes?' (566) Das Thema ist also die Frage nach den mög­li­chen Fra­gen. Die Al­ter­na­ti­ven , zu denen er den Gott be­fra­gen könn­te, sind je­weils so ge­stal­tet, dass für den Stoi­ker nur eine in­fra­ge kommt. Das ist schon in den ers­ten Dop­pel­fra­gen er­kenn­bar: Bei der Wahl, ob er lie­ber frei und im Krieg fal­len oder der Kö­nigs­herr­schaft un­ter­wor­fen sein wolle (566 f.), kann es für den Stoi­ker und Re­pu­bli­ka­ner nur eine Ant­wort geben: die Frei­heit. Das zwei­te Bei­spiel be­rührt die stoi­sche Ethik: Diese stell­te die These auf, zu einem guten Leben füge eine lange Dauer nichts Gutes mehr hinzu, da das Gute in sich voll­endet ist und nicht ver­mehrt wer­den kann. Das Glei­che gilt auch im Falle des Schei­terns: Ein un­glück­li­cher Aus­gang eines Un­ter­neh­mens nimmt vom Wert die­ses Un­ter­neh­mens nichts weg.

Schon zu An­fang ist dem­nach er­kenn­bar, dass die Be­fra­gung des Ora­kels aus Catos Sicht sinn­los ist: Alles Wich­ti­ge weiß er oh­ne­hin ('sci­mus', 572) aus sei­ner phi­lo­so­phi­schen Lehre, die im Fol­gen­den wei­ter ent­fal­tet wird.

Schon im ers­ten Teil der Rede nimmt Cato zwei Be­grif­fe aus der Rede des La­bi­e­nus wie­der auf ( Re­kur­renz / Zitat): Hatte La­bi­e­nus den Zu­fall ('for­tu­na viae' 551) ge­lobt, der das Heer vor die­sen Tem­pel ge­führt habe, so er­in­nert Cato daran, dass seine Lehre das Schick­sal ge­ra­de ent­wer­tet (569), da es den Wei­sen nicht durch seine Dro­hun­gen ab­schre­cken kann. Auch die vir­tus wird wie­der auf­ge­nom­men (562 / 570).

In der Ent­fal­tung der Ar­gu­men­te (573-584) fin­den sich in jedem Satz Wör­ter aus dem Sach­feld Re­li­gi­on .

sci­mus, et hoc nobis non al­ti­us in­se­ret Ham­mon . (572)
haere­mus cunc­ti su­peris , tem­plo que ta­cen­te
nil fa­ci­mus non spon­te dei ; nec uo­ci­bus ullis 
numen eget, di­xit­que semel nas­cen­ti­bus auc­tor (575)
quid­quid scire licet. ste­ri­les­ne ele­git ha­re­nas
ut ca­ne­ret pau­cis, mer­sit­que hoc pu­lue­re uerum,
est­que dei sedes nisi terra et pon­tus et aer
et cae­l­um et uir­tus? su­pe­r­os quid quae­ri­mus ultra?
Iup­pi­ter est quod­cum­que uides, quod­cum­que moue­ris. (580)
sor­ti­le­gis ege­ant dubii sem­per­que fu­tu­ris
ca­si­bus an­ci­pi­tes: me non ora­cu­la cer­tum
sed mors certa facit. pau­i­do fortique ca­den­dum est:
hoc satis est di­xis­se Iouem .' 


Als Thema wird die­ses Sach­feld über den Vers 572 auf­ge­ru­fen. Die Ko­hä­renz der Rede wird über die Ver­wen­dung der 1. Ps. Pl. her­ge­stellt: Sci­mus - haere­mus - fa­ci­mus (572-574); quae­ri­mus (579). In der 3. Ps. Sg. wird über­wie­gend auf den Gott re­fe­riert: in­se­ret (572), numen eget (575), ele­git, mer­sit (576 f.), Iup­pi­ter est (580). Schieß­lich ist die 3. Ps. Pl. für die­je­ni­gen re­ser­viert, die aber­gläu­bisch auf die Ora­kel ver­trau­en (ege­ant, 581). Die 2. Ps. Sg. wird nur im ers­ten Satz der Rede ver­wen­det. Das kann man so deu­ten, dass Cato es ver­mei­det, sich di­rekt an La­bi­e­nus zu wen­den, denn dann müss­te er die­sen ja kri­ti­sie­ren. Es geht ihm nicht darum, sei­nen Un­ter­ge­be­nen, aber auch Ver­trau­ten zu­recht­zu­wei­sen, son­dern eine all­ge­mei­ne Lehre auf­zu­stel­len, die den Ge­sprächs­part­ner durch ihre Ar­gu­men­te über­zeugt. Blickt man auf die Rede des La­bi­e­nus zu­rück, so hatte die­ser in V. sei­nen Ge­sprächs­part­ner öfter di­rekt an­ge­spro­chen.

Aus die­ser gram­ma­ti­schen Ana­ly­se kann man ab­lei­ten, dass Cato Gott und Mensch ein­an­der ge­gen­über­stellt. Die Ar­gu­men­te wer­den in die­ser Rei­hen­fol­ge ent­fal­tet: Der Mensch han­delt nach dem Wil­len Got­tes; Gott ist über­all, und er hat es nicht nötig, sich in der Wüste zu ver­ste­cken. Die­ser Ge­dan­ke wird in der Sen­tenz in V. 580 auf den Punkt ge­bracht, die genau einen Vers um­fasst, wäh­rend die zu die­ser hin­füh­ren­den Ar­gu­men­te die Vers­gren­zen über­schrei­ten.

Am Ende der Rede greift Cato das Thema des Ora­kels wie­der auf. Die 'sor­ti­le­gi' sind 'dubii', den Ge­gen­satz dazu bil­det das zwei­mal ver­wen­de­te Ad­jek­tiv cer­tum, das in einem Po­lyp­to­ton zu einer Sen­tenz ge­fasst wird. Si­cher­heit gibt es nicht ver­mit­tels des Ora­kels, da die ent­schei­den­de Si­cher­heit darin be­steht, dass der Tod si­cher ist, der also oh­ne­hin nicht ab­ge­wen­det wer­den kann. Die Suche nach Si­cher­heit ist damit als fehl­ge­lei­tet ent­larvt.

Der Er­zäh­ler be­rich­tet zu­nächst über Catos Ver­hal­ten; er stellt zu­nächst seine vor­bild­li­che Hal­tung her­aus: Wie es sich für einen re­pu­bli­ka­ni­schen Feld­herrn ge­hört, nimmt Cato die glei­chen Stra­pa­zen auf sich wie seine Sol­da­ten und be­an­sprucht keine Son­der­rech­te.  [1]

[Cato] ver­kör­pert den idea­len Feld­herrn, der kei­ner­lei Pri­vi­leg für sich be­an­sprucht und seine Sol­da­ten durch sein Bei­spiel die Ge­fah­ren und Mühen des Wüs­ten­marschs zu er­tra­gen lehrt. Cato er­füllt damit sein zu Be­ginn des Wüs­ten­marschs ge­ge­be­nes Ver­spre­chen, die re­pu­bli­ka­ni­schen Trup­pen als pri­mus inter pares zu lei­ten... (Mar­tin See­wald, S. 298).

In den Ver­sen 594 f. ver­gleicht der Er­zäh­ler den stoi­schen Be­griff der Tu­gend mit dem tra­di­tio­nel­len ('maio­rum') rö­mi­schen Ver­ständ­nis des Lo­bens­wer­ten. Das Prä­di­kat des fol­gen­den Ver­ses weist die 1. Ps. Sg. auf: 'ma­lue­rim' - ich würde lie­ber mit Cato durch die Wüste zie­hen (die­sen Marsch als 'tri­um­phus' zu be­zeich­nen, kann man als Sar­kas­mus deu­ten) als in Rom einen Tri­umph zu fei­ern. Wer ist diese 1. Ps., die­ses 'Ich' in 'ma­lue­rim'? Durch die lan­gen De­bat­ten über das Ver­hält­nis von Autor und Er­zäh­ler soll­te jeder In­ter­pret vor­sich­tig sein, hier eine Gleich­set­zung vor­zu­neh­men. (vgl. die Aus­füh­run­gen in der Ein­füh­rung )

 


An­mer­kun­gen und Li­te­ra­tur­hin­wei­se

[1] Mar­tin See­wald: Lucan. 9,1-604: ein Kom­men­tar,  Göt­tin­gen 2002, On­line-Dis­ser­ta­ti­on : S. 298