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Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

Da kommt Niobe her, um­ringt von der Schar des Ge­fol­ges,
präch­tig im phry­gi­schen Kleid, das reich mit Golde durch­wirkt war,
schön, so­weit es der Zorn zu­ließ; be­we­gend das schmu­cke
Haupt mit dem lo­cki­gen Haar, das über die Schul­tern her­ab­fiel,
stand sie, ge­ho­ben das Haupt, und rief, stolz wen­dend die Bli­cke:
"Welch ein ver­blen­de­ter Wahn, den ge­se­he­nen Göt­tern ge­hör­te
vor­zu­ziehn! Warum ist La­to­na ge­ehrt an Al­tä­ren,
und mir hul­digt ihr nicht mit Weih­rauch? Mir ist der Er­zeu­ger
Tan­ta­los, wel­cher al­lein beim Mahl mit den Göt­tern ge­ses­sen.
Nah den Plei­aden ver­wandt ist die Zeu­ge­rin. Atlas der star­ke
ist mein Ahn, der trägt mit dem Na­cken die Achse des Ait­hers.
Iu­pi­ter auch ist mein Ahn, und ich rühme mich sei­ner als Schwä­hers.
Mich scheut Phry­giens Volk, mir steht zu Ge­bo­te des Kad­mos
Kö­nig­sitz, und die Mau­ern, ge­fügt von den Sai­ten des Gat­ten,
wer­den be­herrscht von mir und dem Mann mit den Stäm­men des Lan­des.
Wohin immer den Blick in den Räu­men des Hau­ses ich wende,
stellt un­end­li­ches Glück sich dar. Auch blü­hen­de Schön­heit,
Göt­tin­nen zie­mend, ist mein, und Jüng­lin­ge sie­ben und Töch­ter
gleich­viel rech­net dazu und bald Ei­da­me und Schnu­ren.
Fragt denn nun, ob der Grund zu mei­nem Stol­ze be­rech­tigt,
und dann wagt es und zieht mir vor die Ti­ta­ne La­to­na,
die ein Koios ge­zeugt, und der die ge­räu­mi­ge Erde,
als in den Nöten sie war, die kärg­li­che Stät­te ge­wei­gert.
Him­mel und Was­ser und Land war eue­rer Göt­tin ver­schlos­sen,
und es ver­stieß sie die Welt, bis der Schwei­fen­den Delos in Mit­leid
zu­rief: ‚Fremd irrst du auf dem Fest­land, ich in den Wogen",
und ihr be­weg­li­che Statt ein­räum­te. Mut­ter von zwei­en
wurde sie dort: das ist von mei­nen Ge­bur­ten ein Sieb­tel.
Mein ist das Glück - wer leug­net es wohl? -, und glück­lich ver­bleib' ich:
Des auch bin ich ge­wiss. Mich si­chert die Fülle des Se­gens;
ich bin höher, als dass For­tu­na ver­möch­te zu scha­den.
Vie­les ent­rei­ße sie mir, viel mehr doch muss sie mir las­sen.
Über die Furcht ist hin­aus mein rei­cher Be­sitz. Und ge­setzt auch,
ei­ni­ge könnt' ich viel­leicht ein­bü­ßen vom Volke der Kin­der,
nie doch werd' ich so arm, dass zwei nur blie­ben, La­to­nas
sämt­li­che Schar. Wie viel sind die wohl bes­ser als keine?
Las­set den hei­li­gen Dienst! Schnell geht, und leget den Lor­beer
ab von dem Haupt!" Sie legen ihn ab, ver­las­sen die Feier;
aber mit stil­lem Gebet - das dür­fen sie - flehn sie zur Gott­heit.
Zorn ist der Göt­tin er­regt, und hoch auf dem Gip­fel des Kynt­hos
trat zu den Zwil­lin­gen sie und sprach die fol­gen­den Worte:
"Ich, die Mut­ter ihr nennt, die stolz auf eure Ge­burt ist
und nur Iuno al­lein, sonst kei­ner der Göt­tin­nen, nach­steht,
soll nicht Göt­tin sein, und von immer ge­ehr­ten Al­tä­ren
werd' ich ver­drängt, o Kin­der, wenn ihr nicht mei­ner euch an­nehmt.
Nicht das kränkt mich al­lein; auch Schmä­hun­gen fügte zum Fre­vel
Tan­ta­los' Toch­ter hinzu, und unter die ei­ge­nen Kin­der
stell­te sie euch, und ver­waist - das falle zu­rück auf sie sel­ber –
nann­te sie mich und be­wies, die Ver­ruch­te, die Zunge des Va­ters."
                                  
(Über­set­zung nach R. Su­chier, be­ar­bei­tet von E. Gott­wein;
siehe http://​www.​gott­wein.​de/​Lat/​ov/​met06.​php )

Niobe-Klau­sur (In­ter­pre­ta­ti­on): Her­un­ter­la­den [doc] [79 KB]