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Young Pro­jects


Hein­richs, Gesa:
" Young Pro­jects " bei OTTO – Azu­bis ler­nen Pro­jekt­ma­nage­ment

Wer kennt das nicht aus dem Ar­beits­all­tag? Über­all lau­fen wich­ti­ge Pro­jek­te. Doch nicht alles, was Pro­jekt heißt, ver­dient auch die­sen Namen. Azu­bis kön­nen davon ein Lied sin­gen. Wann immer es eine un­lieb­sa­me Auf­ga­be zu tun gilt, wird das Eti­kett ‚Pro­jekt’ drauf­ge­klebt, um es Azu­bis schmack­haf­ter zu ma­chen. Das al­ler­dings kann nicht der Sinn von Ler­nen in der Aus­bil­dung sein. Im Ge­gen­teil:

Es ver­hin­dert ein Ver­ständ­nis, worum es in Pro­jek­ten ei­gent­lich geht.

Bei OTTO, dem welt­weit größ­ten Ver­sand­han­dels­kon­zern mit ca. 300 Aus­zu­bil­den­den in 13 Aus­bil­dungs­be­ru­fen, wurde vor zwei Jah­ren eine Lern­form ge­schaf­fen, durch die Azu­bis theo­re­tisch ler­nen und prak­tisch er­fah­ren kön­nen, was ein Pro­jekt ist: Young Pro­jects .

Wenn als Kern­kom­pe­ten­zen von Azu­bis und zu­künf­ti­gen Fest­kräf­ten Team­fä­hig­keit und die Fä­hig­keit, in­ter­dis­zi­pli­när zu ar­bei­ten an­ge­se­hen wer­den, er­scheint es sinn­voll, sie ge­ra­de darin zu för­dern.

Dafür bie­tet sich eine Pro­jekt­ar­beit be­son­ders an, da diese an­spruchs­voll ist und Pla­nung, Durch­füh­rung und Eva­lua­ti­on in zeit­lich be­grenz­ter (Team-)Ar­beit ver­langt sowie guter Ko­or­di­na­ti­on be­darf, um ef­fi­zi­ent zu sein. Der Kom­ple­xi­täts­grad von Pro­jek­ten kann dabei er­heb­lich va­ri­ie­ren. Für Azu­bis er­scheint es sinn­voll, erste Er­fah­run­gen im Pro­jekt­ma­nage­ment an­hand klei­ne­rer aber „ernst­zu­neh­men­der“, d. h. für den Auf­trag­ge­ber re­le­van­ter Pro­jek­te zu sam­meln. Dabei ist der ent­schei­den­de Ge­dan­ke, dass Pro­jek­te zwar in den Fach­be­rei­chen in­iti­iert wer­den (d. h. dort einen Auf­trag­ge­ber haben), das Pro­jekt selbst je­doch von Azu­bis ei­gen­ver­ant­wort­lich ohne hier­ar­chisch über­ge­ord­ne­ten Pro­jekt­lei­ter durch­ge­führt wird. Damit setzt Young Pro­jects auf die Idee, dass sich das Po­ten­zi­al vie­ler Azu­bis genau dann ent­fal­tet, wenn sie ei­gen­stän­dig in einem Azu­bi­team ar­bei­ten. Damit die Pro­jek­te in­ner­halb der knap­pen Aus­bil­dungs­zeit ab­sol­viert wer­den kön­nen, wurde ein zeit­li­cher Rah­men von sechs bis acht Wo­chen fest­ge­legt.

 

Wie aber de­fi­niert Young Pro­jects Pro­jek­te?

Pro­jek­te ...

    • sind ein­ma­li­ge Vor­ha­ben
    • sind zeit­lich be­grenzt
    • haben einen Auf­trag­ge­ber
    • haben ein de­fi­nier­tes Ziel
    • be­nö­ti­gen per­so­nel­le, zeit­li­che und ma­te­ri­el­le Mit­tel
    • wer­den im Team be­ar­bei­tet (min­des­tens vier Azu­bis)

Um in der Pro­jekt­ar­beit er­folg­reich zu sein, sind theo­re­ti­sche Kennt­nis­se nötig. Diese wer­den vor Be­ginn des Pro­jek­tes in einem ein­tä­gi­gen Se­mi­nar „Pro­jekt­ma­nage­ment“ ver­mit­telt. Die Se­mi­nar­lei­tung liegt bei Re­fe­ren­tin­nen aus dem Aus­bil­dungs­Cen­ter, die selbst prak­ti­sche Pro­jekt­er­fah­rung ge­macht haben. Das Se­mi­nar dient der Klä­rung fol­gen­der Punk­te :

  • Was ist unter einem Pro­jekt zu ver­ste­hen?
  • In wel­che Pha­sen ist ein Pro­jekt ein­zu­tei­len?
    • Wie ent­wi­ckelt man eine Pro­jekt­ver­ein­ba­rung?
    • Wie de­fi­niert man das Pro­jekt­ziel?
    • Wel­che Aus­wir­kun­gen soll das Pro­jekt haben?
    • Wel­ches sind die Rah­men­be­din­gun­gen?
    • Wie or­ga­ni­siert man ein Pro­jekt?
  • Wie ar­bei­tet man in einem Azubi-Team?
    • Braucht man einen Pro­jekt­lei­ter?
    • Wel­che Fä­hig­kei­ten haben die ein­zel­nen?
    • Wie or­ga­ni­siert sich das Team?
    • Was tut man bei Kon­flik­ten?
  • Me­tho­di­sche Übun­gen zu den The­men:
    • Ist-/Soll-Ana­ly­se
    • Pro­jek­t­ab­lauf­plan
    • Pro­jekt­struk­tur­plan
    • De­fi­ni­ti­on von Mei­len­stei­nen und Zie­len

Als be­son­ders sinn­voll hat sich er­wie­sen, das Se­mi­nar nicht zu lange vor dem ei­gent­li­chen Pro­jekt­start statt­fin­den zu las­sen, um den Lern­trans­fer best­mög­lich zu si­chern. Wenn das Pro­jekt­the­ma be­kannt ist, kön­nen sich ein­zel­ne Übun­gen auch schon auf das kon­kre­te Pro­jekt­the­ma be­zie­hen – die Ver­zah­nung von Theo­rie und Pra­xis wird ver­bes­sert.

Jedes Pro­jekt star­tet mit einem halb- oder ganz­tä­gi­gen Kick-Off. An die­sem neh­men die Azu­bis, die Auf­trag­ge­ber aus den Fach­be­rei­chen und eine Aus­bil­dungs­re­fe­ren­tin teil. Im Kick-Off geht es darum, eine ver­bind­li­che Pro­jekt­ver­ein­ba­rung zu tref­fen, d. h. die Aus­gangs­si­tua­ti­on zu klä­ren, das Pro­jekt­ziel zu de­fi­nie­ren und erste Schrit­te des Vor­ge­hens zu pla­nen. Die Azu­bi­grup­pe legt ihre Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on fest, d. h. sie ent­schei­det ob es einen Pro­jekt­lei­ter geben soll, was bei Un­stim­mig­kei­ten ge­sche­hen soll (Ent­schei­dungs­mo­da­li­tä­ten, Ve­to­recht der Ein­zel­nen) usw.. Am Ende des Tages soll­ten die Azu­bis an ihrem Ar­beits­platz eine schrift­li­che Ziel­fi­xie­rung und einen ers­ten Pro­jekt­struk­tur­plan auf­hän­gen kön­nen.

Das Aus­bil­dungs­Cen­ter von OTTO hat für Young Pro­jects ein ei­ge­nes Azu­bi­bü­ro, be­ste­hend aus drei Schreib­ti­schen mit zwei PCs, zwei Te­le­fo­nen sowie Be­spre­chungs­ecke be­reit­ge­stellt. Es ist wich­tig, dass die Azu­bis einen fes­ten Ar­beits­platz haben, der Flip­chart, Mo­dera­ti­ons­wän­de o. ä. auf­weist. Nur wenn das Un­feld für die Pro­jekt­grup­pe pro­fes­sio­nell ge­stal­tet ist, darf auch ein pro­fes­sio­nel­les Er­geb­nis er­war­tet wer­den.

Die in jedem Pro­jekt an­fal­len­den zu­sätz­li­chen Kos­ten (z.B. Fahrt- oder Ma­te­ri­al­kos­ten) wer­den von den auf­trag­ge­ben­den Fach­be­rei­chen über­nom­men (dies muss un­be­dingt vor­her vom Aus­bil­dungs­be­reich an­ge­spro­chen wer­den).

Wäh­rend des Pro­jekts haben die Azu­bis zwei pri­mä­re An­sprech­part­ner: Den Auf­trag­ge­ber und eine Re­fe­ren­tin aus dem Aus­bil­dungs­Cen­ter. Wö­chent­lich wer­den ver­pflich­tend an beide Pro­to­kol­le ver­schickt. Alle wei­te­ren Tref­fen ma­chen die Azu­bis selbst ab. Bei grö­ße­ren Schwie­rig­kei­ten (un­ter­ein­an­der oder mit dem Auf­trag­ge­ber) kön­nen die Azu­bis eine Su­per­vi­si­onbe­im Aus­bil­dungs­Cen­ter be­an­tra­gen. Mit der Re­fe­ren­tin gilt es zu klä­ren, was im Pro­jekt gut läuft, was ver­bes­sert wer­den kann. Ziel der Su­per­vi­si­on ist, eine kon­kre­te Lö­sungs­stra­te­gie für den Kon­flikt zu ent­wi­ckeln. Soll­ten in der Um­set­zung der er­ar­bei­te­ten Lö­sung wei­te­re Schwie­rig­kei­ten auf­tau­chen, kön­nen die Azu­bis wei­te­re Su­per­vi­si­ons­sit­zun­gen mit der Re­fe­ren­tin durch­füh­ren.

Das Pro­jekt endet mit einer Ab­schluss­prä­sen­ta­ti­on­der Azu­bis für den Auf­trag­ge­ber, bei der das Aus­bil­dungs­Cen­ter eben­falls ver­tre­ten ist.

Um das Ge­lern­te zu re­flek­tie­ren und den Lern­er­folg zu si­chern, fin­det ei­ni­ge Mo­na­te nach Ab­schluss des Pro­jekts ein Eva­lua­ti­ons­work­shop statt. Die­ser dient dazu, die Er­fah­run­gen aus allen Azu­bi­pro­jek­ten eines Jah­res zu­sam­men­zu­tra­gen. Dabei kön­nen die Be­tei­lig­ten so­wohl auf ihr ei­ge­nes Pro­jekt zu­rück­bli­cken als auch durch die Aus­ein­an­der­set­zung mit den Er­fah­run­gen der an­de­ren Pro­jekt­grup­pen ler­nen. So­bald die Azu­bis alle Bau­stei­ne durch­lau­fen haben, be­kom­men sie ein Zer­ti­fi­kat „Er­folg­rei­ches Pro­jekt­ma­nage­ment“, auf dem ihr Pro­jekt kurz er­läu­tert ist und die Se­mi­narbau­stei­ne auf­ge­führt sind.

Ab­schlie­ßend möch­te ich vier Pro­jek­te be­schrei­ben, die OTTO-Azu­bis im Rah­men der Young Pro­jects durch­ge­führt haben:

  • Vor­schlag für die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des Be­triebs­sports bei OTTO: Die­ses Thema wurde vom Be­triebs­rat in Auf­trag ge­ge­ben. Vier an­ge­hen­de Be­triebs­wir­te ver­gli­chen durch ein bench­mark bei Ham­bur­ger Fir­men die zwei häu­figs­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­for­men von Be­triebs­sport­grup­pen (Ver­eins­struk­tur/ Be­triebs­sport­struk­tur) und er­ar­bei­te­ten einen Vor­schlag für die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des OTTO-Be­triebs­sports.
  • Or­ga­ni­sa­ti­on der Store­checks für das Mar­ke­ting im Be­reich Kin­der­klei­dung: Ein Pro­jekt aus Fach­be­reich Mar­ke­ting. Vier an­ge­hen­de Groß- und Au­ßen­han­dels­kauf­frau­en ent­wi­ckel­ten  eine Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der halb­jähr­li­chen Store­checks in Ham­bur­ger Ein­zel­han­dels­häu­sern (mit Check­lis­ten etc.) und führ­ten den Pro­be­lauf selbst durch.
  • Kon­zep­ti­on und Durch­füh­rung einer in­ter­nen Messe, auf der sich aus­ler­nen­de Azu­bis über künf­ti­ge Ein­satz­plät­ze in­for­mie­ren kön­nen. Auf­trag­ge­ber waren hier die Azu­bi­ver­tre­tung und das Aus­bil­dungs­Cen­ter. Fünf Azu­bis kon­zi­pier­ten die Messe, mo­ti­vier­ten die Fach­be­rei­che zur Teil­nah­me und führ­ten die halb­tä­gi­ge Messe durch. Auf Grund des gro­ßen Er­fol­ges ist diese Messe mitt­ler­wei­le jähr­li­cher Be­stand­teil der Aus­bil­dung.
  • Das zu­letzt durch­ge­führ­te Pro­jekt hat einen be­son­de­ren Cha­rak­ter. Dies­mal gab es kei­nen in­ter­nen Auf­trag­ge­ber, son­dern einen ex­ter­nen: Fünf Aus­zu­bil­den­de hat­ten das Ziel, die OASE e.V. – eine 1993 ge­grün­de­te Selbst­hil­fe­grup­pe für Ob­dach­lo­se – mit fi­nan­zi­el­len Mit­teln zu un­ter­stüt­zen und somit vor der mög­li­chen Schlie­ßung im Früh­jahr 2004 zu be­wah­ren. Die Azu­bis or­ga­ni­sier­ten einen Floh­markt, eine Cha­ri­typar­ty, eine Ver­stei­ge­rung und star­te­ten die Tausch­ak­ti­on „Gum­mi­bär für einen Euro“. Sie ge­wan­nen drei wei­te­re OTTO-Azu­bis, an­ge­hen­de Me­di­en­ge­stal­ter, einen Jah­res­ka­len­der zu ent­wi­ckeln, der an OTTO-Mit­ar­bei­te­rIn­nen ver­trie­ben wird und des­sen Erlös der Ob­dach­lo­sen­hil­fe zu­gu­te kommt. Bis­lang konn­ten 3.400 Euro und hoch­wer­ti­ge Sach­spen­den an die OASE über­ge­ben wer­den.

Young Pro­jects ist viel­sei­tig und er­folg­reich: bei den Azu­bis als Ein­satz wäh­rend der Aus­bil­dung be­liebt und von den Fach­be­rei­chen ge­schätzt. Als Fazit bleibt: Wenn Aus­bil­de­rIn­nen selbst eine klare Vor­stel­lung davon haben, dass und wie Pro­jekt­ma­nage­ment ge­lernt wer­den kann, wenn sie pas­sen­de Pro­jekt­auf­trä­ge ak­qui­rie­ren, kann Pro­jekt­ar­beit von Azu­bis durch­aus einen Bei­trag zum Un­ter­neh­mens­er­folg leis­ten.