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Er­kennt­nis­ge­winn in der Wis­sen­schaft

Na­tur­wis­sen­schaft­li­cher Er­kennt­nis­ge­winn

Was sind Na­tur­wis­sen­schaf­ten?

  • Die Na­tur­wis­sen­schaf­ten be­fas­sen sich mit der sys­te­ma­ti­schen Er­for­schung der Natur und dem Auf­fin­den von Ge­setz­mä­ßig­kei­ten, mit deren Hilfe (na­tür­li­che) Phä­no­me­ne er­klärt wer­den kön­nen. Ein wei­te­res Ziel ist, – neben dem Ver­such, die Natur bes­ser zu ver­ste­hen – das ge­won­ne­ne theo­re­ti­sche Wis­sen zu nut­zen, um damit prak­ti­sche Pro­ble­me zu lösen und durch tech­ni­sche In­no­va­ti­on unser Leben auf die­ser Welt zu ver­bes­sern.
  • Die fol­gen­de Ab­bil­dung zeigt zu­nächst die­je­ni­gen me­tho­di­schen Schrit­te, die ein Wis­sen­schaft­ler macht, wenn er zu einem theo­re­ti­schen Ver­ständ­nis eines Na­tur­phä­no­mens kom­men will: Schrit­te (1) und (2).
  • Dar­über hin­aus ver­deut­licht sie, was zu tun ist, wenn das theo­re­ti­sche Wis­sen in der Pra­xis (also au­ßer­halb des La­bors) An­wen­dung fin­den soll: Schrit­te (3) und (4).

Naturwissenschaftliche Methodik

Na­tur­wis­sen­schaft­li­che Me­tho­dik

Am An­fang steht das Phä­no­men

Er­läu­te­run­gen zur Ab­bil­dung:

  1. Phä­no­men be­ob­ach­ten, be­schrei­ben und Ver­mu­tun­gen an­stel­len, wie die­ses Phä­no­men zu er­klä­ren sein könn­te
  2. So­bald ein plau­si­bler, Er­folg ver­spre­chen­der Er­klä­rungs­an­satz ge­fun­den ist, wird ein Ex­pe­ri­ment ent­wor­fen, um den Er­klä­rungs­an­satz zu tes­ten.
  3. Hat das Ex­pe­ri­ment (viel­leicht auch erst nach vie­len miss­glück­ten Ver­su­chen und Irr­tü­mern) schließ­lich ge­zeigt, dass der Er­klä­rungs­an­satz rich­tig ist, kommt der Wis­sen­schaft­ler zu einer Aus­sa­ge, d. h. er for­mu­liert eine Ge­setz­mä­ßig­keit, eine For­mel o.ä.
  4. Diese Ge­setz­mä­ßig­keit er­mög­licht es, Phä­no­me­ne rich­tig vor­her­zu­sa­gen und dient dann in der An­wen­dung der Wis­sen­schaft einer Nutz­bar­ma­chung der ge­won­ne­nen Ein­sicht in Form von Pro­dukt­ge­stal­tung und In­no­va­ti­on.

Ein Bei­spiel aus dem All­tag:

Schritt 1 Neh­men wir an, Sie haben in den letz­ten paar Näch­ten schlecht ge­schla­fen. Nor­ma­ler­wei­se sind Sie ein guter Schlä­fer, in­so­fern ist das etwas Un­ge­wöhn­li­ches. Was könn­ten Grün­de für die Schlaf­stö­run­gen sein? Die Klau­su­ren nächs­te Woche? Nein, die gab´s ja schon vor­her und da haben Sie auch immer gut ge­schla­fen. Die letz­ten Wo­chen waren sehr heiß und schwül, Sie haben große Men­gen an Eis­tee, Ihrem Lieb­lings­ge­tränk, ge­trun­ken. Es könn­te also sehr gut mög­lich sein, dass das darin ent­hal­te­ne Kof­fe­in Ihren Schlaf ge­stört hat. Ist das die rich­ti­ge Er­klä­rung?
Schritt 2 Ein re­la­tiv schnel­ler und ein­fa­cher Test – ein Ex­pe­ri­ment – wird eine Ant­wort geben. Sie trin­ken an den nächs­ten Aben­den an­statt des Eis­tees Eis was­ser .
Schritt 3 Falls Sie wie­der nor­mal schla­fen, kön­nen Sie davon aus­ge­hen, dass Ihre Er­klä­rung rich­tig war.

Sie kom­men zu der Fest­stel­lung, dass Kof­fe­in Ihren Schlaf be­hin­dert.
Schritt 4 Wenn nicht schon längst ge­sche­hen, könn­te je­mand auf die Idee kom­men, diese Ein­sicht / Ge­setz­mä­ßig­keit zu nut­zen, indem er „Wach­ma­cher-Ge­trän­ke“ oder Ta­blet­ten auf Kof­fe­in­ba­sis her­stellt, ver­treibt und damit stein­reich wird.

Ein Bei­spiel aus der Phy­sik:

Schritt 1 Die An­fän­ge der Elek­tri­zi­tät gehen auf das Phä­no­men der In­flu­en­zer­schei­nun­gen sowie Ver­su­che von Gue­ri­cke 1672 zu­rück. Am An­fang des Er­kennt­nis­ge­winns steht hier als Er­klä­rungs­an­satz die Hy­po­the­se von der Exis­tenz eines elek­tri­schen Flui­dums .
Schritt 2 Diese Hy­po­the­se reich­te zu­sam­men mit dem La­dung sbe­griff aus, um ex­pe­ri­men­tell als erste Ge­setz­mä­ßig­keit das cou­lomb­sche Ge­setz zu fin­den.
Schritt 3 In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten wur­den wei­te­re Ex­pe­ri­men­te ge­plant und durch­ge­führt, die zu je­weils neuen Phä­no­me­nen wie­der­um ihre ei­ge­nen Hy­po­the­sen in sich tru­gen. Die Vol­ta­säu­le und das am­pere­sche Ge­setz wur­den er­mit­telt. Beide Ge­setz­mä­ßig­kei­ten waren zu­sam­men mit dem ma­gne­ti­schen Feld­be­griff die Vor­aus­set­zun­gen für das fa­ra­day­sche In­duk­ti­ons­ge­setz. Die max­well­sche Hy­po­the­se, nach der sich Licht und Elek­tro­ma­gne­tis­mus in einer Theo­rie dar­stel­len las­sen, er­staun­te die Zeit­ge­nos­sen. Die max­well­schen Glei­chun­gen sind bis heute gül­tig und be­schrei­ben die ge­sam­te Elek­tro­dy­na­mik.

Erst nach 1864 wurde die Exis­tenz der Elek­tro­nen als Teil­chen nach­ge­wie­sen. Mit der spe­zi­el­len Re­la­ti­vi­täts­theo­rie und den Atom­mo­del­len fand die klas­si­sche Phy­sik zu Be­ginn des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts ihren Hö­he­punkt. Die Teil­chen­vor­stel­lung führ­te je­doch in Ex­pe­ri­men­ten zu Wi­der­sprü­chen. In die mo­der­nen phy­si­ka­li­schen Theo­ri­en ging der Dua­lis­mus von Teil­chen und Welle für Elek­tro­nen ein.
Schritt 4

 
Erst nach Jahr­zehn­ten tech­ni­scher Ent­wick­lung kön­nen an­wen­der­ori­en­tier­te Pro­duk­te wie Laser, Brenn­stoff­zel­le, Handy oder Ras­ter­tun­nel­mi­kro­skop ge­kauft wer­den. Teil­wei­se gehen diese Ge­rä­te auf die Nutz­bar­ma­chung jahr­hun­der­te­al­ter Ein­sich­ten zu­rück.

Das Bei­spiel aus der Phy­sik steu­er­te Hel­ler, Karl, Phil­ipp-Mat­thä­us-Hahn-Schu­le, Nür­tin­gen bei.

Zur Ver­tie­fung:

Übun­gen

Hier ein paar Übungs­bei­spie­le für Leh­re­rin­nen und Leh­rer, die hel­fen sol­len, im Un­ter­richt zu­min­dest den wis­sen­schafts­theo­re­ti­schen Teil zu ver­tie­fen. Viel­leicht gehen Sie auch noch einen Schritt wei­ter und über­le­gen mit der Klas­se, wie die theo­re­ti­schen Ein­sich­ten in der Pra­xis an­ge­wen­det wer­den könn­ten – mög­li­cher­wei­se ma­chen Sie dabei eine ge­nia­le Er­fin­dung, wer­den Mil­lio­när und müs­sen nie mehr un­ter­rich­ten...!

Auf­ga­ben­stel­lung: Wen­den Sie die Schrit­te aus der obi­gen Ab­bil­dung auf fol­gen­de Phä­no­me­ne an:

  • Eines der klei­nen Är­ger­nis­se im Leben sind ver­drill­te Te­le­fon­schnü­re. Egal wie vor­sich­tig man ist, nach ein paar Wo­chen ist das Kabel immer hoff­nungs­los in sich ver­dreht.
  • Stu­di­en zei­gen, dass in Frank­reich und an­de­ren Mit­tel­meer­län­dern Herz-Kreis­lauf-Er­kran­kun­gen weit sel­te­ner sind als in Ame­ri­ka.
  • Auf­fal­lend viele Pa­ti­en­ten einer Zahn­kli­nik kla­gen in den Mo­na­ten nach der Be­hand­lung ihrer ka­riö­sen Zähne über Kopf­weh und Schlaf­stö­run­gen.
  • Reißt man aus einer Zei­tung einen Ar­ti­kel oder ein Bild aus, so stellt man fest, dass in der Ver­ti­ka­len der Riss (mehr oder we­ni­ger) ge­rad­li­nig ver­läuft. In der ho­ri­zon­ta­len Rich­tung da­ge­gen ist dies – sehr zu un­se­rem Ärger – nicht zu schaf­fen.
  • Alle Kör­per fal­len fast gleich schnell ...

Die obi­gen Aus­füh­run­gen geben in stark ge­kürz­ter Form die ers­ten drei Ka­pi­tel des Bu­ches "A Be­gin­ner´s Guide to Sci­en­ti­fic Me­thod" von Carey, S. Ste­phen wie­der. Dort wer­den in gro­ßem Um­fang Übungs­bei­spie­le ge­nannt; al­ler­dings sind sehr gute Eng­lisch­kennt­nis­se nötig, um die­sen Leit­fa­den – der für ame­ri­ka­ni­sche Stu­den­ten im Grund­stu­di­um ge­schrie­ben wurde – lesen und ver­ste­hen zu kön­nen.
Über­set­zung und Text­aus­wahl ver­dan­ken wir Schwerdtfe­ger, Axel, Carl-Eng­ler-Schu­le, Karls­ru­he.

Geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­we­ge

Was sind Geis­tes­wis­sen­schaf­ten?

  • Im Ge­gen­satz zu den Na­tur­wis­sen­schaf­ten, die ver­su­chen, na­tür­li­che Phä­no­me­ne zu er­klä­ren, um dar­aus für die Pra­xis ver­wert­ba­re Ge­setz­mä­ßig­kei­ten ab­zu­lei­ten, haben die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten sich weit kom­ple­xe­re, mit der na­tur­wis­sen­schaft­li­chen For­mel­spra­che un­lös­ba­re und in Hin­blick auf eine wirt­schaft­li­che Ver­wert­bar­keit oft nutz­los er­schei­nen­de Auf­ga­ben ge­stellt.
  • Sie be­trach­ten all die­je­ni­gen Phä­no­me­ne, die sich aus dem Wir­ken des Men­schen als geist­voll (oder geist­los!) han­deln­des Wesen er­ge­ben. Egal, ob in der Ge­schich­te, in der Ge­sell­schaft oder in der Li­te­ra­tur – die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten haben die Auf­ga­be, die Er­schei­nungs­for­men mensch­li­chen Han­delns zu be­schrei­ben, in ihrer Be­deu­tung für In­di­vi­du­um und Ge­sell­schaft zu wer­ten und die­nen so der Schaf­fung mensch­li­chen Be­wusst­seins.

Die fol­gen­de Ab­bil­dung soll – im di­rek­ten Ver­gleich mit der Me­tho­dik der Na­tur­wis­sen­schaf­ten – die Ar­beits­wei­sen, die Mög­lich­kei­ten, aber auch die Gren­zen der Geis­tes­wis­sen­schaf­ten auf­zei­gen:

Geisteswissenschaftliche Methodik

Geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Me­tho­dik

Am Ende (nur?!) Be­wusst­sein

Zur Er­klä­rung auch hier ein Bei­spiel :

Schritt 1 Die Dra­men von Wil­li­am Shake­speare be­schäf­ti­gen Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­ler noch heute. Nicht etwa, weil man es bis­her nicht ge­schafft hätte, die Rät­sel zu lösen, für die es si­cher Ge­setz­mä­ßig­kei­ten bzw. Lö­sun­gen gibt. Die Wis­sen­schaft­ler sind dar­auf aus, immer neue As­pek­te in sei­nem li­te­ra­ri­schen Werk zu ent­de­cken, um damit die Be­deu­tung Shake­speares für seine Zeit­ge­nos­sen und für die Nach­welt zu er­fas­sen.
Schritt 2 Um nun zu „tes­ten“, ob er mit sei­ner Deu­tung der Shake­speare­dra­men rich­tig liegt, tritt der Wis­sen­schaft­ler in einen Dia­log mit an­de­ren Wis­sen­schaft­lern. Die­ser Dia­log ist eine „Samm­lung sub­jek­ti­ver Ein­schät­zun­gen“ und Er­satz für einen Test, der ob­jek­tiv die Rich­tig­keit der ei­ge­nen The­sen be­wei­sen könn­te, den es aber nicht gibt.
Hier macht sich bei den Be­tei­lig­ten mög­li­cher­wei­se Frus­tra­ti­on breit, denn Rich­ti­ges und Fal­sches las­sen sich nicht immer sau­ber tren­nen und so wird den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten gerne Be­lie­big­keit vor­ge­wor­fen.
Schritt 3 Spä­tes­tens bei die­sem Schritt ge­ra­ten Natur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten aus ihrem bis­he­ri­gen Gleich­schritt. Der Geis­tes­wis­sen­schaft­ler stol­pert und der Na­tur­wis­sen­schaft­ler schaut sich mit­lei­dig um. Wäh­rend er jetzt daran gehen kann, seine theo­re­ti­schen Ein­sich­ten in tech­ni­sche In­no­va­ti­on (und mög­li­cher­wei­se bare Münze) um­zu­set­zen, bleibt dem Geis­tes­wis­sen­schaft­ler nur die trau­ri­ge Ge­wiss­heit, dass er sein dif­fu­ses und in un­end­li­cher Ferne lie­gen­des Ziel eines wie auch immer ge­ar­te­ten „Welt­geis­tes“, einer „ul­ti­ma­ti­ven Ge­setz­mä­ßig­keit für mensch­li­ches Han­deln“ nie­mals wird er­rei­chen kön­nen. Viel­leicht hat er die­ses Ziel auch nie ge­habt...
Schritt 4

 

 
So rich­tet sich sein Au­gen­merk nicht auf die Re­pro­du­zier­bar­keit der Phä­no­me­ne ( ein Shake­speare reicht doch und Ko­pi­en sind immer schlecht!), son­dern dar­auf, dass er als Mensch die Fülle der Ein­zel­er­schei­nun­gen, die ihm das Leben bie­tet, wahr­nimmt und als be­rei­chernd, als bil­dend, in letz­ter Kon­se­quenz als sinn­ge­bend er­kennt. Ziel der Na­tur­wis­sen­schaf­ten ist die Da­seins­be­wäl­ti­gung. Ziel der Geis­tes­wis­sen­schaf­ten ist es, für die­ses Da­sein ein Be­wusst­sein zu schaf­fen.

Zur Ver­tie­fung:

Übun­gen

  • Wie las­sen sich die Psy­cho­lo­gie und die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten in das Sche­ma Na­tur­wis­sen­schaft – Geis­tes­wis­sen­schaft ein­ord­nen?
    Ist mensch­li­ches Han­deln vor­her­seh­bar?
    Wenn ja, wer hätte ein In­ter­es­se, die Ge­setz­mä­ßig­kei­ten zu ken­nen?
  • Könn­ten sich His­to­ri­ker nicht um mehr „Na­tur­wis­sen­schaft­lich­keit“ be­mü­hen, damit Ge­setz­mä­ßig­kei­ten ge­fun­den wer­den, mit deren Hilfe Krie­ge ver­hin­dert wer­den könn­ten?
  • Warum müs­sen alle Phä­no­me­ne, alle Er­schei­nungs­form in un­se­rer Welt immer so­fort er­klärt wer­den? Reicht es nicht, sie ein­fach zu be­stau­nen?

 

Diese Aus­füh­run­gen ver­dan­ken wir
Schwerdtfe­ger, Axel, Carl-Eng­ler-Schu­le, Karls­ru­he.