Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
Geisteswissenschaftliche Erkenntniswege | |
Was sind Geisteswis-
senschaften? |
Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, die versuchen,
natürliche Phänomene zu erklären, um daraus für die Praxis verwertbare Gesetzmäßigkeiten
abzuleiten, haben die Geisteswissenschaften sich weit komplexere, mit der
naturwissenschaftlichen Formelsprache unlösbare und in Hinblick auf eine
wirtschaftliche Verwertbarkeit oft nutzlos erscheinende Aufgaben gestellt.
Sie betrachten all diejenigen Phänomene, die sich aus dem Wirken des Menschen als geistvoll (oder geistlos!) handelndes Wesen ergeben. Egal, ob in der Geschichte, in der Gesellschaft oder in der Literatur – die Geisteswissenschaften haben die Aufgabe, die Erscheinungsformen menschlichen Handelns zu beschreiben, in ihrer Bedeutung für Individuum und Gesellschaft zu werten und dienen so der Schaffung menschlichen Bewusstseins. |
Die folgende Abbildung soll – im direkten Vergleich mit der Methodik der Naturwissenschaften – die Arbeitsweisen, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Geisteswissenschaften aufzeigen: | |
![]() Geisteswissenschaftliche Methodik |
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Am Ende (nur?!)
Bewusstsein |
Zur Erklärung auch hier ein Beispiel : |
Schritt 1 | Die Dramen von William Shakespeare beschäftigen Literaturwissenschaftler noch heute. Nicht etwa, weil man es bisher nicht geschafft hätte, die Rätsel zu lösen, für die es sicher Gesetzmäßigkeiten bzw. Lösungen gibt. Die Wissenschaftler sind darauf aus, immer neue Aspekte in seinem literarischen Werk zu entdecken, um damit die Bedeutung Shakespeares für seine Zeitgenossen und für die Nachwelt zu erfassen. |
Schritt 2 |
Um nun zu „testen“, ob er mit seiner Deutung der
Shakespearedramen richtig liegt, tritt der Wissenschaftler in einen Dialog
mit anderen Wissenschaftlern. Dieser Dialog ist eine „Sammlung subjektiver
Einschätzungen“ und Ersatz für einen Test, der objektiv die Richtigkeit
der eigenen Thesen beweisen könnte, den es aber nicht gibt.
Hier macht sich bei den Beteiligten möglicherweise Frustration breit, denn Richtiges und Falsches lassen sich nicht immer sauber trennen und so wird den Geisteswissenschaften gerne Beliebigkeit vorgeworfen. |
Schritt 3 | Spätestens bei diesem Schritt geraten Natur- und Geisteswissenschaften aus ihrem bisherigen Gleichschritt. Der Geisteswissenschaftler stolpert und der Naturwissenschaftler schaut sich mitleidig um. Während er jetzt daran gehen kann, seine theoretischen Einsichten in technische Innovation (und möglicherweise bare Münze) umzusetzen, bleibt dem Geisteswissenschaftler nur die traurige Gewissheit, dass er sein diffuses und in unendlicher Ferne liegendes Ziel eines wie auch immer gearteten „Weltgeistes“, einer „ultimativen Gesetzmäßigkeit für menschliches Handeln“ niemals wird erreichen können. Vielleicht hat er dieses Ziel auch nie gehabt... |
Schritt 4
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So richtet sich sein Augenmerk nicht auf die Reproduzierbarkeit der Phänomene ( ein Shakespeare reicht doch und Kopien sind immer schlecht!), sondern darauf, dass er als Mensch die Fülle der Einzelerscheinungen, die ihm das Leben bietet, wahrnimmt und als bereichernd, als bildend, in letzter Konsequenz als sinngebend erkennt. Ziel der Naturwissenschaften ist die Daseinsbewältigung. Ziel der Geisteswissenschaften ist es, für dieses Dasein ein Bewusstsein zu schaffen. |
Zur Vertiefung: | |
Übungen |
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Diese Ausführungen verdanken wir
Schwerdtfeger, Axel, Carl-Engler-Schule, Karlsruhe.