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Ju­nio­ren­fir­ma und Übungs­fir­ma


Im Fol­gen­den han­delt es sich um Aus­zü­ge aus der Hand­rei­chung
Lan­des­in­sti­tut für Er­zie­hung und Un­ter­richt (Hrsg.) (2002):
Ju­nio­ren­fir­ma . H – 02/11, 2002. Stutt­gart.

Er­schie­nen ist fer­ner die Hand­rei­chung Übungs­fir­ma . H – 01/27, 2001. Stutt­gart.

Die Aus­zü­ge sol­len Ihnen einen ers­ten Über­blick über das Thema er­mög­li­chen.


De­fi­ni­ti­on und Ab­gren­zung des Be­griffs Ju­nio­ren­fir­ma

Wie schon an­ge­deu­tet, ist die Ju­nio­ren­fir­ma eine hand­lungs­ori­en­tier­te Lern­form, die kauf­män­ni­sche Bil­dungs­zie­le ver­mit­teln will, indem sie Schü­ler - in die­sem Fall in der Rolle von Mit­ar­bei­tern - aktiv am Un­ter­neh­mens­ge­sche­hen teil­neh­men lässt. Dabei wer­den durch ent­scheidungsorientierte Auf­ga­ben­stel­lun­gen und hand­lungs­ori­en­tier­tes Ler­nen aktiv Schlüssel­qualifikationen in den Be­rei­chen der fach­li­chen, so­zia­len und me­tho­di­schen Kom­pe­tenz so­wie der Ent­schei­dungs- und Mit­wir­kungs­kom­pe­tenz ent­wi­ckelt bzw. we­sent­lich ge­för­dert.

Der we­sent­li­che Un­ter­schied zwi­schen einer Übungs- oder Lern­fir­ma und einer Ju­nio­ren­fir­ma be­steht im so­ge­nann­ten Ernst­cha­rak­ter der letz­te­ren, d. h. dass Ju­nio­ren­fir­men wirk­lich
  • am Markt­ge­sche­hen teil­neh­men
  • mit ech­tem Ka­pi­tal ar­bei­ten und
  • mit rea­len Pro­duk­ten han­deln
was die Chan­ce wirt­schaft­li­chen und un­ter­neh­me­ri­schen Er­folgs ge­nau­so in sich birgt wie die Ge­fahr des be­triebs­wirt­schaft­li­chen Schei­terns.

An­mer­kung der Re­dak­ti­on:
Einen ganz ähn­li­chen Ge­dan­ken ver­folgt das Pro­jekt aus der
Be­rufs­fach­schu­le (BFS)
Die ers­ten 100 Tage im Wirt­schaft-live-Pro­jekt

Übungs- und Ju­nio­ren­fir­men sind in ihrer Auf­bau- und Ab­lauf­or­ga­ni­sa­ti­on wie klei­ne Un­ter­neh­men auf­ge­baut und för­dern damit die be­ruf­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on jun­ger Men­schen mehr, als es eine reine Wis­sens­ver­mitt­lung ver­mag.

Tipp:
Übungs­fir­men bil­den heute eine klei­ne Welt für sich. Wer eine Übungs­fir­ma grün­den will, soll­te mög­lichst früh mit der Zen­tral­stel­le des Deut­schen Übungs­fir­men­rings ( www.​zuef.​de ) Kon­takt auf­neh­men und ent­spre­chen­de in­ter­na­tio­na­le Mes­sen be­su­chen. Die Zen­tral­stel­le bie­tet eine Fülle von Dienst­lei­tun­gen, wie Ban­ken, Ämter, Be­hör­den, Markt, Mes­sen und Zer­ti­fi­zie­rung an.

Übungsfirma
Ein­drü­cke von der 41. in­ter­na­tio­na­len Übungs­fir­men Messe in Karls­ru­he


Theo­re­ti­sche Grund­la­gen

Pro­blem­stel­lung

Schu­li­sche und be­trieb­li­che Qua­li­fi­zie­rung be­deu­tet mehr als nur die Ver­mitt­lung von Fertig­keiten und Kennt­nis­sen. Stets geht es auch um das Er­ler­nen und um die Ein­prä­gung von Ver­haltensweisen in Schu­le und Un­ter­neh­men. Die so­ge­nann­ten Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen als di­dak­ti­sche Ziel­grö­ße für die Aus- und Wei­ter­bil­dung be­herr­schen nach wie vor die Diskussi­on um eine päd­ago­gisch re­le­van­te Ant­wort auf die sich stän­dig voll­zie­hen­den öko­no­mi­schen, tech­no­lo­gi­schen und ge­sell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen (siehe Fuß­no­te 1). Dies be­deu­tet je­doch noch lange nicht, dass alle, die die­sen Be­griff ver­wen­den, dar­un­ter auch das Glei­che ver­ste­hen. Ohne an die­ser Stel­le auf die zahl­lo­sen Ka­ta­lo­ge von sol­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen ein­zu­ge­hen, lässt sich fest­hal­ten, dass obers­ter Leit­ge­dan­ke die­ses Ziel­kon­zep­tes sein muss, die Schü­ler zum wirt­schaftlichen und so­zia­len Den­ken und Han­deln zu be­fä­hi­gen.

Da sich die Be­herr­schung von Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen nur im Han­deln der Per­son er­ken­nen lässt, ist es fol­ge­rich­tig, in der Aus­bil­dung „hand­lungs­ori­en­tier­te" Me­tho­den an­zu­wen­den (siehe Fuß­no­te 2).   Das zu­grun­de lie­gen­de lern­theo­re­ti­sche Mo­dell des hand­lungs­ori­en­tier­ten An­sat­zes geht auf J. Dewey und sein „learning-by-doing" zu­rück. Dem durch prak­ti­sches Tun Er­lern­ten wird ein grö­ße­rer Be­hal­tens- und Er­in­ne­rungs­wert bei­ge­mes­sen.

Über­tra­gen auf die schu­li­sche Si­tua­ti­on be­deu­tet dies, die je­wei­li­ge Ler­num­welt nach kauf­männischen Ge­ge­ben­hei­ten zu or­ga­ni­sie­ren und die Lern­pro­zes­se selbst so zu ge­stal­ten, dass der Ler­nen­de auch wirk­lich mit kauf­män­ni­schen Ar­beits­auf­ga­ben kon­fron­tiert wird. Hier­zu exis­tie­ren Kon­zep­te wie „Übungs­kon­tor", „Lern­bü­ro", „Lehr­bü­ro", „Übungs­fir­ma", „Schein­firma" usw., auf die im Rah­men die­ser Hand­rei­chung nicht näher ein­ge­gan­gen wer­den soll.

Zu den an der Ver­mitt­lung von Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen ori­en­tier­ten Groß­me­tho­den zäh­len auch Fall­stu­di­en, Plan­spie­le, Pro­jek­te, Rol­len­spie­le usw. (siehe Fuß­no­te 3). Ihnen ist ge­mein­sam, dass auch sie eine Ver­bin­dung von Theo­rie und Pra­xis an­stre­ben. So sind z. B. seit ei­ni­gen Jah­ren in den Lehr­plä­nen für die kauf­män­ni­schen Fä­cher in Baden-Würt­tem­berg Fall­stu­di­en und Plan­spie­le ex­pli­zit ge­nannt, um durch pro­blem- und ent­schei­dungs­ori­en­tier­te Si­tua­tio­nen einen ver­stärkten Pra­xis­be­zug her­zu­stel­len.

Bei den An­satz­punk­ten, so­wohl dem der „ent­schei­dungs­ori­en­tier­ten Be­triebs­wirt­schafts­leh­re" als auch dem des „hand­lungs­ori­en­tier­ten Ler­nens", soll mit Hilfe des me­tho­di­schen Lernar­rangements „Ju­nio­ren­fir­ma" Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Die Ju­nio­ren­fir­ma als per­ma­nen­tes Groß­pro­jekt mit Ernst­cha­rak­ter er­hebt den An­spruch, die Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen in be­son­de­rer Weise zu ent­wi­ckeln und zu för­dern.

Ju­nio­ren­fir­men sind real am Markt ope­rie­ren­de Un­ter­neh­men, die mit ech­ten Gü­tern, also Waren und Dienst­leis­tun­gen, und ech­tem Ka­pi­tal ar­bei­ten. Die Ju­nio­ren­fir­ma er­setzt das Spie­le­ri­sche der Schein­fir­ma durch die Ernst­si­tua­ti­on mit rea­lem Geld- und Wa­ren­ein­satz.

Ge­gen­stand von zeit­lich be­grenz­ten oder per­ma­nen­ten Ju­nio­ren­fir­men­pro­jek­ten im kaufmän­nischen Be­reich waren bei­spiels­wei­se be­reits Her­stel­lung und Ver­kauf eines Schul­füh­rers, eines T-Shirts u. ä. (siehe Fuß­no­te 4).

Neben der schu­li­schen Aus­bil­dung wird das Ju­nio­ren­fir­men­kon­zept auch für die be­trieb­li­che Aus­bil­dung ge­nutzt. Bei­spie­le hier­für sind Un­ter­neh­men wie ZF in Fried­richs­ha­fen, Bahn AG oder WMF in Geis­lin­gen. (Fuß­no­te 5). Da die Hand­rei­chung zur Un­ter­stüt­zung der Ein­rich­tung schuli­scher Ju­nio­ren­fir­men ge­dacht ist, gehen wir auf die Kon­zep­ti­on die­ser Art von Ju­nio­ren­fir­men nicht wei­ter ein.


Päd­ago­gi­sche Ziel­set­zun­gen

Wege zur Hand­lungs­kom­pe­tenz

Die Würde des Men­schen liegt nicht zu­letzt darin, ver­nünf­tig zu han­deln und selbst zu ent­schei­den.

MAX FRISCH

In den be­ruf­li­chen Schu­len ist ein Un­ter­richt an­zu­stre­ben, der Hand­lungs­kom­pe­tenz und Ei­geninitiative för­dert. Da­durch wer­den die Schü­ler be­fä­higt, in be­ruf­li­chen und au­ßer­be­ruf­li­chen Si­tua­tio­nen sach­ge­recht und selbst­be­stimmt, in so­zia­ler Ver­ant­wor­tung sowie fach­lich rich­tig und me­tho­den­ge­lei­tet zu ar­bei­ten und die Er­geb­nis­se zu be­ur­tei­len.

Da­durch er­ken­nen und er­fah­ren die Schü­ler, wie die Un­ter­richts­fä­cher Be­triebs­wirt­schafts­leh­re, Rech­nungs­we­sen, Da­ten­ver­ar­bei­tung, Deutsch und je nach Ge­schäfts­zweck auch wei­te­re Fä­cher wie Eng­lisch oder Geo­gra­fie mit­ein­an­der zu­sam­men hän­gen. Au­ßer­dem er­höht dies die Mo­ti­va­ti­on.



Fuß­no­ten:

  1. Vgl. Fix, W. Ju­nio­ren­fir­men (1989): Ein in­no­va­ti­ves Kon­zept zur För­de­rung von Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen, Ber­lin 1989, S. 14 ff.
  2. Vgl. Kuhl­mei­er, W. / Uhe, E.: Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen - vom Zau­ber­wort zur di­dak­ti­schen Ent­schei­dungs­hil­fe. In: Wink­lers Flü­gel­stift 1/91, S. 15 - 18.
  3. Vgl. Ewig, G.(1990): Wege zur Schü­ler­ak­ti­vi­tät, Darm­stadt 1990, S. 113 ff.
  4. Vgl. Beck, Her­bert (1993): Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen- Bil­dung im Wan­del, S. 68.
  5. Vgl. Fix, W. (1989), S. 131ff.