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Theo­rie Hör- Seh­ver­ste­hen

In­fo­box

Diese Seite ist Teil einer Ma­te­ria­li­en­samm­lung zum Bil­dungs­plan 2004: Grund­la­gen der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung. Bitte be­ach­ten Sie, dass der Bil­dungs­plan fort­ge­schrie­ben wurde.

GRUND­SATZ­BE­MER­KUN­GEN ZUM HÖR-, HÖR-/SEH­VER­STE­HEN

Wie be­hel­fen wir uns in einem frem­den Land, in dem wir die Spra­che nicht ver­ste­hen? – Wir „reden mit Hän­den und Füßen“, d.h. schüt­teln un­se­ren Kopf, wenn wir etwas nicht wol­len, deu­ten auf etwas, wenn wir es wol­len, la­chen, um Freu­de aus­zu­drü­cken, bal­len die Faust um Ärger Luft zu ma­chen. Auf der un­ters­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stu­fe funk­tio­niert diese non­ver­ba­le Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on, trotz ei­ni­ger kul­tu­rel­ler Un­ter­schie­de, meist recht gut.
Geht man vom um­ge­kehr­ten Fall aus, dass man nur auf ver­ba­le For­men der Kom­mu­ni­ka­ti­on ohne non­ver­ba­le Un­ter­stüt­zung an­ge­wie­sen ist, z.B. bei einem Te­le­fo­nat, dann wer­den uns recht schnell die Gren­zen un­se­rer Fremd­spra­chen­kom­pe­tenz auf­ge­zeigt.
Wer­den hin­ge­gen ver­ba­le und non­ver­ba­le Zei­chen kom­bi­niert, wie in einem Film bei­spiels­wei­se, fällt es uns meist ein­fa­cher, Be­deu­tung zu ent­schlüs­seln bzw. zu kon­stru­ie­ren.
Zu­sam­men­fas­send kann man also fest­hal­ten, dass die De­ko­die­rung ge­spro­che­ner Spra­che viel kom­ple­xer ver­läuft als die De­ko­die­rung vi­su­el­ler Im­pul­se. Das lässt sich da­durch er­klä­ren, dass die Be­deu­tungs­kon­struk­ti­on ge­spro­che­ner Spra­che eine grö­ße­re Band­brei­te und ein tie­fe­res Ver­ständ­nis lin­gu­is­ti­scher, kon­tex­tu­el­ler sowie kul­tu­rel­ler Kom­pe­ten­zen be­darf. Han­delt es sich bei der Ent­schlüs­se­lung um eine Fremd­spra­che, so ist der Be­deu­tungs­kon­struk­ti­ons­pro­zess ein in noch viel hö­he­rem Maße ak­ti­ver, be­wuss­ter, ra­tio­na­ler Pro­zess als das emo­tio­na­le, un­mit­tel­ba­re und schnel­le Auf­neh­men von Bil­dern. So ist es nur lo­gisch, dass beim Hör­seh­ver­ste­hen, vor allem in der Fremd­spra­che, die vi­su­el­len Reize über­la­gern. Alis­ta­ir Cook fasst das fol­gen­der­ma­ßen zu­sam­men: “peop­le lis­ten with two eyes and one ear”.

Da es ein Ziel des Eng­lisch­un­ter­richts ist, die Schü­ler dazu zu brin­gen, nicht nur mit zwei Augen, son­dern auch „mit zwei Ohren zu hören“, scheint es hilf­reich sich cha­rak­te­ris­ti­sche Ei­gen­schaf­ten der Spra­che be­wusst zu ma­chen um dar­aus Kon­se­quen­zen für die Un­ter­richts­pla­nung zu zie­hen:
Grund­sätz­lich ist ge­spro­che­ne Spra­che orts­ab­hän­gig, d.h. beim Metz­ger z.B. er­war­ten wir eine an­de­re Ein­gangs­fra­ge als beim Fri­seur.

Fol­gen­de Kri­te­ri­en der Un­ter­schei­dung von Ge­sprächs­si­tua­tio­nen schei­nen be­deut­sam:

  1. „ge­plan­te“ Sprach­hand­lun­gen (z.B. Rede), und „nicht-ge­plan­te“ Sprach­hand­lun­gen (z.B. spon­ta­ne Kon­ver­sa­ti­on).
  2. „trans­ak­tio­na­le“ Sprechab­sicht (dient vor allem der Wei­ter­lei­tung von Infos) bzw. „in­ter­ak­tio­na­le“ Sprechab­sicht (dient vor allem der so­zia­len In­ter­ak­ti­on).
    De facto sind die meis­ten Sprach­hand­lun­gen Misch­for­men.
  3. „Nicht-kol­la­bo­ra­ti­ve“ For­men (re­zep­tiv, z.B. TV, Radio, d.h. nur In­ter­pre­ta­ti­on) – „kol­la­bo­ra­ti­ve“ For­men (in­ter­ak­tiv nach mehr oder we­ni­ger for­ma­len Re­geln, z.B. All­tag, Re­stau­rant, d.h. (non)ver­ba­le Re­ak­ti­on wird er­war­tet).

Im Ge­gen­satz zur ge­schrie­be­nen Spra­che ist ge­spro­che­ne Spra­che ko­diert in Sound:

  • Pho­no­lo­gie, z.B. As­si­mi­la­tio­nen (won­choo = won‘t you), Eli­si­on (nex_ day), In­tru­si­on (r)
  • Ac­cent (Geo­gra­phie oder Klas­se)
  • Be­to­nung & In­to­na­ti­on (= pro­so­dic fea­tures; kön­nen buch­stäb­li­che Be­deu­tung er­gän­zen oder wi­der­spre­chen),
  • Ge­schwin­dig­keit

Unter dem lin­gu­is­ti­schen As­pekt herr­schen fol­gen­de Merk­ma­le vor:

  • An­ein­an­der­rei­hung, kur­zer Ide­en­ein­hei­ten, die sel­ten durch Kon­junk­tio­nen ver­bun­den sind
  • Ver­zö­ge­run­gen (ge­füll­te, nicht ge­füll­te Pau­sen, Wie­der­ho­lun­gen), Neu­an­fän­ge
  • non-stan­dard Ele­men­te, e.g. like
  • per­sön­lich, emo­tio­nal

Dazu kommt, dass wir in der Regel le­dig­lich eine ein­zi­ge Chan­ce haben, das ge­spro­che­ne Wort zu de­ko­die­ren. Nur in we­ni­gen Fäl­len haben wir die Mög­lich­keit nach­zu­fra­gen bzw. zu­rück­zu­spu­len.

Wenn es um das Me­di­um Film geht, so gibt es hier ei­ni­ge Fak­to­ren zu be­den­ken, die uns das Ver­ständ­nis er­schwe­ren:

  1. eine hohe ver­ba­le Dich­te, z.B. Woody Allen Filme
  2. ge­spro­che­ne Spra­che, die nicht/kaum durch vi­su­el­le Zei­chen un­ter­stützt wird, z.B. eine Din­ner­kon­ver­sa­ti­on
  3. au­then­ti­sche, na­tür­li­che Sprech­si­tua­tio­nen bei der man Mund­be­we­gun­gen nicht sieht, Leute durch­ein­an­der reden, etc.
  4. Car­toons (Geste, Mimik, Kör­per­spra­che ist meis­tens we­ni­ger ex­pres­siv)
  5. Dia­lek­te, Ak­zen­te
  6. Al­teng­lisch, z.B. mo­der­ne Shake­speare-Ver­fil­mun­gen
  7. Kom­ple­xe Hand­lungs­strän­ge
  8. Das Feh­len in­ter­kul­tu­rel­ler Sche­ma­ta, z.B. „Mor­gen ist gel­ber Sack“

Bleibt die Frage der Un­ter­ti­tel und deren Sinn­haf­tig­keit für Fremd­spra­chen­ler­ner. Grund­sätz­lich gilt auch hier, dass das Auge do­mi­nan­ter ist als das Ohr. Wenn man Zu­schau­ern so­wohl einen Hör- wie auch einen Buch­sta­benim­puls gibt, so wird immer das Lesen be­vor­zugt wer­den. De facto ist es sogar so, dass wir die Un­ter­ti­tel au­to­ma­tisch lesen auch wenn wir ei­gent­lich ver­ste­hen, was im Film ge­spro­chen wird. Im ex­tre­men Fall, vor allem bei der Ver­wen­dung einer Fremd­spra­che, er­setzt der Le­se­pro­zess den Hör­pro­zess kom­plett.
Grund­sätz­lich gibt es vier Va­ri­an­ten, Un­ter­ti­tel ein­zu­set­zen:

  1. Eng­li­sche Hör­va­ri­an­te mit eng­li­schen Un­ter­ti­teln.
    Kom­men­tar: Die Ge­fahr be­steht, dass der Le­se­pro­zess den Hör­pro­zess über­la­gert. In­ter­es­sant ist aber die Mög­lich­keit, Ver­ständ­nis zu über­prü­fen, d.h. ein ers­tes Hör­se­hen ohne, dann ein wei­te­res Mal mit Un­ter­ti­tel.
  2. Eng­li­sche Hör­va­ri­an­te mit deut­schen Un­ter­ti­teln.
    Kom­men­tar: Das ist für den Sprach­er­werbs­pro­zess noch we­ni­ger op­ti­mal, weil das Mit­le­sen deut­scher Un­ter­ti­tel noch mehr über­la­gert als das von eng­li­schen. Eine sinn­vol­le Ein­satz­mög­lich­keit ist je­doch der ge­ziel­te Über­set­zungs­ver­gleich bzw. eine ge­ziel­te Über­prü­fung des Ver­ständ­nis­ses (ähn­lich wie in Va­ri­an­te a).
  3. Deut­sche Hör­va­ri­an­te mit eng­li­schen Un­ter­ti­teln.
    Kom­men­tar: Diese Va­ri­an­te bringt für den Hör­ver­ste­hens­pro­zess nichts, kann aber für die ge­ziel­te Er­wei­te­rung eines kon­textua­li­sier­ten Wort­schat­zes ein­ge­setzt wer­den.

Die Ent­schei­dung, ob und wie Un­ter­ti­tel zum Ein­satz kom­men, hängt maß­geb­lich von der Ziel­set­zung des Un­ter­richts ab. Was kon­kret müs­sen nun Schü­ler kön­nen, um bes­se­re Hörer bzw. „Hör-/Hör­seh­ver­ste­her“ zu wer­den? Sie müs­sen in der Lage sein, so­wohl Grob- als auch De­tail­ver­ständ­nis zu kon­stru­ie­ren. Sie müs­sen in der Lage sein, Vor­her­sa­gen, die sie beim Hören bzw. Hör­se­hen kon­stru­iert haben, über­prü­fen zu kön­nen. Sie müs­sen in der Lage sein, die In­halt, die Ge­füh­le und Mei­nun­gen der Ak­teu­re zu ver­ste­hen. Sie müs­sen Be­zie­hun­gen zwi­schen Ak­teu­ren und/oder den Kon­text iden­ti­fi­zie­ren bzw. in­fe­rie­ren, etc.
Hier tun sich – für Leh­rer wie Schü­ler - vier Haupt­ar­beits­fel­der auf: In­halt, Spra­che, in­ter­kul­tu­rel­le Kom­pe­tenz, Schu­lung der media li­ter­a­cy. Sel­ten kön­nen alle Be­rei­che glei­cher­ma­ßen be­ar­bei­tet wer­den, so dass man se­lek­tiv und spi­ral­cur­ri­cu­lar agie­ren muss.

Die Ziel­set­zung be­stimmt ent­schei­dend die Aus­wahl des Ma­te­ri­als. Dass sel­bi­ges ziel­ori­en­tiert, au­then­tisch, viel­fäl­tig, qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig, etc. sein soll­te, ver­steht sich von selbst.
Die Auf­ga­ben­stel­lung muss auf das Ziel und das Ma­te­ri­al ab­ge­stimmt sein. Bei kur­zen Nach­rich­ten bie­tet sich z.B. das Ab­prü­fen von in­halt­li­chem De­tail­ver­ständ­nis durch Wh-ques­ti­ons an, bei Wer­be­spots könn­te neben dem In­halt ein Au­gen­merk auf der Film­tech­nik lie­gen (wel­che Mit­tel wer­den ge­wählt, um die Bot­schaft zu un­ter­strei­chen?), Bei Mu­sik­clips kann man u.a. einen Fokus auf words and phra­ses im Be­reich von At­mo­sphä­re, Emo­tio­nen, etc. legen, bei Spiel­fil­men könn­ten Cha­rak­te­ri­sie­run­gen und Kon­stel­la­tio­nen im Mit­tel­punkt ste­hen.

Um also die Hör-/Hör­seh­ver­ste­hens­kom­pe­tenz kon­se­quent auf­zu­bau­en, müs­sen wir di­ver­se Ziel­be­rei­che (lis­ten­ing com­pre­hen­si­on, view­ing com­pre­hen­si­on, cul­tu­ral en­coun­ter, media li­ter­a­cy, lin­gustic aims, etc.) ab­de­cken. Dazu ist es not­wen­dig, in se­lek­ti­ver wie spi­ral­cur­ri­cu­la­rer Vor­ge­hens­wei­se eine große Band­brei­te an Text­sor­ten (drama video, do­cu­men­ta­ries, TV news and wea­ther, dis­cus­sions, in­ter­views, TV com­mer­ci­als, sports pro­grams, talk shows, game showns, edu­ca­tio­nal films, spee­ches, etc.) ab­zu­de­cken. Fer­ner müs­sen un­ter­schied­li­che ana­ly­ti­sche wie krea­ti­ve Ver­fah­ren – wenn mög­lich als task-based ac­tivi­ty – zur An­wen­dung ge­bracht wer­den, um un­ter­stützt durch in­di­vi­dua­li­sier­te Port­fo­li­o­ar­beit nach­hal­ti­ges Ler­nen zu er­mög­li­chen.


Ex­ter­ne Links zum Ba­sis­wis­sen

… ZU KENN­ZEI­CHEN GE­SPRO­CHE­NER SPRA­CHE
http://​www.​kmk-​for­mat.​de/​ma­te­ri­al/​Fre​mdsp​rach​en/​2-​1-​3_​Kenn­zei­chen_​ges​proc​hene​r_​Spra­che.​pdf

… GRUND­SATZ­ÜBER­LE­GUN­GEN HSV
http://​www.​kmk-​for­mat.​de/​ma­te­ri­al/​Fre​mdsp​rach​en/​2-​1-​1_​Gru​ndsa​etzl​iche​_​Ue­ber­le­gun­g_​Hoeren.​pdf


 

Grund­satz­über­le­gun­gen: Her­un­ter­la­den [doc] [51 KB]

HSV- Fer­tig­keit vs Kom­pe­tenz:  Her­un­ter­la­den [doc] [42 KB]

Links: Her­un­ter­la­den [doc] [28 KB]